Wer zufrieden ist, ist tot

  • 17.12.2012, 12:55

Regisseur Richard Wilhelmer und Hauptdarsteller Robert Stadlober erklären, warum ihr Film „Adams Ende“ ein guter Anfang ist.

Regisseur Richard Wilhelmer und Hauptdarsteller Robert Stadlober erklären, warum ihr Film „Adams Ende“ ein guter Anfang ist.

Robert Stadlober ist die große Bühne gewöhnt: Berlinale, Burgtheater und Auftritte mit seiner Band Gary. Aber nicht die Bühne macht den Star – sogar in der alten Sparkasse in Wels steht er im Rampenlicht. An der Seite seines Freundes und Regisseurs Richard Wilhelmer plaudert und scherzt er in einem kleinen Vorführsaal am International Youth Media Festival (YOUKI) vor jungem Welser Publikum über Wilhelmers Debutfilm „Adams Ende“. Den beiden macht das sichtlich Spaß.

progress: Viele junge Leute hier am Festival kennen die Probleme, die Adam und die anderen Protagonisten in eurem Film erleben: Ein Job, der einen nicht ausfüllt und eine Beziehung, die ein wenig eingeschlafen ist. Spiegelt der Film eigene Erlebnisse wider, Richard?

Wilhelmer: Der Grund, aus dem ich mich in meinem ersten Spielfilm gerade dieses Themas angenommen habe, war, dass die Recherche im Grunde genommen schon gemacht war. Es ist kein autobiographischer Film, aber er beinhaltet natürlich autobiographische Versatzstücke, an denen ich mich orientiert habe. Das ist ja das Schöne: Guerillaartig wohin zu gehen und etwas zu drehen, was man dort ähnlich im wirklichen Leben erlebt hat. Der Lebenssituation der Protagonisten bin ich aber durchaus schon entwachsen…

progress: Sind das nicht ziemliche Luxusprobleme, die im Film beschrieben werden?

Wilhelmer: Klar. Der Film spielt in Berlin. Die Stadt ist irgendwie symbolisch für diese Schwierigkeiten: Man kann sich hier entweder zu Tode feiern und an der Vielzahl seiner Möglichkeiten scheitern oder etwas draus machen. Adams Ende beschreibt die zweite Variante, wo der Protagonist nicht fähig ist, Entscheidungen zu treffen und zufrieden zu sein, mit dem was er hat. Am Ende zerstört er alles – gewollt oder ungewollt.

progress: Seid ihr denn zufrieden?

Stadlober: (lacht) Wenn man zufrieden ist mit dem, was man hat, dann hat man seinen Sarg…

Wilhelmer: (lacht auch) Dann ist man Jesus!

Stadlober: Im Ernst: Zufriedenheit hat zumindest für mich etwas mit Tod zu tun. Wer zufrieden ist, ist angekommen – in irgendeinem Loch. Nie zufrieden sein ist glaube ich eine sehr gute Lebenshaltung. Aber sagen wir mal so: Die relativ irrationalen Verwirrungen der Adoleszenz haben ein wenig nachgelassen, und es sind zumindest bestimmte Entscheidungen nicht mehr so schwierig, weil man sie schon öfter falsch getroffen hat.

progress: Macht das Alter weiser?

Stadlober: Ja wahnsinnig, es macht unglaublich weise – ich mit meinen 30 Jahren. Vorher dachte ich immer, ich muss alles ausprobieren. Jetzt bin ich 30 und sogar die Leute am Amt sprechen mich mit „Sie“ an.

Wilhelmer: Ich bin noch nicht mal 30. Zu mir kann man noch „Du“ sagen!

progress: Adams Ende streift einige Genres: Zuerst ist es ein klassisches Beziehungsdrama, dann artet es in einen Psychothriller aus. Ist das massentauglich?

Wilhelmer: Einige Sponsoren hätten sicher von Beginn an gesagt, dass das komplett wahnsinnig ist. Wir hatten halt keine.

Stadlober: Ich glaube, es ist im deutschsprachigen Film nicht gerade Usus, so etwas zu machen: In der Regel muss alles sehr nachvollziehbar sein, was bei Adams Ende nicht immer der Fall ist. Bei einer Publikumsdiskussion hat uns mal jemand drauf festgenagelt, ob sich der Protagonist das Ende nur eingebildet hat oder ob das so wirklich so passiert ist. Da kann man echt nur antworten: „Denken Sie sich´s doch selbst aus!“

progress: In „Adams Ende“ gibt es einige Stellen, in denen mitschwingt, dass Homosexualität immer noch ein Tabuthema ist.

Wilhelmer: Im Film bleibt das eher unausgesprochen. Der Protagonist Adam fühlt sich zu seinem Freund Conrad vielleicht ein wenig hingezogen, hat aber starke Berührungsängste. Und das ist tatsächlich etwas, was oft Homophobie beschreibt – auch in vielen anderen Filmen.

Stadlober: Homophobie gibt es immer noch sehr stark. Gerade in der linksliberalen Szene, in der ich mich auch bewege, finde ich es erschreckend, wie sehr Männer Angst vor Nähe zu anderen Männern haben. Und auch wie sehr Homophobie als komische Form von Humor benutzt wird. Das Schimpfwort „Schwuchtel“ oder „Homo“ ist heute glaube ich noch salonfähiger als vor 15 Jahren. Ich weiß nicht, wie oft ich in Berlin von irgendwelchen Leuten im Hipster-Outfit als Schwuchtel beschimpft werde.

progress: Wenn das im offenen Berlin so ist, wie ist es dann im konservativeren Wien?

Stadlober: Man merkt das in Österreich auf jeden Fall schlimmer als in Deutschland. Die Schwulenszene in Wien ist so versteckt. In Berlin ist alles viel offener. Ich habe in Wien auch Bekannte, die dezidiert homophob sind, obwohl sie wissen, dass es falsch ist. Aber das ist vielleicht irgendein katholischer Schwachsinn, die Angst vor dem eigenen Glied.

progress: Ihr seid auch beide hauptsächlich in Berlin tätig. Gefällt es euch in Wien nicht?

Wilhelmer: Naja, Berlin ist ein guter Nährboden für kreative Projekte, weil es – zumindest früher – sehr billig war. Deshalb sind sehr viele Leute zugereist: Weil sie sich die Mieten leisten konnten, weil sie sich das Essen leisten konnten. Es war ein Sammelort für Leute, die willig waren, allen möglichen Blödsinn mitzumachen. Von diesem Ruf lebt die Stadt noch immer. Und aus allem möglichen Blödsinn entstehen irgendwann ernsthafte Projekte.

Stadlober: Als junger Mensch aus der österreichischen Provinz gibt es nur zwei Möglichkeiten: Eine ist die sehr mutige und wahrscheinlich auch die richtigere: Nämlich das Land zu verlassen. Die andere, halbseidene ist, dass man nach Wien geht. Das kann auch super sein, nur dass man meistens in den gleichen Strukturen hängen bleibt wie zu Hause. Da sitzt man dann halt zwischen Autos und Straßenbahnen, statt zwischen Feldern und Ställen.

progress: Wie habt ihr beide euch eigentlich kennengelernt?

Stadlober: Über Alec Empire [Anm.Red.: von der Band Atari Teenage Riot], einen gemeinsamen Freund von uns. Er hat ein Treffen organisiert und da haben wir festgestellt, dass wir beide aus der Obersteiermark kommen. Auch dass ich drei Jahre in Wien über Richards Freundin gewohnt habe. Und dass er in Berlin eine Wohnung gehabt hat, die Wand an Wand mit meiner alten Wohnung dort lag. Getroffen haben wir uns nie.

Wilhelmer: Wir sind fast unser ganzes Leben aneinander vorbeigelaufen. In einer sehr rotweinlastigen Nacht haben wir dann Pläne geschmiedet für mögliche zukünftige Projekte.

progress: Der Film ist also im Rausch entstanden?

Wilhelmer: Nein „Adams Ende“ ist nicht im Rausch entstanden. Da kannten wir uns schon.

Stadlober: Die Freundschaft ist im Rausch entstanden, aber hat sich nüchtern bewährt.
Vor drei Jahren haben wir den Kurzfilm „The Golden Foretaste of Heaven“ gemacht. Vor dem Screening bei der Diagonale sind wir in einem Beisl gesessen und Richard hat gesagt, er würde gerne einen Langspielfilm drehen. Dann hat er in sehr kurzer Zeit ein Drehbuch geschrieben und wir haben das ganze relativ schnell auf die Beine gestellt.

Progress: Auch finanziell? Wie sah das Budget aus?

Stadlober: Grandios…

Wilhelmer: Ich wollte sehr bewusst keine Fördermittel für den Film, um Narrenfreiheit zu genießen. Dadurch hatten wir halt auch kein Geld: Robert und ich haben unser Taschengeld zusammengelegt; jeder hat 1000 Euro zum Budget gegeben. Eine kleine Förderung von 3000 Euro haben wir dann doch noch bekommen und verbraten. Das heißt wir hatten ein Gesamtbudget von 5000 Euro. Dadurch waren wir auf den „Goodwill“ der Beteiligten angewiesen: Leute, die uns Kameras geben, die ohne Bezahlung mitarbeiten. Das soll aber durchaus kein Konzept für die Zukunft sein, weil diese Art von Selbstausbeutung auf lange Sicht nicht produktiv ist.

Stadlober: In Deutschland ist es so, dass du große Förderungen bekommst, sobald du einen Fernsehsender mit im Boot hast. Hast du einen Sender im Boot, dann hast du definitiv jemanden, der dir in alles reinreden darf. Ohne Fördermittel kann man also viel freier arbeiten.

AutorInnen: Julia Prummer, Ferdinand Ferroli