Wien ist alles
Thees Uhlmann schreibt gerne Songs über Städte. Diesmal war Wien dran. Im Interview verriet er uns, wie es dazu kam und welchen österreichischen Act er gerne mit Lady Gaga zusammen auf Tour schicken würde.
Thees Uhlmann schreibt gerne Songs über Städte. Diesmal war Wien dran. Im Interview verriet er uns, wie es dazu kam und welchen österreichischen Act er gerne mit Lady Gaga zusammen auf Tour schicken würde.
An einem verregneten Abend haben wir den sympathischen Thees Uhlmann im Rahmen seines Konzerts in Wien getroffen. Wie das mit (Indie-) Rockern oft so ist, begann das Gespräch mit dem ehemaligen Tomte- Sänger beim Thema Bier: „Wieso gibt’s kein Ottakringer im Kühlschrank?“, fragt der leicht überdrehte Thees, der sich gut gelaunt dann aber gleich mit der Alternative in Dosenform anzufreunden weiß. Im von Plakaten vollgekleisterten, lauschigen Backstageraum der Arena, erzählt Thees dann mehr über seine Wienaufenthalte und seinen Bezug zu Österreich.
progress: Hi Thees, dir wurden heute sicher schon ganz viele Fragen über dein Verhältnis zu Wien gestellt. Oder?
Thees Uhlmann: Eigentlich werde ich zu Wien gar nicht so viel gefragt. Ich würde gern öfter über Wien reden, das ist interessanter, als über meine Musik zu reden.
Du bist oft in Wien. Warum eigentlich?
Thees: Zum Beispiel weil ich hier noch als Tourist durch die Gegend gehen kann. Es gibt zwei legendäre Stunden, die ich mit meiner Tochter im Museumsquartier lachend und rutschend auf den Plastikteilen verbracht habe. Ich bin hier auch gerne mit meinen Homies unterwegs, zum Beispiel mit David Schalko. Und natürlich ist es auch die Psyche der Stadt, die schön ist.
Wie ist die denn so?
Thees: Hedonistisch und depressiv.
Auf deinem aktuellen Album gibt es auch einen Song über Wien: „Zerschmettert in Stücke, im Frieden der Nacht“. Er handelt vom Flakturm, wo heute das Haus des Meeres zu finden ist. Wie kam es dazu?
Thees: Ich habe schon über Detroit, New York, Hamburg und Paris geschrieben. Es kommt mir einfach immer wieder in den Sinn, über Städte zu singen. Das hat für mich eine gewisse Tradition. Diesmal war Wien fällig, weil ich oft hier bin und ich in Wien wahnsinnig gute Freunde habe. Es ist eine gute Landschaft, über die man schreibenkann, vor allem weil sich Deutschland und Österreich in vielen Dingen ein bisschen ähnlich sind – und dann doch überhaupt nicht. Das mit den Flaktürmen ist mir eingefallen, weil auf dem Turm beim Haus des Meeres ja „Smashed into pieces in the still of the night“ geschrieben steht und das für mich einfach riesige Kunst ist. Es beschreibt die Macht des Krieges in wenigen Worten. Mir haben mittlerweile sogar einige Wiener geschrieben, dass sie schon tausendmal daran vorbeigegangen sind und ihnen der Spruch nie aufgefallen ist. Das ist eine Form von „Heimatblindheit“, die auch ich von mir und Hamburg kenne. Fremden fallen Dinge auf, an denen man selbst tagtäglich blind vorbeigeht. Das finde ich spannend.
Willst du mit dem Lied auch die österreichische Gesellschaft und ihre Mentalität kritisieren? Eine Zeile darin lautet nämlich: „Ich wäre so gerne ein Schaf, ein Schaf in deiner Herde, doch es gibt keinen Schäfer, der über uns wacht.“
Thees: Ich hab da schon ein bisschen in Geschichtsbüchern herumgekramt, als ich den Song geschrieben habe. Ich bin dabei über einen Satz gestolpert, der lautet: „Wien ist nichts und der Kaiser ist alles.“ Das ist für mich ein total verrückter Satz. Er sagt ja, dass das kollektive Schicksal einer Stadt weniger wert ist als irgendein Mann mit weißer Perücke. Ich dachte mir, dass man das umdrehen muss, denn eine Gesellschaft ist immer mehr wert als ein Einzelschicksal. Aber grundsätzlich wollte ich damit nichts kritisieren. Ich möchte als Künstler gar nicht bewerten. Mir steht das auch nicht zu, finde ich. Wien ist eine geile Stadt, das ist eigentlich die einzige Message des Songs. Als Künstler habe ich kein Interesse an großen politischen Aussagen.
In deinen Songs finden sich immer wieder historische Referenzen und Jahreszahlen, so etwa auch in deiner aktuellen Single „Am 7. März“. Du interessierst dich sehr für Geschichte, oder?
Thees: Ja, schon. Aber es geht mir um etwas anderes. Mich interessiert, wie man auf Ideen und Erfindungen kommt, die die ganze Welt verändern. Das passiert einfach oft beiläufig mitten in der Nacht, wie zum Beispiel bei der Erfindung der Cornflakes.
Also ist das eher ein Stilmittel?
Thees: Kann man so sagen.
Dein aktuelles Album klingt mit dem orchestralen Singer-Songwriter-Soundsehr zeitgemäß. Die Produktion erinnert ein bisschen an Caspers „Hinterland“. Welche Platten haben dich während des Aufnehmens inspiriert?
Thees: Kann ich nicht sagen, denn es spielt für meine Musik keine große Rolle, was ich höre. Wenn ich ein Album aufnehme, lese ich eher und suche nach guten Zitaten. Ich hab nur bei einem Song gesagt, dass ich ein ähnliches Keyboard wie bei einem Marteria-Song haben möchte (lacht und macht das Geräusch nach). Tobias (Anm. d. Red.: Thees' Gitarrist) und ich haben in unserem Leben einfach schon so wahnsinnig viel Musik gehört. Wenn ich Musik schreibe, ist mein Hirn deswegen schon zu voll. Ich muss dafür nicht auch noch die neue Daft Punk hören. Klar, man saugt immer auch auf und klaut Elemente von anderen. Auf meiner Platte wird es etwa immer drei Sachen geben, die ich von Kanye West geklaut habe – ich bin einfach Kanye-Fan. Man hört manchmal etwas und fühlt sich inspiriert, etwas Ähnliches zu schreiben. Ich schätze Kanyes Offenheit und Melancholie sehr.
Auf deinem letzten Album gab es noch zwei Nummern mit Casper. Wieso gab’s diesmal keine Features und bist du derzeit noch in andere Projekte involviert?
Thees: Ich wüsste jetzt gar nicht mit wem und wie und nein – manchmal träume ich davon Sänger einer Punkband zu sein (lacht). Aber dafür bleibt neben meiner Tochter und meinem Solo-Projekt einfach keine Zeit.
Verfolgst du eigentlich die österreichische Musikszene?
Thees: Mein Homie Max Perner bringt jetzt bald eine Garish-Platte raus – da bin ich schon neugierig, was das wird, und zur Zeit finde ich auch Koenig Leopold ziemlich spannend. Wenn Lady Gaga das sehen würde, was die machen, die würde die einfach mitnehmen und sagen: „Guys you’re coming with me on tour.“ Das ist wahnsinnig cool, diese Einstellung, die die haben. So auf „Alter, wir wollen nicht nach Tokyo. Wir wollen auch nicht nach New York. Wir stehen im Wald und singen so, dass es keiner verstehen kann“. Das gefällt mir.
Das Interview führte Simone Grössing.
Foto: Alexander Gotter.