Unnötige Menschen?

  • 24.06.2015, 19:57

Robert Trappl gründete vor mehr als 30 Jahren das Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz in Wien. Damals arbeitete sich die Science-Fiction noch am Thema ab, heute ist Künstliche Intelligenz Realität.

Robert Trappl gründete vor mehr als 30 Jahren das Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz in Wien. Damals arbeitete sich die Science-Fiction noch am Thema ab, heute ist Künstliche Intelligenz Realität.

progress: Sie gelten als Artificial-Intelligence-Pionier. Wann haben Sie begonnen, sich für Künstliche Intelligenz zu interessieren?

Robert Trappl: Ich habe 1984  das Österreichische Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI) gegründet. Der Begriff Artificial Intelligence wurde ja erst 1956 von John McCarthy geprägt, der einen Namen für eine Konferenz gesucht hat. Bis man davon in Österreich gehört hat, hat es eine Weile gedauert.

Was interessiert Sie an Künstlicher Intelligenz?
Ich habe mich schon immer für die menschliche Psyche und die verschiedenen Zugänge dazu interessiert. Da gibt es zum einen die Introspektion,  also   das   Sich-selbst-Beobachten  wie in der Poesie und der Literatur. Dann gibt es die Verhaltensbeobachtung, die zum sozialen Überleben dient – das wird in psychologischen Experimenten systematisch gemacht; vulgärpsychologisch: wie Menschen ticken. Der dritte Punkt, der mich interessiert, ist „the mind“, also die Frage, was sich im menschlichen Gehirn tut – ein Gebiet, auf dem die Fortschritte im letzten Jahrhundert gigantisch waren. Und der vierte, für mich spannende Zugang zur Psyche ist Künstliche Intelligenz, wobei es hier zwei Ansätze gibt: Einerseits will man menschliche Leistungen durch Computer hervor- bringen, die die Dinge möglicherweise besser  können  als  der  Mensch. Da  geht es nicht um Abläufe, sondern um Ergebnisse, wie beim Taschenrechner. Andererseits geht es um die Modellierung psychischer Vorgänge, wobei das nicht nur Denkvorgänge sein müssen, sondern auch Emotionen, Motivationen und Persönlichkeitsabläufe sein können.

Warum bekommt das Thema Künstliche Intelligenz aus Ihrer Sicht derzeit besonders viel mediale Aufmerksamkeit?
Es gibt dafür zwei Gründe: Zum einen hat der Philosoph Nick Bostrom das Buch  „Superintelligence“ geschrieben. Er vertritt die Meinung, dass Artificial- Intelligence-Systeme die Welt beherrschen werden, wenn ihre Entwicklung so weitergeht. Was dann mit uns Menschen passiert, ist offen. Wahrscheinlich werden wir für unnötig befunden.

Glauben Sie das auch?
Personen, die das glauben, empfehle ich immer, etwas für den Tiergarten Schönbrunn zu spenden, für den Fall, dass uns die Roboter in 30 oder 40 Jahren dort besuchen werden. Auch Stephen Hawking, Elon Musk und Bill Gates haben sich sehr kritisch geäußert. Prognosen sind schwierig. Ich glaube nicht an so ein Szenario, aber ich kann eine Katastrophe nicht ausschließen.

Und was ist der zweite  Grund für die Hochkonjunktur der Künstlichen Intelligenz?
Der zweite Grund ist eine Diskussion, die es schon länger gibt. Die Wissenschafter Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee vom  MIT haben dazu das Buch „The Second Machine Age“ geschrieben. An ihre Thesen glaube ich schon eher. Sie sagen, dass eine neue technologische Revolution zu enormen Fortschritten, aber gleichzeitig zur Bedrohung von Arbeitsplätzen führen wird. Früher saßen im Cockpit eines Flugzeuges fünf Menschen, heute nur noch zwei. Es sind U-Bahnen ohne FahrerInnen unterwegs. Eines der interessantesten Themen derzeit sind selbstfahrende Autos. Auch wenn es derzeit in Deutschland und Österreich damit noch rechtliche Probleme gibt: Sie kommen sicher. Das wird weder die TaxlerInnen noch zigtausende LKW-FahrerInnen freuen. 

Empfinden Sie diese Prognosen als Segen oder als bedrohlich?
Ich bin da einer Meinung mit  Johannes Kopf, dem Chef des AMS. Er sagt, dass es aus historischer Perspektive schon öfter technologische Umbrüche gab, aber die Arbeit nie ausging. Denken Sie etwa an den Mangel in den Sozialberufen derzeit. Die Automatisierung und Maschinisierung vieler Arbeitsvorgänge waren Voraussetzung dafür, dass wir heute keine 70-Stunden- Wochen mehr haben.

Bedeuten diese Entwicklungen nicht, dass es quasi nur noch TechnikerInnen  braucht,  die die Maschinen programmieren und reparieren?
Schon heute haben es die weniger Qualifizierten schwer. Früher haben 20 Menschen in einem Warenlager gearbeitet, jetzt braucht es nur noch eineN Logistik-Spezialisten/in, der oder die mit dem Computer umgehen kann. Die gering qualifizierten Berufe sind  also  am Aussterben.

Welche Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz kommen konkret in der näheren Zukunft auf uns zu?
Die selbstfahrenden Autos werden wahrscheinlich eine Revolution im Verkehrswesen bedeuten. Schon jetzt lässt sich abschätzen, dass die Anzahl der Unfälle drastisch zurückgehen wird, die bestehenden Straßen besser ausgenützt werden und fast keine neuen mehr gebaut werden müssen. Auch der Spritverbrauch wird zurückgehen. Außerdem können ältere Menschen dadurch länger mobil sein.

Was noch?
Kennen Sie den Film „Her“ von Spike Jonze? Er zeigt, wie sehr sich synthetische Persönlichkeiten weiterentwickeln werden. Das wird vor allem im Zusammenhang mit Robotern wichtig sein. Bei  Robotern sehe ich schon jetzt einen großen Bedarf, etwa in der Pflege. In Europa überaltert die Bevölkerung, immer mehr Menschen sind betreuungsbedürftig. In Österreich arbeiten im Pflegesektor Leute aus der Slowakei, Ungarn und Co., die dort dann fehlen. So kann es nicht weitergehen. Auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen können die Entwicklungen der Artificial Intelligence helfen: Die IT macht es ihnen schon jetzt möglich, nahezu uneingeschränkt am  sozialen  Leben teilzunehmen. Spannend wird die Kombination von Robotern und synthetischen Persönlichkeiten  werden.


Alexandra  Rotter  hat  Kunstgeschichte an der Universität Wien und der Université  de  Lausanne  studiert  und arbeitet als freie Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft  in Wien.

AutorInnen: Alexandra Rotter