Schotten dicht!
Das Leitmotiv von Beatrix Karls Amtszeit hat sich in den letzten Monaten immer deutlicher gezeigt: Der offene Hochschulzugang soll beendet werden. Mit oder ohne Koalitionspartnerin, mit oder ohne gesetzliche Grundlage und gegen die Studierenden.
Das Leitmotiv von Beatrix Karls Amtszeit hat sich in den letzten Monaten immer deutlicher gezeigt: Der offene Hochschulzugang soll beendet werden. Mit oder ohne Koalitionspartnerin, mit oder ohne gesetzliche Grundlage und gegen die Studierenden.
Ausgerechnet den Karfreitag hat sich Beatrix Karl ausgesucht, um die Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach § 124b des Universitätsgesetzes 2002 in den Fächern Publizistik, Architektur und der Wirtschaftsuniversität Wien in Begutachtung zu schicken.
Konsequent beschränken. Karls Position zu Zugangsbeschränkungen zieht sich konsequent durch ihre politische Karriere. Bereits als Wissenschaftssprecherin der ÖVP setzte sie sich für die Abschaffung des offenen Hochschulzugangs ein. Wenig verwunderlich forciert Karl auch als Ministerin Schranken an den Unis. „Die Regelung des Hochschulzugangs sei zwar nicht die eleganteste Lösung, aber eine notwendige, um die Probleme der Massenuniversität zu lösen“, war in einer ihrer ersten Presseaussendungen als Ministerin zu lesen.
Mit dieser Position steht sie den Interessen der Studierenden diametral entgegen, doch andere PlayerInnen im Hochschulbereich fordern und fördern dieses Anliegen. Allen voran steht Christoph Badelt, ehemaliger Chef der Rektoren, Karl zur Seite. Badelt versucht, Zugangsbeschränkungen zu einer Frage der Gerechtigkeit umzudeuten: Immer wieder wirft er Argumente wie eine sozial selektive Sekundarstufe, deren negative Effekte nicht durch offenen Zugang zu Hochschulen ausgeglichen werden könne, oder die ungerechten Knock-Out Prüfungen im ersten Abschnitt, die aufgrund von Kapazitätsproblemen an der WU Wien rund 80 Prozent der Studierenden vor Beginn des zweiten Abschnitts eliminieren müssen, in die Wagschale.
Auffallend ist die Intensitätssteigerung seiner Forderungen nach Beschränkungen seit der Abschaffung der Studiengebühren – brachte einst jede Inskribientin und jeder Inskribient der WU bares Geld, bleibt mit der heutigen Regelung nur ein großer Verwaltungsaufwand. Was Badelt in seinen Argumenten ebenso verschweigt, ist die Problemlosigkeit, mit der der Rektor fast eine halbe Milliarde Euro für den prestigeträchtigen Neubau der WU ausverhandeln konnte, doch eine Anhebung der Kapazitäten für die Lehre wird als unmöglich abqualifiziert.
Welchen Weg die Wirtschaftsuniversität in ihrer Zulassungspolitik einschlagen möchte, ist aufmerksamen LeserInnen seit Abschluss der letzten Leistungsvereinbarungen zwischen WU und Ministerium klar. Auf Seite drei des im Dezember letzen Jahres von Generalsekretär Faulhammer und Rektor Badelt unterzeichnetenPapiers wird als Maßnahme zur Verbesserung der Betreuungsrelation festgelegt: „In diesem Zusammenhang wird die WU einen Antrag nach § 124b (6) UG stellen.“ Das scheinbar neutrale Management-Tool „Leistungsvereinbarung“ wird zum Grundstein politischer Entscheidungen.
Notfallparagraph. Der Paragraph 124b im Universitätsgesetz ermöglicht eine Beschränkung des Hochschulzugangs für bestimmte Studienrichtungen unter folgenden Voraussetzungen: Die Studienrichtung muss von einem deutschen Numerus Clausus Studium betroffen sein, alle Universitäten, an denen die Studienrichtung angeboten wird, müssen den Antrag gemeinsam stellen, und die Studienbedingungen müssen durch die „erhöhte Nachfrage ausländischer Staatsangehöriger“ unvertretbar sein. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Bundesregierung eine Verordnung über die Zahl der zuzulassenden StudienanfängerInnen festlegen, diese Zahl darf aber nicht unter dem Durchschnitt der Studierenden der letzten drei Jahre liegen.
Vor allem der Antrag der WU liegt außerhalb jedes gesetzlichen Rahmens: Die WU hat als einzige Uni für jene Studienrichtung, in der vornehmlich (internationale) BetriebswirtInnen ausgebildet werden, einen Antrag gestellt. Die Anzahl ausländischer Studierenden an der WU ist in den letzten Jahren prozentual gesunken, das geht sogar aus den Daten im Antrag hervor. Und die Beschränkung der Erstsemestrigen auf 3.600 Studierende würde eine deutliche Reduktion der Studierendenzahlen bedeuten.
Kein Grund für die Ministerin, den Antrag abzulehnen, im Gegenteil. Nachdem die Koalitionspartnerin SPÖ Ablehnung für die Anträge in der Architektur (kein signifikanter Anstieg ausländischer Studierender) und der WU signalisierte, schickte die Ministerin die Anträge trotzdem in Begutachtung – sie wolle die Koalitionspartnerin während der Begutachtungsphase noch überzeugen.
Hinter den Kulissen sind einige verwundert: Weniger Anträge als erwartet wurden gestellt. Doch Ministerin Karl arbeite daran, das so schnell wie möglich zu ändern. Bei Terminen mit Rektoren halte sie konsequent dazu an, so viele Anträge auf Zugangsbeschränkungen wie möglich zu stellen. Am Ende ihrer Mission stünde dann ein Hochschulraum mit flächendeckenden Zugangsbeschränkungen und zentral gesteuerter Planung der Studierendenzahlen.
Notfallprotest. Was für die Ministerin ein erstrebenswertes Ziel ist, bedeutet für viele MaturantInnen das Ende der tertiären Ausbildung, bevor sie überhaupt begonnen hat. Für jene kritischen ÖHs und protestierenden Studierenden, die im Herbst ein Window of Opportunity im Hochschulbereich öffneten und für demokratische und offene Hochschulen kämpften, ist das eine inakzeptable Entwicklung, der auf geeignete Art und Weise Widerstand entgegengesetzt werden muss. Revolutionen sind nicht planbar, doch das Hochschulsystem hat dringend eine nötig, denn die momentane Politik bedeutet eine rückwärtsgewandte Reform. Der erste Schritt für eine Verbesserung der Situation an den Hochschulen ist eine Ablehnung aller 124b- Anträge durch die Regierung, eine Rücknahme der Budgetkürzungen im Bildungsbereich und eine deutliche Aufstockung der Unibudgets durch kluge einnahmenseitige Refinanzierung ohne konsumbremsende Massensteuern. Rationalen Argumenten scheinen Ministerin Karl und die ÖVP nicht zugänglich zu sein – scheinbar müssen erst Hörsäle besetzt werden, damit Veränderung möglich wird.