StudentInnen im Stress

  • 13.07.2012, 18:18

Vom Bachelor und davon, dass dieser so rein gar nichts mit JunggesellInnenpartys zu tun hat, dafür aber so einiges mit Leistungsdruck und Prüfungsstress.

Vom Bachelor und davon, dass dieser so rein gar nichts mit JunggesellInnenpartys zu tun hat, dafür aber so einiges mit Leistungsdruck und Prüfungsstress.

Karteikarten, Zusammenfassungen, Vorlesungsfolien, Notizen. Versuche, die verbleibenden Minuten zu nutzen. Nervöse Blicke. Alles mitnehmen, was noch geht. Textmarker, Kugelschreiber, StudentInnenausweis. Ein letztes Mal alles durchgehen. Klausuren, Tests, Prüfungen – Angst!
„Ich muss diese Klausur schaffen, sonst verlier ich ein ganzes Semester!“ Ein Gedanke, der den meisten StudentInnen seit der Umstellung von Diplom- und Magistra- bzw. Magisterlehrgängen auf die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master nicht mehr fremd sein dürfte. Die neuen Abschlüsse sollen das Studium durch strengere und straffere Prüfungsordnungen effizienter, praxisnäher und schneller machen und StudentInnen ordentlich antreiben. LangzeitstudentInnen sollen vermieden werden. Der Druck, der dabei entsteht, lässt einige StudentInnen auf dem steilen Weg zum Ziel Bachelor zurück. Verzweiflung macht sich breit, da für StudentInnen ab Beginn des Studiums jede einzelne Note zählt. Um einen Masterstudienplatz zu bekommen, zählt das Gesamtergebnis des Bachelorstudiengangs. Die Umsetzung von Bologna in Österreich liefert ein klares Ergebnis: immer größerer Lern- und Leistungsdruck, dem kaum noch jemand entgehen kann.

Nebenjob?! Wer sich das Studium durch einen Nebenjob finanzieren muss oder das spärliche Studierendenbudget aufbessern will, dem gelingt das durch die hohe zeitliche Belastung im Bachelor nur unter erschwerten Bedingungen. Wer es dann noch wagt, eine Doppelqualifikation im Sinne eines Doppelstudiums anzustreben, erntet spöttische Blicke oder anerkennendes Kopfnicken. Für das Studium wird dies zu einer problematischen Mehrfachbelastung.
Durch die andauernden Klausuren und Tests zur Leistungskontrolle, welche als Voraussetzung dienen, um weitere Module absolvieren zu können, bestehen die Tage der meisten StudentInnen im Grunde nur noch aus einem: Lernen. Die Bibliotheken sind überfüllt, die Köpfe der Studierenden auch, und ihre Ausdauer und Konzentration sind schlichtweg erschöpft. Der Universitätsalltag wird immer stressiger. Vorlesungen, die früher keine Anwesenheitspflicht vorschrieben, haben mit der neuen Umstellung nun auch einen prüfungsimmanenten Charakter. Es gibt nicht nur Prüfungen, sondern noch dazu verpflichtende Hausübungen als Voraussetzung für den positiven Abschluss einer Lehrveranstaltung. Die Universität gleicht einem Schulsystem mit vollgestopften Stundenplänen und Klausurenmarathon. Freie Tage werden zur Mangelware. Zukunftssorgen gehören zum Alltag. Selbst Semesterferien sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Die vorlesungsfreie Zeit wird genutzt, um sich auf die nächsten Klausuren vorzubereiten. Die Anforderungen des Studiums betreffen nicht mehr nur solche im Leistungsbereich, sondern erstrecken sich auch auf organisatorische, soziale und persönliche Bereiche. Wenn es den StudentInnen nicht gelingt, in der wenigen verbleibenden Freizeit einen Ausgleich zu schaffen, um dem Druck auch einmal zu entgehen, schleicht sich schnell das unverdrängbare Gefühl ein, nur noch funktionieren zu müssen. Die psychologischen Studierendenberatungen der Universitäten in Österreich bekommen alle Hände voll zu tun, denn die Anforderungen der Studienpläne werden für StudentInnen zu Überforderungen.
Die Folgen dieser neuen Belastungen wiegen schwer: von Prüfungsangst über Depression bis hin zu Drogenproblemen und Burn-out. 

Leistungsdruck mit Folgen. Deutlich zeigt sich der enorme Leistungsdruck unter StudentInnen in deren zunehmenden Suchtproblemen. Der erhöhte Drogenkonsum wird zum Ventil gegen den Leistungsdruck und gegen Versagens- oder Prüfungsängste. Er dient zur Kompensation des immer größer werdenden Drucks. Prüfungsangst zieht einen Teufelskreis, aus dem auszubrechen zu einer großen Herausforderung wird: Wird die Leistungsfähigkeit durch die starke Angst vor der Prüfung, dem Ergebnis und der daraus folgenden Konsequenzen für das weitere Studium wesentlich beeinträchtigt, wird Leidensdruck verursacht. Ein schlechtes Ergebnis schürt erneut die Angst vor weiteren Klausuren. Der entstehende Stress, der dem Leben im Normalfall Spannung gibt, wird gesundheitsschädigend, wenn wir ihm dauerhaft ausgesetzt sind und wir keine Möglichkeit finden, ihn zu bewältigen, abzubauen oder umzuwandeln. Psychosomatische Beschwerden wie Bluthochdruck,  Herzerkrankungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Geschwüre und Diabetes sind nur einige der möglichen Folgen.
Im Falle eines Burn-outs trifft es Student-Innen noch deutlich schlimmer. Wenn die Begeisterung, mit der das Studium begonnen wurde, bald durch frustrierende Erlebnisse und enorme Belastungen getrübt wird, kann dies zu Desillusionierung und Apathie, bis hin zu Aggressivität und Depressionen oder erhöhtem Suchtpotential und psychosomatischen Erkrankungen führen. Die Aussage „Die Klausur bereitet mir Magenschmerzen“ erhält vor diesem Hintergrund eine viel schwerwiegendere Bedeutung. Gerade wenn StudentInnen viel leisten, aber durch schlechte Prüfungsergebnisse oder dadurch, dass kein Ende in Sicht ist, entmutigt werden, leidet die Psyche nachhaltig unter dem Stress. Die Reaktion auf die ständige Frustration und das Gefühl, die eigenen Ziele nicht zu erreichen, ist Burn-out.

AutorInnen: Charlotte de Gier