Studierende in der Arbeitswelt - Kenne deine Rechte!
Kollektivvertrag - What the fuck?
Kollektivverträge sind Vereinbarungen zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber_Innen_innen (z.B. Wirtschaftskammer) und den Gewerkschaften (z.B. Gewerkschaft der Privatangestellten, GPA-djp), die für alle Beschäftigten in einer Branche gelten. Er regelt z.B. Mindestlöhne, Arbeitszeiten, Zuschläge und vor allem das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das allen (!!) Beschäftigten zusteht. Der Kollektivvertrag ist wie ein Gesetz einzuhalten. Arbeitgeber_Innen_innen dürfen im positiven Sinne vom Kollektivvertrag abweichen, d.h. sie dürfen gerne mehr bezahlen („Überzahlung“) und kürzer arbeiten lassen, sie dürfen jedoch nicht weniger bezahlen oder längere Arbeitszeiten (außer bei Überstunden) verlangen als im Kollektivvertrag vorgesehen. Es gibt in Österreich keinen einheitlichen durch das Gesetz festgelegten Mindestlohn (!!!). Mindestlöhne werden immer branchenweise durch die jeweiligen Kollektivverträge geregelt. 98% aller Branchen sind in Österreich durch einen Kollektivvertrag abgedeckt. Die Gewerkschaft verhandelt gemeinsam mit den Arbeitgeber_Innen_innen jedes Jahr neue Kollektivverträge bzw. eine Erhöhung der Löhne und Gehälter. Wie hoch die Mindestlöhne und wie gut die Arbeitsbedingungen in einer Branche sind hängt maßgeblich von der wirtschaftlichen Entwicklung und von der Mitgliederstärke der Gewerkschaft in diesem Bereich ab. Auch Studierende können Mitglied in der Gewerkschaft werden, denn auch für sie gelten der Kollektivvertrag und seine Regelungen (siehe jugend.gpa-djp.at).
Welcher Kollektivvertrag für dein Unternehmen gilt, hängt immer vom Gewerbeschein des Unternehmens ab. Dies kann auch bedeuten, dass man in der IT Abteilung einer Supermarktkette nach dem Kollektivvertrag für den Einzelhandel bezahlt wird, da der Gewerbeschein des Unternehmens auf Tätigkeiten im Einzelhandel lautet.
Arbeitszeit, Pausen, Ruhezeiten und Urlaub
Grundsätzlich muss Dauer und Länage der Arbeitszeit vereinbart werden. Beträgt die Arbeitszeit an einem Tag mehr als 6 Stunden stehen dir 30 Minuten als Pause zu. Die Pause zählt in den meisten Fällen nicht(!) zur Arbeitszeit und wird meist nicht bezahlt. Nach Beendigung des Arbeitstages stehen Arbeitnehmer_Innen_innen zu deren ihrem Schutz 11 Stunden durchgängige Ruhezeit zu, bis man wieder zur Arbeit eingeteilt werden kann. In einigen Kollektivverträgen (z.B. Gastronomie) gibt es jedoch die Möglichkeit die Ruhezeit auf 8 Stunden zu verkürzen, wenn man im Austausch für die verkürzte Ruhezeit ein Mehr an Freizeit (z.B. ein verlängertes Wochenende) erhält. Dienstpläne müssen 2 Wochen vor Arbeitsbeginn bekanntgegeben werden und sind nur dann gültig. Änderungen am Dienstplan können prinzipiell gültig sein, bedürfen jedoch der ausdrücklichen Zustimmung durch den_/die Dienstnehmer_iIn. Eine Änderung kann durch den/_die Dienstnehmer_iIn abgelehnt werden, wenn Gründe für die Ablehnung vorliegen (z.B. eine Lehrveranstaltung am Nachmittag kann als Grund gelten). Dauert ein Dienstverhältnis kürzer als 6 Monate, stehen Arbeitnehmer_Innen_innen aliquot jeweils 2 Urlaubstage pro gearbeiteten Monat zu (auch geringfügig Beschäftigten). Nach 6 Monaten Dienstverhältnis steht der gesamte Urlaub von 5 Wochen zu. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass Arbeitnehmer_Innen_innen ihren Urlaub aufbrauchen können.
Geringfügigkeit - Ganz normale Arbeit, oder?
Als geringfügiges Dienstverhältnis bezeichnet man eine Tätigkeit, welche mit maximal 425,70 € (Stand 1.1.2017) entlohnt wird. Wie viele Stunden dies konkret pro Woche bedeutet, hängt vom jeweiligen Kollektivvertrag ab. (Wenn der anzuwendende Branchen-Kollektivvertrag ein hohes Lohnniveau vorsieht, werden sich weniger Arbeitsstunden „ausgehen“ als bei einem Kollektivvertrag mit niedrigerem Mindestlohn.) Wenn du weniger als die 425,70€ verdienst, ist dein Unternehmen nur verpflichtet für dich Unfallversicherungsbeiträge einzubezahlen. Das bedeutet du bist gegen einen Arbeitsunfall abgesichert, jedoch nicht krankenversichert. Als Student_iIn kannst du dich jedoch bei deinen Eltern mitversichern lassen, oder dich auch selbst bei der Gebietskrankenkasse versichern. Als geringfügige Arbeitskraft bist du jedoch arbeitsrechtlich allen anderen Mitarbeiter_Innen_innen gleichgestellt. Sobald du mehr als die 425,70€ verdienst, bist du voll sozialversicherungspflichtig und es müssen entsprechende Arbeitgeber_Innen_innen/Arbeitnehmer_Innen_innenbeiträge geleistet werden. ÖH und GPA-djp Jugend bieten mit dem Geringfügigkeitsrechner, ein Webtool welches dir dabei hilft zu überprüfen ob du entsprechend fair bezahlst wirst.
Mythos Praktikum - Arbeiten zum Nulltarif?
Der Status Praktikant_iIn ist rechtlich gesehen ein wenig schwierig. Zuerst muss die Frage geklärt werden welche Art der Tätigkeit man in seinem Praktikum ausüben muss. Das österreichische Arbeitsrecht kennt den Zustand „Praktikant_iIn“ eigentlich nicht, sondern nur den Unterschied zwischen Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen. Bei einem Ausbildungspraktikum steht der Wissenserwerb im Vordergrund. Man ist dabei nicht in den betrieblichen Ablauf eingebunden, steht in keinem hierarchischen Verhältnis und ist nicht leistungsverpflichtet. Die Entlohnung eines Ausbildungsverhältnisses kann der_/die Praktikumsgeber_iIn selbst entscheiden, auch ein kompletter Verzicht auf Entlohnung ist rechtlich erlaubt. Ein Praktikum als Arbeitsverhältnis bedeutet, dass man regulär mitarbeitet, in betriebliche Hierarchien eingebunden wird und verpflichtet ist eine gewisse Form der Leistung zu erbringen. „Praktika“ sind in den meisten Fällen reguläre Arbeitsverhältnisse und sind zumindest entsprechend dem Kollektivvertrag der jeweiligen Branche zu entlohnen. Bei Fragen steht dir die Gewerkschaft zur Verfügung.
Viele Unternehmen versuchen unter dem Titel Praktikum jedoch, die Arbeitskraft von Studierenden zu Dumpingpreisen oder gar zum Nulltarif auszubeuten. Die Abgrenzung zwischen Ausbildung und Arbeitsverhältnis ist nicht immer einfach, doch es gibt einige Hinweise auf die man achten kann. Ist man als Praktikant_iIn in die betriebliche Hierarchie eingeordnet (gibt es Vorgesetze, die Arbeitsaufträge erteilen können?) deutet vieles schon auf ein Arbeitsverhältnis hin. Weiteres Anzeichen für ein Arbeitsverhältnis ist es, dass du im Namen des Unternehmens gegenüber Dritten auftrittst (z.B. du beantwortest für die Firma Emails). Wichtig ist, dass man sich immer die Frage stellt: Ist meine Arbeitsleistung für den operativen Betrieb des Unternehmens notwendig? Diese notwendige Arbeit kann auch darin bestehen, Kund_Innen_innen z.B. darauf zu verweisen, dass die zuständige Person gerade im Urlaub ist und nach ihrer Rückkehr zurückrufen wird. Die GPA-djp Jugend bietet mit der wachlist-praktikum.at eine anonyme Möglichkeit sich über die Rechtmäßigkeit des eigenen Praktikums zu informieren.
Werkvertrag - Willkommen in der (prekären) Selbständigkeit?
Der Werkvertrag ist eine Tätigkeit die auf die Erbringung eines Ziels gerichtet ist, ein sogenanntes Zielschuldverhältnis, im Gegensatz zum Angestelltenverhältnis, welches man als Dauerschuldverhältnis bezeichnet. So kann z.B. jemand damit beauftragt werden, ein englisches Buch in Deutsche zu übersetzen. Dazu wird ein Werkvertrag aufgesetzt. Die übersetzende Person verpflichtet sich, an einem bestimmten Stichtag die Übersetzung abzuliefern, der_/die Auftraggeber_iIn für die Übersetzung wiederum, am ausgemachten Stichtag zu bezahlen. Wie viele die übersetzende Person für die Übersetzung verlangen kann, muss sie selbst entscheiden. Braucht das Projekt viel mehr Zeit als zum Beispiel ursprünglich veranschlagt, so ist dies das Problem des_/der Werksvertragsnehmer_iIn. Die Bezahlung fungiert als Komplettpreis. Der Werkvertrag ist eine selbständige Tätigkeit, entsprechend bist du selber für die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verantwortlich. Einige Berufsgruppen (z.B. Dolmetscher_Innen_innen, freiberufliche Grafiker_Innen_innen) müssen erst ab einem Jahreseinkommen von 5.108,40 € Sozialversicherungsbeiträge leisten, steuerliche Abgaben sind allerdings schon früher fällig. Übersteigen deine selbständigen Einkünfte diese Grenze, so bist du entsprechend sozialversicherungspflichtig.
Der freie Dienstvertrag
Der freie Dienstvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, welches sich aber durch geringe persönliche Abhängigkeit auszeichnet. Als freie Dienstnehmer_iIn kannst du dich am Arbeitsplatz vertreten lassen, und du bist nur eingeschränkt weisungsgebunden. Die Bezahlung ist Vereinbarungssache. Vereinzelte Branchenkollektivverträge sehen Entgeltbestimmungen für freie Dienstverträge vor. Du musst bei der zuständigen Gebietskrankenkasse angemeldet werden. Wenn du mehr als 425,70 € pro Monat verdienst (Geringfügigkeitsgrenze),, bist du sozialversicherungspflichtig und musst 17,62% für die Sozialversicherung abführen (auch der_/die Arbeitgeber_iIn muss Beiträge einzahlen). Wenn du durch deinen freien Dienstvertrag mehr als die Geringfügigkeitsgrenze verdienst, bist du damit voll kranken-, pensions- und unfallversichert. Freie Dienstnehmer_Innen_innen haben insbesondere im Fall einer Dienstverhinderung wegen Krankheit bzw. Unglücksfall oder aus sonstigen wichtigen Gründen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den_die Dienstgeber_iIn. Ab dem 4. Tag infolge Krankheit übernimmt der jeweilige Krankenversicherungsträger die Auszahlung des Krankengeldes. Wenn du mit einem freien Dienstvertrag ein Einkommen erzielst, welches größer als 11.000€ pro Jahr ist, musst du dieses Einkommen entsprechend versteuern. Du hast aber auch die Möglichkeit verschiedenste Ausgaben (z.B. Arbeitsmaterialien für deine Tätigkeit) von der Steuer abzusetzen. Doch aufgepasst, auch das bei Angestelltenverhältnissen übliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld bleibt bei freien Dienstnehmer_Innen_innen aus.
Christian Hofmann arbeitet in der der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) und betreut das Studierendenprojekt der Gewerkschaft. Für arbeitsrechtliche Fragen ist er unter christian.hofmann@gpa-djp.at oder 050301 21 342 zu erreichen.