Talkin’ ’bout my generation

  • 12.04.2014, 12:07

Was ist eine Generation?

Als soziales Konzept funktionieren Generationen als Alterskategorien, die zum Beispiel in Umfragen und Fragebögen seit einigen Jahrzehnten immer gleich reproduziert werden: den „mittleren“ Altersschichten, die etwa in Fünf-Jahres-Schritten genauestens untersucht werden, folgt meist die Generation „60+“ als eintöniger Abschluss, obwohl sich die Lebensrealitäten von Menschen über 60 in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert haben und sie keineswegs alle in einen Topf geworfen werden können. Oft kämpft dann ein Fortschrittsnarrativ, das die junge Generation als besser darstellt und die alte als obsolet, gegen einen konservativen Diskurs, der Altes als bewährt und Neues als Werteverlust sieht. Insofern funktioniert der Begriff Generation (wie jede andere soziale Kategorie) als Trennmittel: Ältere Menschen werden als reaktionär und fortschrittsfeindlich gesehen, Jüngere als unerfahren und unmotiviert.

Die jungen Leute damals

„Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte.“ Dieses Sokrates zugesprochene Zitat findet man immer wieder in Texten als Beweis dafür, dass „die jungen Leute heutzutage“ eben nicht nur heutzutage sondern quasi schon immer von der Generation vor ihnen beklagt wurden. Das Zitat stammt in Wahrheit zwar nicht von Sokrates selbst, lässt sich aber als solches besser zur Argumentation verwenden. Es stammt aus einer Dissertation zu Bildung im antiken Griechenland aus dem Jahre 1907, verfasst von einem Studenten namens Kenneth John Freeman. Online lässt sich dieses Phänomen übrigens in einer aktuelleren und profaneren Variante beobachten: YouTube-Ausschnitte von (Kinder-) Fernsehserien aus verschiedenen Dekaden enthalten mit hoher Wahrscheinlichkeit Kommentare, die das Fernsehprogramm der jeweiligen Zeit hochloben und alles danach als kinderverderbenden Schund betrauern.

Die zweite, dritte, vierte, ... Generation

In Österreich leben mehr als eine Million Menschen mit Migrationshintergrund. Dazu zählen fast eine halbe Million Menschen, die in Österreich geboren sind und daher als Migrant_innen „zweiter Generation“ gelten. Anders als zum Beispiel in den USA oder in Kanada, bekommen Menschen, die in Österreich geboren werden, nicht automatisch die österreichische Staatsbürger_innenschaft zugesprochen. Man kann also in Österreich „Ausländer“ (sic) sein, ohne jemals im Ausland gewesen zu sein. Oftmals reicht dann „von hier“ als Antwort auf die omnipräsente Frage „Woher kommst du?“ nicht, und Fragen wie „Aber wo kommst du wirklich her?“, „Wo kommen deine Eltern her?“ und „Du weißt schon, was ich mein, nicht, wo du wohnst, sondern wo du halt her bist!?“ folgen. Die Intersektion von Migration und Generation bringt junge Menschen mit Migrationshintergrund in eine spezielle Position, in der sie sich oft weder in „ihrer“ Heimat noch in „ihrer“ Generation zuhause fühlen (können).

Generation Why?

Für kaum eine Generation von Menschen hat es jemals so viele (US-amerikanisch geprägte) Begriffe gegeben wie für diejenige, die zurzeit als „jung“ gilt: Generation We, Millenials, Global Generation, Generation Chips und andere. Am bekanntesten ist aber die Bezeichnung Generation Y, gedacht als Analogie zur Generation X der 1960er- bis 1980erJahre. Während die Generation Y zunächst als Generation der großen Gewinner_innen hochgehalten wurde, deren Mitglieder von der „schönen neuen Welt“ profitierten, in die sie als „Digital Natives“ hineingeboren wurden und die durch Globalisierung und Technologie immer kleiner wurde, zeigten sich bald Schattenseiten: Immer mehr Ys bekommen die Folgen der Wirtschaftskrise zu spüren, wohnen immer länger bei ihren Eltern, sind zwar gut gebildet, dann aber meist auch hoch verschuldet, arbeiten mehr und verdienen weniger, und genießen trotz all des Wohlstands um sie herum eine geringere Lebensqualität als ihre Eltern.

Der Generationenvertrag

Der „Generationenvertrag“ (der kein tatsächlicher Vertrag auf Papier oder Handschlagbasis ist) bildet die Grundlage des aktuellen Pensionssystems in Österreich. Ausgangspunkt ist die Frage: Wie verteilen wir die finanziellen Resultate der Erwerbsarbeit, die wir im Laufe unseres Lebens erarbeiten? Wie sorgen wir für Kinder, die noch nicht erwerbstätig sind, und vor allem für Ältere, die ihre Erwerbstätigkeit bereits hinter sich haben? Im Rahmen eines durch den Generationenvertrag geregelten Pensionssystems werden Pensionen von Erwerbstätigen finanziert, die ihrerseits darauf hoffen (müssen), dass ihre Pensionen von der folgenden Generation bezahlt werden. Damit unterscheidet sich der Generationenvertrag von anderen Pensionssystemen, die zum Beispiel darauf basieren, dass Erwerbstätige selbst Geld für ihre Pension ansparen. Demografische Veränderungen, die bedeuten, dass relativ gesehen immer weniger Menschen die Pensionen von relativ immer mehr Menschen tragen, führen beim System des Generationenvertrags zu Konflikten.

Verantwortung für Gegenwart und Zukunft

In engem Zusammenhang mit der „Generationengerechtigkeit“ steht die Frage, wie wir Gegenwart und Zukunft zueinander in Beziehung setzen. Als Beispiel dafür können wir folgende Frage sehen: Wenn die Regierung heute Schulden aufnimmt, um etwa das Pensionssystem sichern zu können, wer wird diese Schulden dann in der Zukunft bezahlen? Ähnliche Überlegungen fließen auch in Debatten um Umweltschutz ein, in deren Zentrum oft die Frage steht, was für eine Welt wir „unseren Kindern“ hinterlassen werden. Unser Handeln in der Gegenwart – das heißt, unsere Interpretation der Gegenwart – ist oft dadurch beeinflusst, wie wir uns „unsere“ Zukunft vorstellen und wie wir die Verantwortung für verschiedene Zukunftsmöglichkeiten verteilen wollen, vor allem, wenn diese Verantwortung mit Einschränkungen für unser oder das Leben anderer einhergeht.

 

Michael En studiert Transkulturelle Kommunikation im Doktorat an der Universität Wien.

AutorInnen: Michael En