Schallmoos: Kriminalisierung von Sexarbeiterinnen*
Seit November 2015 läuft die von der ÖVP initiierte Kampagne „Unterm Strich kein Spaß“. Sie verfolgt das Ziel, sowohl Sexarbeiterinnen* als auch deren potentielle Kunden aus dem Gebiet Schallmoos in Salzburg Stadt zu vertreiben. Die Mobilisierung gegen den dortigen Straßenstrich gibt es allerdings schon länger.
Der „Kampf“ gegen Sexarbeiterinnen* am Straßenstrich in Schallmoos ist kein neuer. Seit Jahren versuchen sowohl Harald Preuner (Vizebürgermeister von Salzburg, ÖVP) als auch die Polizei dort arbeitende Sexarbeiterinnen* durch wiederholte Kontrollen und Anzeigen zu vertreiben. Diese sogenannten Schwerpunktkontrollen zeigten allerdings mäßigen Erfolg. Frauen*, die bei diesen Kontrollen erwischt wurden, erhielten Verwaltungsstrafen, die sie entweder gleich bezahlten oder abgesessen haben. Danach sind sie wieder ihrer Arbeit nachgegangen. Nachdem aus Sicht mancher Anrainer*innen die Polizei und die Stadt Salzburg nicht imstande waren, den Straßenstrich „unter Kontrolle“ zu bringen, begannen sie sich selbst zu organisieren.
WÜTENDE BÜRGERWEHR. Im Oktober beschlossen Anrainer*innen in Schallmoos im Rahmen ihrer Vereinssitzung, dass sie nun eigenmächtig gegen den Straßenstrich vorgehen würden. Hierfür wollten sie Straßenpatrouillen einrichten und in kleinen Gruppen sogenannte „Kontrollgänge“ durch das Viertel unternehmen, um gezielt Sexarbeiterinnen* und angebliche Kunden und Zuhälter anzusprechen. Im Rahmen dieser bürgerwehrähnlichen Strukturen war weiters auch geplant, Autokennzeichen zu fotografieren und zu veröffentlichen. Es ist nicht das erste Mal, dass derartige Zusammenschlüsse wütender Anrainer*innen äußerst problematische Züge annehmen.
Nach dieser Entwicklung kam auch prompt die Reaktion der ÖVP, welche sich bereits seit Jahren die „Beseitigung„ des Straßenstrichs auf die Fahnen zu schreiben versucht. Peter Harlander (ÖVP-Gemeinderat) nahm sich der wütenden Anrainer*innen an und präsentierte im November die Plakat- Kampagne „Unterm Strich kein Spaß“. Idee der Kampagne ist es, sich große Schilder „umzuschnallen“ und mit diesen durch Schallmoos zu ziehen, um den Straßenstrich zu „säubern“. Auf den Schildern sind so kreative Sprüche zu lesen wie „Schallmoos ist kein Feuchtgebiet“, „Schenke deiner Frau lieber Blumen statt Herpes“ oder „Wahre Frauenhelden müssen nicht bezahlen“ – an Geschmacklosigkeit nur schwer zu übertreffen.
Doch wer denkt, das wäre bereits alles, hat sich getäuscht. In Zusammenarbeit mit der ÖVP, insbesondere mit Harald Preuner, und der Polizei, wurde eine „neue“ Strategie erarbeitet, um sich des „Problems“ der Sexarbeit zu entledigen: Abschiebung. Bei einer Kontrolle durch die Polizei können Sexarbeiterinnen* Strafen aufgrund des Landessicherheitsgesetzes des Geschlechtskrankheitengesetzes, oder nach dem Aidsgesetz bekommen. Nach vier verhängten Strafen wird unter Bezugnahme auf das Fremdenpolizeigesetz davon ausgegangen, dass die Sexarbeiterin* eine „Gefährdung“ für die öffentliche Sicherheit darstellt und somit abgeschoben werden kann, wenn sie nicht die österreichische Staatsbürger*innenschaft besitzt. Daran gekoppelt ist ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot in Österreich.
LÖSUNG BORDELL. In Salzburg ist die Ausübung von Sexarbeit sowohl auf der Straße als auch in Wohnungen illegal – allein in Bordellen ist sie legal. Dort ist es für Frauen* allerdings nicht möglich, selbstständig zu arbeiten. Vielmehr werden sie erst recht in ein Abhängigkeitsverhältnis gezwungen, indem sie beispielsweise hohe Abgaben an Bordellbetreiber*innen zahlen müssen, oder ihnen vorgeschrieben wird, wie und wie lange sie zu arbeiten haben. Bordelle sind für viele Sexarbeiterinnen* deshalb keine Option. Die Forderung der Politik, Sexarbeiterinnen* könnten doch in Bordellen arbeiten, zeugt letztlich also vor allem von dem Wunsch, Sexarbeit unsichtbar und leicht kontrollierbar zu machen. Die Bedürfnisse von jenen, die in der Sexarbeit tätig sind, spielen für sie keine Rolle.
Durch das Verhalten von Polizei und Magistrat verlieren die Frauen* jegliches Vertrauen zu diesen, was wiederum ihre Arbeit erst gefährlich macht. Werden sie um ihr Geld betrogen, bedroht oder missbraucht, ist es für sie keine Option, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Letztlich werden mit einer solchen repressiven Politik also Sexarbeiterinnen* isoliert und ein Kontakt zu ihnen wird verunmöglicht.
Eine andere Lösung schlägt beispielsweise Christine Nagl, die für das gesamte Bundesland Salzburg einzige Streetworkerin für Sexarbeiterinnen* und Leiterin der Beratungsstelle PiA, vor. Sie fordert eine Legalisierung des Straßenstrichs in Form einer betreuten Toleranzzone, für die eine entsprechende Infrastruktur errichtet werden soll. Ziel soll es sein, dass Sexarbeiterinnen* ein selbstständiges Arbeiten möglich ist. Leider steht sie mit ihrer Forderung recht alleine da. Währenddessen beginnt die Polizei erste Sexarbeiterinnen* abzuschieben – eine Praxis, mit der Österreich durchaus vertraut ist.
Brigitte Temel studiert Psychologie an der Universität Wien.