Protest in progress
Das Studium Internationale Entwicklung an der Uni Wien soll abgeschafft werden – die Studierenden und Lehrenden demonstrieren dagegen lautstark. Doch wie kritisch ist das Studium wirklich und wie unterstützenswert sind die Proteste? Im Pro und Contra gehen die Meinungen auseinander.
Das Studium Internationale Entwicklung an der Uni Wien soll abgeschafft werden – die Studierenden und Lehrenden demonstrieren dagegen lautstark. Doch wie kritisch ist das Studium wirklich und wie unterstützenswert sind die Proteste? Im Pro und Contra gehen die Meinungen auseinander.
Contra: Goodbye Bonokids
Die Universität Wien wird zum Wintersemester wohl auf einen neuen Bachelorjahrgang motivierter Internationale-Entwicklung-Studierender verzichten. Auch wenn dies leider einmal mehr Ausdruck von Sparmaßnahmen ist, und daher vor allem auf die gegenwärtige Krise des Kapitals verweist, kann der Einebnung des IE-Bachelorstudiums durchaus etwas abgewonnen werden. So steht doch gerade das IE-Studium für das menschliche Antlitz des grüngewaschenen Kapitalismus: Für einen hübschen Entschuldigungsbrief der Ersten Welt gen Süden, der im Endeffekt aber doch nichts anderes ist als die Freikarte für eine weitere Rundfahrt auf realkapitalistischer Safari.
Da derartige Freikarten aber schlechterdings von eingefleischten Liberalen auszustellen sind, sind es vor allem interventionistische Linke und jungschargestählte KatholikInnen, die sich der globalen Sozialarbeit verschreiben wollen. Geeint darin, im missionarischen Eifer auszuziehen, um für die unmündigen Menschen des Südens die Welt zur Gerechtigkeit zu reformieren. Eine Reformierung freilich, die ganz im Geiste der einstigen Missionare, die bekanntlich mit Glasperlen die Welt beglückten, mit dem schönen Schein die elenden Verhältnisse zum Glitzern bringen will. Eigentlich kann man dies noble Anliegen ja auch niemandem verübeln. Denkt man an die ursprüngliche Akkumulation in Übersee, die Ausrottung und Versklavung von Zigtausenden zu Gunsten der europäischen KolonisatorInnen, erscheint der Wunsch, heute nicht mehr ganz so grobmotorisch durch die Welt zu stampfen, durchaus nachvollziehbar. Aber es wäre schon etwas gemein, den Studierenden hier schlechtes Gewissen oder gar bösen Willen zu unterstellen. Vielmehr muss man wohl davon ausgehen, dass sie wirklich selber glauben, was sie in den Medien zum Besten geben: Dass man im IE-Bachelorstudium mal so richtig querdenken, entwicklungspolitische Diskurse beeinflussen und der neoliberalen Bestie eins auswischen könne. So etwas kommt dabei heraus, wenn JungschargruppenleiterInnen ihr entwicklungspolitisches Engagement im Rahmen von Sternsingeraktionen entdecken. Und genau zu solch einem moralinsauren Blödsinn hat Oscar Wilde in The Soul of Man under Socialism schon alles Nötige gesagt: „Daher tritt man mit bewundernswerten, jedoch irregeleiteten Absichten sehr ernsthaft und sehr sentimental an die Aufgabe heran, die sichtbaren Übel zu heilen. Aber diese Heilmittel heilen die Krankheit nicht: sie verlängern sie bloß. In der Tat sind sie ein Teil der Krankheit selbst.“
Pro: Kritikspektakel
Die hochschulpolitischen Proteste müssen mit laufender Kritik leben und diese verarbeiten. Das kann durchaus produktiv sein und Bewegungen vorantreiben. Dies gilt insbesondere, wenn Protestbewegungen einen lebendigen und emanzipatorischen Bildungsbegriff für sich in Anspruch nehmen. Wenn Kritik allerdings unbeteiligt von außen zugerufen und nicht in die Proteste getragen wird, bleibt sie meist unproduktiv. Nicht selten lauten die Zurufe: Die Forderungen seien zu partikular, die Analyse nicht tiefgehend genug, die zugrundeliegenden Austausch - und damit Ausbeutungsverhältnisse würden nicht berücksichtigt oder der Bildungsbegriff sei oberflächlich. Diese Kritiken können teilweise berechtigt sein oder auch nicht. Oft gehen sie an den unmittelbaren Lebensrealitäten der Beteiligten, die sich in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen, aber vorbei. Wenn etwa Beihilfen gekürzt, neue Zugangshürden zum Studium errichtet oder Studienrichtungen gestrichen werden, bedeutet das zunächst einen massiven Einschnitt in das Leben und Studieren der Betroffenen. Dass Protest dann direkt an diesen zündenden Themen entbrennt, ist wenig verwunderlich, ja sogar erforderlich. Auch aus strategischer Sicht ist es regelmäßig notwendig, einzelne Anliegen herauszugreifen, um eine Intervention stark machen zu können. Natürlich müssen die jeweiligen Forderungen laufend kritisch überprüft, kontextualisiert und die Wurzeln ihrer zugrundeliegenden Widersprüche freigelegt werden. Bildungsprotest ist eben auch ein Bildungsprozess. Die Kämpfe der Studierenden der Internationalen Entwicklung haben dies in den vergangenen Jahren recht eindrücklich bewiesen. Je nach Kalkül des Rektorats sollte das IE-Studium einmal ganz, dann wieder nur teilweise abgeschafft werden oder gar in ein Elitestudium umgewandelt werden. Um dagegen anzukämpfen, haben sich die Protestierenden der IE aber nicht nur auf Demonstrationen oder Besetzungen als Methoden beschränkt, sondern die Diskussion rund um den Protest in die eigenen Lehrveranstaltungen getragen und Workshops sowie Guest-Lectures organisiert.
Die Protestierenden selbst, das gilt nicht nur für jene der IE, gestalten den Widerstand oft entgegen der anhaltenden Tendenz der Verschulung universitärer Bildung. Die Proteste werden, ob der anhaltenden Debatten, weitergehen, so viel ist klar. Kritik, die sich dabei darauf beschränkt, von außen und unbeteiligt zuzurufen, wird weiterhin kaum dazu beitragen, die Proteste voranzutreiben. Aber sie wird eines bleiben: Spektakel.