Untenrum und Obenrum
Ich mag Mann-Frau-Witze nicht besonders. Auf meiner persönlichen Witze- Skala sind ganz unten die Furzwitze, die Dickenwitze, die Mann-Frau-Witze und dann noch die Wortspiele. Deswegen gehe ich auch nicht gerne zum Frisör. Die heißen immer Salon Er-Ich, Haarscharf, Haarmonie, Chaarisma, Kamm In, Hauptsache, Stufenschnitt (wenn sie an einer Treppe liegen), Kaiserschnitt (wenn sie in einer Kaiserstraße liegen) oder Kamm Shot (wenn sie in Berlin liegen). Das muss nicht sein. Ich gehe in den Salon Susi. Dort schneiden sehr liebe Menschen meine Haare und fragen immer, wie es mir geht. Ich sage: „Gut.“ Und dann haut mir die Chefin auf den Bauch und sagt: „Na, das sieht man!“ Es hat einen Grund, warum ich Dickenwitze nicht mag. Aber alle machen sie. Deswegen habe ich auch etwas über das Mann- Frau-Ding geschrieben. Aber dazu muss ich ausholen. Es ist nämlich so, dass am Beginn der Zweifel steht. Und weil es um den Beginn geht, ist der Zweifel metaphysisch. Ich erklär das kurz.
Der Zweifel ist die Methode Descartes um herauszufinden, ob etwas ist und was. Nichts, das sinnlich erfahren wird, ist von bestehenden Erfahrungen losgelöst. Ich kann also gar nicht wissen, ob ich da etwas Neues sehe, oder sich bloß aus meinen Erfahrungen ein Gedanke einschleicht. Descartes fragt sich, ob denn dann jemals Gewissheit über die Wirklichkeit gewonnen werden kann. Der Geist, das Bewusstsein, das Denken ist die Manifestation des Zweifels. Ich kann vorerst nicht wissen, ob etwas echt ist. Aber ich kann seine Existenz anzweifeln. Das sogenannte Fundamentum ist, dass ich bin, weil ich (den Zweifel) denke. Solange ich das „ego cogito“ ausspreche, weiß ich, dass ich bin. Cogito, ergo sum. Je pense, donc je suis – aber immer nur für diesen Moment. Wenn ich mich frage: „Träume ich?“, weiß ich, dass ich nicht träume. Aber dazwischen? Und wenn ich schlafe? Um meine durchgehende Existenz zu wahren, muss es etwas geben, das mich schützt. In den meisten Fällen übernimmt diese Aufgabe Gott. Woher weiß ich, dass es Gott gibt? Dessen Existenz ist bewiesen durch die Einsicht in die göttliche Unendlichkeit, die sogenannte unendliche Göttlichkeit. Nichts in der Natur oder in meinem Leben ist unendlich, obwohl mir manches so vorkommt. Leider ist das nicht angenehm. Zum Beispiel Körperpflege: ein ewiger Kampf gegen den Verfall. Die Haare hören erst auf zu wachsen, wenn ich tot bin. Und selbst dann angeblich nicht. Aber allein die Gewissheit, dass ich sterbe - du übrigens auch! – ist ein guter Beweis dafür, dass nichts am menschlichen Sein unendlich ist. Das heißt Unendlichkeit ist unerfahrbar, sodass die Einsicht darin, die Idee, dass es so etwas überhaupt gibt, mir angeboren oder eben gegeben sein muss. Das stellt auch den kartesischen Gottesbeweis dar. Der Gedanke an Gott ist so absurd, dass ich von allein nie darauf käme. Deswegen muss er von Gott sein, weil ausdenken kann man sich das nicht. Gott ist eine Farbe, die es noch nicht gibt. Gott ist eine sexuelle Spielart, die sich niemand vorstellen kann. Und dieser Gott schaut auf mich, besonders in den Pausen zwischen dem „ego cogito“.
So, jetzt ist Gott bewiesen - und der Mensch gleich mit. Gott war nämlich in dem Dilemma, sich zu fragen, ob der Mensch wirklich existiert. Wer ein anständiger Mensch ist, der_die zweifelt nicht nur an Gott, sondern auch an sich selbst! Menschen, an denen der Zweifel nie seine scharfen Zähne wetzt, altern. Wer jung bleiben will, soll seinen_ihren Körper nicht in glitzernden Hosen auf laute Konzerte schleppen, sondern lieber hin und wieder überlegen, ob man denn überhaupt ist. „Ich denke, also bin ich … so froh, dass ich ein Mädchen bin“, zum Beispiel. Die Vorstellung, dass Frauen anders als Männer denken, ist noch schwerer aus der Welt und den Köpfen zu bekommen als ein Ohrwurm von Adolf Andreas Gabalier. Da würde Descartes widersprechen, wär er nicht schon 368 Jahre tot. Also ist es sein Gespenst, das jetzt mit mir schimpft: „Mon ami, genierst du dich nicht?“
Der Einfachheit zuliebe gehe ich einmal davon aus, dass das Gespenst deutsch kann. So ein Gespenst hat ja ewig Zeit zum Lernen. „Non, non, da hat jemand nicht zu Ende gedacht! Maximilien, ich habe den Geist vom Körper getrennt.“ „Ja, das seh ich.“ „Putain, nicht comme ça!“ Descartes hat den Geist eigenständig gedacht. Das Denken war manifest und ob die Welt, der Körper, die Physis überhaupt echt sind, war nachrangig. Der Geist wurde damit unabhängig. Und wahrscheinlich war ihm das vor 368 Jahren nicht bewusst, aber so ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau begründbar. Obwohl die Körper unterschiedlich sind, kann der Geist gleich sein, solange er zweifelt. Dass Menschen zweifeln, ist wiederum die anthropologische Konstante. „Bon!“ Und weiter: Das Denken war nicht mehr durch den Körper bestimmt. Diese Erkenntnis hat viel freigesetzt, weil es jetzt möglich war, sich mehr und anders mit dem Körper zu beschäftigen. Aber weil die Menschen Schweindln sind, haben sie sich erst einmal sehr lange sehr einseitig mit dem eigenen und fremden Körpern auseinandergesetzt. Und irgendwann hat es Frauen gereicht. Sie wollten nicht nur Männern auf den Bauch hauen, wie Frau Susi, sondern über den eigenen Körper bestimmen.
Und dann kommt der Vorwurf, dass die Menschheit ausstirbt, wenn Frauen selbst bestimmen, ob sie Kinder wollen oder nicht. Neu ist er nicht. Er funktioniert genauso wie die Vorstellung, dass alle homosexuell werden, wenn man „Schwulenpropaganda“ erlaubt. „Schwulenpropaganda“, das ist, wenn Menschen Gleichheit einfordern. Schwul soll hier natürlich homosexuell im Allgemeinen bedeuten. An erster Stelle geht es immer um Männer, außerdem sind Lesben – also weibliche Schwule – ja eh geil. Sogar die mit den kurzen Haaren, die ausschauen wie ein Bub. „Daran ist jetzt aber bitte nix schwul“, empören sich die Pornokonsumenten. Ja, eh. Es ist Homosex mit Frauen, von denen zumindest eine aussieht wie ein Bub. Also, eigentlich ist es nur Sex. Wenn Homosexuelle Sex haben, haben sie Sex, nicht Homosex. Sie gehen ja auch nicht homoeinkaufen oder homostreicheln sich.
In beiden Fällen, beim Ablehnen von Gleichberechtigung nicht heterosexueller Personen wie bei der Freiheit von Frauen, wird Gleichheit als Gegenteil von Natürlichkeit verstanden. „Gleichheit ist unnatürlich und deswegen falsch“. Silikonbrüste von Filmlesben, Autos mit Sportstreifen (oder ohne) und Penicillin sind aber super. Menschen können aber nicht nur ihre Brustgröße verändern, sondern manchmal auch Kinder kriegen – sollen sie sogar, wird uns nahegelegt. Frauen können dazu mit Männern Sex („Heterosex“) haben, also sollen sie. Manche Menschen können keine Kinder kriegen. Manche Menschen wollen keine Kinder kriegen. Ob es einen Unterschied macht, das heißt, ob ein Unterschied gemacht wird, nämlich in letzter Konsequenz den Unterschied, ob sie Frauen sind oder nicht, entscheidet ein Mann, nicht die Frau.
Als das erste Mal eine Frau aufschrieb, dass man nicht als Frau geboren wird, sondern dazu gemacht wird, war die Empörung groß. Da wollte eine Frau über ihren Körper und – sacre bleu! – darüber hinaus selbst bestimmen. Es dauerte nicht lange, bis erstmals darauf hingewiesen wurde, dass ihr Mann ja auch besonders hässlich wäre. Und das war interessant! Denn ihr Gspusi war einer der angesehensten Philosophen seiner Zeit. Da wurde der Partner einer selbstbewussten Frau plötzlich nach weiblichen Kriterien beurteilt und gleichzeitig die selbstbewusste Frau über ihren Mann erklärt. Das ist keine 368 Jahre her, sondern fühlt sich bloß so an.
Damals sagte man auch, dass Männer einfach biologisch so gebaut sind, dass sie keine Kinder wollen, obwohl die meisten biologisch so gebaut sind, dass sie Kinder machen können. Tatsächlich ging es nie um die Sorge um die Menschheit. Was soll denn sein, wenn es keine Menschen mehr gibt? Nix, weil niemand es betrauert. Alle Tiere, die Menschen gut finden, haben eine kürzere Lebenserwartung als Menschen. Auch kein Zufall! Wir mögen es halt, vermisst zu werden. Diese Sorge ist selbstsüchtig. Es geht nur ums eigene Fortkommen und bestenfalls den Fortbestand der eigenen Nachkommen. Die sollen leben und insgeheim hat man sich ja doch eingestanden, dass man aufeinander angewiesen ist. Die anderen sollen halt „in Gott’snamen“ auch leben, aber nur damit man selber leben kann. Statt „in Gott‘snamen“ sagen manche auch „meinetwegen“. Entlarvend ist das! Der Mensch ist ein Rudeltier, das Rudelund Durchschnittssex hat, anderen keinen Sex gönnt, g’schissn parkt und auch sonst sein eigenes Erleben erlebt. Nur Menschen können neidig sein. Deswegen wurde ihnen das gleich am Sinai (vom eingangs bewiesenen Gott) verboten. Der Mensch erlebt sein Erleben. Das unterscheidet ihn von den Pflanzen und Tieren. Was ein Strauch ist, will im Grunde seines Herzens nix. Er kann nix, kann auf Umwelteinflüsse nicht eingehen, nur reagieren. Sonne, Regen, Schnee, Hundelulu: Der Busch tut. Der Hund, von dem das Lulu stammt, nimmt die Umwelteinflüsse wahr, reagiert und tut (brunzen). Es schneit, die Sonne scheint, der Schnee schmilzt, der Hund trinkt ihn. Und wir Menschen sehen das Lulu aus dem Schnee auf dem Strauch von dem Hund, müssen vielleicht auch brunzen, wägen ab und ludeln – nicht, denn es ist der Schlosspark und heute ist Schlossparkfest. Rundherum stehen Menschen. Scham ist auch eine Form des Neids. Also, manche wischerln schon auch am Schlossparkfest in die Wiesen. Aber das sind beinahe ausnahmslos Männer, die sich in einen Zustand versetzt haben, in dem sie das eigene Verhalten nicht mehr wahrnehmen und sich am nächsten Tag auch nicht mehr erinnern. Und dann machen diese Männer Witze über die Frauen, die sie daran erinnern, dass sie herumzudeln (urinieren).
Den einzigen guten Mann-Frau-Witz, den ich kenne, hat mir eine Frau erzählt. Er geht so: Sitzen zwei Homosexuelle im Zug. Sagt die eine zur anderen: „Lustig, jetz’ ham alle g’laubt wir sind Männer.“
Maximilian Zirkowitsch ist Satiriker. Er hat Soziale Arbeit in St. Pölten studiert. Eine Zeit lang hat er sich auch am Juridicum Wien herumgetrieben. Zirkowitsch lebt in Wien. Das ist die Bundeshauptstadt von Österreich.