Wehrpflicht, wie sie jetzt funktioniert, abschaffen:
Vor zwanzig Jahren fiel der Eiserne Vorhang. Die Angst vor einem großen europäischen Konflikt zwischen Ost und West, in den Österreich hineingezogen werden könnte, ist passé. Heutzutage gibt es andere Herausforderungen
Vor zwanzig Jahren fiel der Eiserne Vorhang. Die Angst vor einem großen europäischen Konflikt zwischen Ost und West, in den Österreich hineingezogen werden könnte, ist passé. Heutzutage gibt es andere Herausforderungen: Terrorismus beispielsweise oder internationale Krisen, vor denen selbst ein neutraler Kleinstaat nicht die Augen schließen kann. Seit 1995 ist Österreich Mitglied beim Nato-Projekt Partnership for Peace. Auch bei den UNO-Einsätzen wirkt das österreichische Bundesheer freiwillig mit. Einsätze in Afghanistan, im Tschad oder im Kosovo haben gezeigt, dass auch Österreich Verantwortung tragen kann. Erst kürzlich erwähnte Außenminister Michael Spindelegger im Interview mit den Salzburger Nachrichten, dass nach der Befriedung des Balkans neue Herausforderungen im Ausland auf die österreichischen SoldatInnen warten – er könnte sich beispielsweise vorstellen, sie in den bürgerInnenkriegsgeplagten Libanon zu schicken.
Nach derzeitigem Stand schaut es kaum so aus, dass das österreichische Bundesheer solchen Herausforderungen gewachsen ist. Österreich hat das viertniedrigste Militärbudget europaweit, gleichzeitig versickern die finanziellen Mitteln in skurrilen Umstrukturierungen, unnötigen Assistenzeinsätzen und teuren Militärspitälern (siehe Artikel). Während durch die Reform einerseits wichtige Arbeitsplätze eingespart werden, fehlen dem Bundesheer die Rekruten. Psychisch belastbare und qualifizierte Soldaten sind Mangelware. Marode Kasernen und veraltete Geräte stellen nicht unbedingt einen Anreiz dar, dass man sich als junger Mensch nach sechs Monaten Wehrdienst weiter verpflichtet.
Ist eine allgemeine Wehrpflicht 2010 überhaupt noch zeitgemäß? Meiner Meinung nach ist sie es nicht. In Zeiten der Gleichberechtigung erscheint es mir als eine Farce, dass ein Teil der Bevölkerung noch immer dazu gezwungen wird, sechs Monate lang den Dienst an der Waffe zu lernen. Viel besser wäre es doch die Wehrpflicht ganz abzuschaffen und ein verpflichtendes soziales Jahr für Männer und Frauen sowie ein Berufsheer einzuführen.
Dafür wäre einerseits eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, um den Artikel 79, Paragraf 1 der österreichischen Bundesverfassung zu ändern, andererseits ein höheres Militärbudget sowie eine vollkommene Umstrukturierung des Militärsektors. Ein Berufsheer würde eine höhere Professionalität durch bessere Ausbildung bringen. Es wäre jederzeit verfügbar und überall einsetzbar. Zusätzlich könnte das Bundesheer aus einem motivierten Pool an BerufssoldatInnen fischen, da die jungen Männer und Frauen aus Überzeugung beim Heer sind. In Österreich, wo das Militär der Bevölkerung so lange egal ist, solange es nicht zu viele Steuergelder frisst, ist ein Berufsheer jedoch kaum durchsetzbar.