Unsere Solidarität gegen ihre Repression

  • 12.06.2024, 14:18
Wann immer sich Rechte die Straße oder das Parlament nehmen, gibt es Menschen, die das nicht unkommentiert lassen. Dabei werden politische Aktivist_innen jedoch oft selbst Betroffene von staatlichen Repressionen. Im Lichte des aufsteigenden Autoritarismus in Gesellschaft und Politik stellt sich die Frage, wie sich dieser auf strafrechtliche Verfolgung von Aktivist_innen und damit verbundene Solidaritätsarbeit auswirken könnte.

Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Rechte Parteien nutzen ihre politische Macht dafür, gesetzliche Änderungen in ihrem Sinne herbeizuführen. Dass dabei auch gezielt politischer Aktivismus eingeschränkt wird, ist nichts Neues: Vermehrten Eingriffen unterlag in der Vergangenheit die Versammlungsfreiheit.

Erst 2017 verschärfte eine Novelle das Versammlungsgesetz: Einerseits wurde die Frist für das Anmelden von Versammlungen von 24 auf 48 Stunden erhöht, was es verunmöglicht, spontane Demos zu organisieren, ohne eine Strafe für das späte Anmelden zu erhalten. Andererseits wurde der Schutzbereich eingeführt, welcher de facto eine Verbotszone um eine Versammlung bildet, in der keine andere stattfinden kann. Daraus resultierte eine schlagartige Erhöhung von Verwaltungsstrafen gegen Aktivist_innen und Organisator_innen seit 2017.

Obwohl die FPÖ seit den Corona-Demonstrationen die Versammlungsfreiheit in ihrer Wichtigkeit hervorhebt, wird sich die Partei wohl für weitere Einschränkungen einsetzen. Im oberösterreichischen Landtag sprechen sich ÖVP und FPÖ bereits jetzt für zusätzliche Verschärfungen aus, um gegen Proteste der „Letzten Generation“ vorzugehen.

Die Rechtslage in anderen Ländern zeigt, welche Änderungen noch möglich wären: In Nordrhein-Westfalen wurden neue, weitreichende Straftatbestände geschaffen, die Gegendemonstrationen faktisch verbieten. Außerdem wurde ein Verbot für Demos auf Autobahnen eingeführt. Anlass waren hier Proteste aus der Klimabewegung, wie beispielsweise die Besetzung des Kohleabbaugebiets in Lützerath. Mehrere NGOs, darunter Amnesty International, kritisierten das Gesetz stark und gingen dagegen vor – bis jetzt erfolglos.

 

 

Kriminalisierung und Verfolgung. Politisch motiviertes Handeln beobachten wir jedoch nicht nur in Gesetzen und Gesetzessänderungen, sondern auch im Verfolgungswillen der Justiz gegenüber linken Aktivist_innen.

Bei Ermittlungen gegen Antifaschist_innen im „Antifa 2020“-Verfahren wurde der Vorwurf der kriminellen Vereinigung § 278 StGB herangezogen, um weitreichende Kompetenzen zur Observation zu ermöglichen und gleichzeitig das Bild von linken Demonstrant_innen als kriminelle Bande zu zeichnen. Noch vor Anklage wurde dieser Paragraf fallen gelassen. Mit diesem Vorwurf wurden bereits Aktivist_innen im „Tierschützerprozess“ und aktuell auch die „Letzte Generation“ konfrontiert.

Es gibt unzählige Beispiele, die zeigen, dass bei linkem Aktivismus eine starke Motivation der Strafverfolgungsbehörden vorliegt. Auffällig ist im Gegensatz dazu auch, wie wenig Ressourcen in Verfahren gegen Personen aus dem rechtsextremen Spektrum fließen. Wenn Ermittlungsverfahren gegen linke Aktivist_innen ohne Anfangsverdacht Monate später dann doch eingeleitet werden, obwohl sich die Staatsanwaltschaft ursprünglich dagegen entschieden hatte, liegt der Verdacht nahe, dass durch eine interne Weisung interveniert wurde.

Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Rechtsextremist_innen hingegen ziehen sich über Monate und Jahre; die Justiz steuert gegen zunehmende rechte Gewalt nur wenig entgegen, blockiert mit dem Weisungsrecht sogar gezielt Verfahren. Es wird also eines klar: 

Der Einfluss, den eine rechte Regierung, allen voran eines_r Justizministers_in, mit dem Weisungsrecht auf strafrechtliche Verfahren hat, ist eindeutig und bereitet Sorgen.

 

 

Polizei – Kein Freund und Helfer. Die Polizei ist im Staat kein neutraler Akteur, der nur Gesetze umsetzt. Mit ihrem Gewaltmonopol  schafft die Polizei Fakten, um ihr eigenes Vorgehen zu legitimieren und wird dabei von der Politik geschützt. Dass die Polizei dabei besonders motiviert gegen linke Aktivist_innen vorgeht und gleichzeitig am rechten Auge blind ist, zeigen diverse “Einzelfälle” von Polizeigewalt und internen Skandalen.

Bei der „BlockGas“-Demonstration 2023 etwa wurden Klimaaktivist_innen in einem Polizei-Kessel mit Pfefferspray besprüht und der Vorwurf der „Schweren gemeinschaftlichen Gewalt ”, für den Haftstrafen von bis zu zwei Jahren möglich sind, seitens der Polizei konstruiert.

Im Gegensatz dazu blieben Corona-Demonstrationen, die während der Pandemie zum Sammelbecken für Rechtsextreme jeder Couleur wurden, oft ohne Maßnahmen. Der Einsatzleiter begrüßte freudig einen der vermummten Demonstranten. „Er ist einer von den Guten.“, sagte eine Maßnahmengegnerin über jenen Polizisten, wie in einem Video des Presseservice Wien zu sehen ist. Kritik oder Konsequenzen bleiben aus.

Repressionen von Seiten der Polizei gegenüber linkem Aktivismus werden von einer rechten Regierung nicht nur akzeptiert, sondern offen unterstützt. Für politische Aktivist_innen bedeutet das einen Anstieg an präventiven Untersagungen, übermäßige polizeiliche Präsenz sowie unverhältnismäßige Maßnahmen und Gewalt.

Besonders betroffen von Repressionen sind hier, aufgrund von Racial Profiling, People of Colour. Hier wird Gewalt von Polizei und Staat mit einem menschenfeindlichen Sicherheitsbegriff legitimiert, der People of Colour in einem rassistischen Generalvorwurf angebliche Kriminalität anhängt.

Legitime emanzipatorische Proteste werden durch Polizei und Politik als extremistische Gewalttat geframed. Das verstärkt die gesellschaftliche Entwicklung nach rechts und soll linke Bewegungen als Ganzes in der Bevölkerung diskreditieren.

Mit Sorge beobachten wir auch die zunehmende Aufrüstung und Militarisierung der Polizei, die von rechten Parteien vorangetrieben wird. Seit 2019 befindet sich in jeder Polizeistreife in Österreich ein Sturmgewehr. Die Einführung einer berittenen Polizei, die vor allem bei der Auflösung von Menschenmengen zur Anwendung kommen sollte, konnte noch gestoppt werden. Als Herzensprojekt von Herbert Kickl könnte diese Idee jedoch bald wiederbelebt werden. Ein weiteres Beispiel für Aufrüstung ist die Verwendung von Gummischrot bei Demonstrationen in der Schweiz und Frankreich. Aktuell ist der Einsatz in mehreren europäischen Ländern, darunter auch Österreich, verboten. Polizeigewerkschaften setzen sich hier allerdings immer wieder für eine Legalisierung ein.

 

Du, ich, wir sind Rote Hilfe. Repressionen sind die staatliche Antwort auf einen linken Aktivismus, der den Status quo und das Machtmonopol des Staates infrage stellt. Als Linke drängt uns diese Analyse dazu, uns mit den Wirkungen von Repression auseinanderzusetzen.

Bereits in der ersten Republik vor über 100 Jahren machten es die politischen Gegebenheiten notwendig, eine Hilfsorganisation für die Opfer der Klassenjustiz zu gründen. Obwohl die Umstände heute andere sind, ist Solidaritätsarbeit immer noch relevant.

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen hin zu einer autoritären Gesellschaft und einem Ausblick, der Sorgen bereitet, ist es notwendig, Strukturen auszubauen, die sich mit Repressionen beschäftigen. All jene Menschen, die aufgrund ihrer politischen Tätigkeit Nachteile erleiden, wie zum Beispiel vor Gericht gestellt, zu Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt werden oder Polizeigewalt erfahren, sollen Unterstützung erhalten. Getroffen hat es einige, gemeint sind wir Alle.

Menschen, die sich für gesellschaftliche Veränderung einsetzen, sollen das in dem Bewusstsein tun, dass sie nicht ohne politische und finanzielle Unterstützung dastehen. Den Versuchen der staatlichen Behörden, zu isolieren, Ohnmachtsgefühle zu schüren und exemplarische Strafen auszusprechen, stellen wir das Prinzip der Solidarität entgegen und ermutigen zum Weiterkämpfen.

Wir wissen, dass Repressionen wirken und auf uns in Zukunft noch viel mehr Arbeit zukommen wird, die uns an unsere Grenzen und vielleicht auch selbst in den Fokus der Justiz bringen könnte. Dennoch darf sich daraus keine Resignation ergeben, sondern nur die Aufforderung, weiterzumachen. Über Generationen hinweg treten zahlreiche Genoss_innen in solidarische Beziehungen zueinander, die weder durch Repression noch Verbote zerbrochen werden konnten. So soll es auch in Zukunft sein.

 

Die Rote Hilfe Wien ist eine strömungsübergreifende Solidaritätsorganisation, die Menschen unterstützt, die aufgrund ihrer linkspolitischen Aktivität Nachteile erleiden.

 

Rechtsinfokollektiv. (2021, 9. Mai). Verschärfungen im Versammlungsrecht deutlich spürbar. Rechtsinfokollektiv – RiKo. http://xn--h-0ga.at/R1

Presseservice Wien. (2021, 7. November). KONFORMISTISCHE REBELLEN. Verschwörungsideologie und Antisemitismus während der Corona-Pandemie [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=c55qE2hK3bM


Kappa. (2023, 6. Mai). LEIPZIG, DIE REPRESSION WIRKT. REDEN WIR DARÜBER-Kappa. http://xn--h-0ga.at/R2

AutorInnen: Rote Hilfe Wien