Wenn die FPÖ sich um die Umwelt sorgt

  • 13.07.2012, 18:18

Oberösterreichs grüner Umweltlandesrat kommt immer mehr unter Druck. In Folge eines Streits gegen Rechte im Anti-Atom Bündnis wurden einer unabhängigen, antifaschistischen Gruppe 73.000 Euro Fördergelder gestrichen.

Oberösterreichs grüner Umweltlandesrat kommt immer mehr unter Druck. In Folge eines Streits gegen Rechte im Anti-Atom Bündnis wurden einer unabhängigen, antifaschistischen Gruppe 73.000 Euro Fördergelder gestrichen.

Antifaschistische AtomkraftgegnerInnen erhalten in Oberösterreich kein Geld mehr vom Staat. Das ist das Resultat eines Streits zwischen der BürgerInneninitiative Antiatom-Szene und Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne). Die Initiative weigert sich, mit einer Gruppe zu kooperieren, die mit dem rassistischen Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL) verbunden ist und Kontakte zur FPÖ pflegt. Ein Mediationsverfahren, das die Landesregierung verlangt hatte, endete vor einigen Wochen ergebnislos. Antiatom-Szene verliert Fördermittel von rund 73.000 Euro im Jahr.

Der Kampf gegen Atomkraftwerke in Tschechien ist in Oberösterreich Regierungssache: Die Landesregierung, der neben ÖVP und Grünen auch SPÖ und FPÖ angehören, fördert im Rahmen der Antiatom-Offensive diverse BürgerInneninitiativen. Der Streit entzündete sich vor Jahren als der Verein Atomstopp den WSL-Präsidenten Friedrich Witzany für ein Personenkomitee des Volksbegehrens nominierte, das den österreichischen Austritt aus Euratom, der europäischen Institution zur Förderung der Atomindustrie, durchsetzen soll. Die Gruppe Resistance for Peace stieg aus der Kampagne aus, einige Mitglieder wurden daraufhin auf der nazistischen Homepage Alpen-Donau-Info bedroht. Die Antiatom-Szene solidarisierte sich mit Resistance for Peace und forderte, sich von rechten Gruppen abzugrenzen.

Umweltschutz auf rassistischer Basis.

Der WSL steht in einer Tradition, die Umweltschutz aus Sorge um das Erbgut einer „weißen Rasse“ treibt. Der Förster Günther Schwab gründete den Verband 1958 in Salzburg und prägte den WSL ideologisch. Schwab war im Oktober 1930 in Wien der NSDAP und der SA beigetreten, wo er es bis zum Sturmführer brachte. 1939 publizierte er den völkischen Kitschroman Mensch ohne Volk im Eher-Verlag, dem Zentralverlag der NSDAP, in dem auch Hitlers Mein Kampf und der Völkische Beobachter erschienen. Ende der 1960er Jahre sah Schwab eine angebliche „Bevölkerungsexplosion“ als „Hauptsorge der Menschheit“ und forderte, in „primitiven Ländern“ eine Geburtenbeschränkung zu erzwingen.

In Deutschland mischt die WSL-Sektion unter Führung des Nationalsozialisten Werner Georg Haverbeck mit Erfolg in der Ökologie- und Anti-AKW-Bewegung mit und wird dafür von österreichischen GesinnungsfreundInnen bewundert. Haverbeck war an der Gründung der Grünen führend beteiligt, verließ die Partei aber, weil sie ihm zu links erschien.

Nach Recherchen von Elvira Pöschko von der Antiatom-Szene ist der Verein Atomstopp 2005 aus der Oberösterreichischen Überparteilichen Plattform gegen Atomgefahr hervorgegangen, die von WSL-Funktionären geleitet worden sei. Die Vorsitzende der Überparteilichen Plattform, Mathilde Halla, amtierte bis 2004 als Vizepräsidentin des WSL-Ö und organisierte Grenzblockaden gegen das AKW Temelin. Einmal trat dort auch Jörg Haider auf und hielt eine Rede. Der Geschäftsführer der Plattform Atomstopp und Witzany unterzeichneten ein von der FPÖ initiiertes Volksbegehren gegen das AKW Temelin. 2007 ist der Obmann der Initiative Atomstopp als Fraktionsexperte der FPÖ aufgetreten, erzählt Pöschko. Als Atomstopp 2010 kein Geld von der Landesregierung erhielt, protestierte die Linzer FPÖ.

Grüne wiegeln ab.

Anschober und der grüne Nationalrat Karl Öllinger, der als Neonazi-Experte gilt, verweisen auf ein Gutachten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Demnach sei der WSL bis Mitte der 1980er Jahre im „engeren Vorfeld“ des Rechtsextremismus zu verorten gewesen, der WSL-Präsident seit 1986 nicht mehr in Nazi-Kreisen aufgetreten. Dafür ist Witzany bei den Grünen aktiv. Auf der Homepage der Grünen von St. Florian wird er als Mitgründer und Ersatzmann für den Gemeinderat vorgestellt. Eine Nachfrage beim DÖW ergab, dass das Archiv für die Zeit nach 1986 kein Material über den WSL und Witzany hat und keine Recherchen anstellen kann.

Nach Ansicht Öllingers haben sich der österreichische und der internationale WSL Mitte der 1980er Jahre aus ideologischen Gründen von der deutschen Sektion getrennt. Im DÖW-Gutachten steht dazu nichts. Belegt ist ein Streit der alten Kameraden ums Geld: KontrahentInnen warfen Haverbeck vor, WSL-Gelder für sein Schulungszentrum abzuzweigen.

Dass Schwab jemals zur Besinnung kam, lässt sich auch nicht behaupten. 1992 behauptete er einen „Intelligenzverlust“ der Menschheit, die Kultur sinke ab, Schwachsinnige würden sich stärker vermehren als angeblich Begabte. Die Folge sei „der Geltungsverlust der weißen Rasse in aller Welt“. Weder der WSL-Ö noch Witzany haben sich je von Schwab und seiner Ideologie distanziert. Das räumt auch Öllinger ein, meint aber, der österreichische WSL bestehe aus „fünf bis zehn Hanseln“ und sei „rechtskonservativ“.

Teure Courage.

Der Streit beschäftigt sogar die Gerichte, die Landesregierung hat ein Mediationsverfahren durchgesetzt, das jedoch keine Einigung brachte. „Zuerst sollten wir eine Schweigevereinbarung über den Verlauf unterzeichnen, dann konnten wir nachweisen, dass die beiden Mediatoren befangen sind, weil sie für die Landesregierung gearbeitet hatten, jetzt kriegen wir kein Geld mehr“, sagt Pöschko.

Der Anti-Atom-Berater des Bundeslandes trat Ende 2010 wegen dem Streit zurück. Radko Pavlovec warf Landesrat Anschober einen „politisch motivierten Willkürakt“ vor. Anschober wolle kritische Gruppen „mittels Zwangsmediation zur Kooperation mit Personen oder Organisationen zwingen, die im Vorfeld des Rechtsextremismus angesiedelt sind“. Dass die Antiatom-Szene nun kein Geld mehr bekommt, nennt Pavlovec einen „Skandalbeschluss“: Ein grüner Landesrat kooperiere mit der FPÖ gegen eine unabhängige Anti-Atom-Initiative, die sich gegen eine Zusammenarbeit mit dem braunen Milieu wehrt. Von Anschober war trotz zweifacher Anfrage per E-Mail keine Stellungnahme zu bekommen. Die Antiatom-Szene fordert inzwischen seinen Rücktritt.

 

AutorInnen: Peter Bierl