Olympia oder der Lebensbund von M. G.

  • 13.07.2012, 18:18

Kann der Nazi-Verbrecher Rudolf Heß 42 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen werden? Diese Frage scheint absurd. Trotzdem wurde Heß 1987 von der Deutschen Burschenschaft in Österreich (DBÖ) für diese Ehrung vorgeschlagen.

Kann der Nazi-Verbrecher Rudolf Heß 42 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen werden? Diese Frage scheint absurd. Trotzdem wurde Heß 1987 von der Deutschen Burschenschaft in Österreich (DBÖ) für diese Ehrung vorgeschlagen.

Der DBÖ ist ein Dachverband, dem etliche Burschenschaften in Österreich angehören. Er besteht seit 1959 und war damals auf Antrag der Wiener Burschenschaft Olympia, die zu diesem Zeitpunkt ihr hundertjähriges Bestehen feierte, aus dem weniger „deutsch“ klingenden Allgemeinen Delegiertenkonvent entstanden. Doch wer sind die „deutschen“ Burschenschafter und was ist die Olympia? Burschenschafter schwingen jedenfalls gerne mit Säbeln herum und schlitzen sich damit vorzugsweise Wunden ins Gesicht. Schlecht verheilte Narben, auch Schmisse genannt, gehören sozusagen zum Accessoire. Eine Selbstbeschreibung der ältesten Wiener Burschenschaft, eben der Olympia, die man auf einem ihrer Flugblätter aus den 1990er Jahren lesen konnte, hilft ebenfalls weiter:

Häßlich, fett, abnormal. „Bist du häßlich, fett, krank oder fremd im Lande, bist du von Sorgenfalten, Weltschmerz oder linksliberaler Gesinnung gepeinigt, trägst du alternative oder Schicky-Kleidung oder gar ein Flinserl im Ohr, studierst du Psychologie, Politologie oder Theologie oder gar nicht, hast du den Wehrdienst verweigert oder eine Freundin mit, die weder schön noch still ist, kurz: bist du auf irgendeine Weise abnormal oder unfröhlich, dann bleib lieber zu Hause.“
Der dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) dürfte als Student Anfang der 80er Jahre den Aufnahmekriterien der Olympia entsprochen haben, denn damals trat er ihr bei. Und als Alter Herr gehört er seinem Lebensbund nach wie vor an.
Neben Martin Graf gibt es noch einen weiteren prominenten Olympen, den 1992 verstorbenen Norbert Burger. Zu diesem ehemaligen FPÖ-Politiker gibt es viel zu erzählen, zum Beispiel hatte er 1967 die NDP, die Neonazistische Nationaldemokratische Partei gegründet, welche 1988 behördlich aufgelöst wurde. Und 1971 war er in Italien in Abwesenheit wegen seiner führenden Rolle im Südtirol-Terror der 1960er Jahre zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Wegen des Südtirol-Terrors war auch die Olympia von 1961 bis 1973 verboten gewesen. Trotzdem meinte Martin Graf im Jahr 2000 zu seinem verstorbenen Bundesbruder: „Ich habe Norbert Burger immer geschätzt und tue das auch über den Tod hinaus.“ Als Burger 1992 beerdigt wird, ist H.C. Strache (inzwischen Alter Herr der Schüler-, also Pennälerverbindung Vandalia) zugegen, am Grab wird „Deutschland, Deutschland, über alles…“ gesungen. 

Freude am Gesang. Und weil Burschenschafter gerne singen, tritt ein Jahr nach Norbert Burgers Tod der deutsche, neonazistische Sänger und Mitglied der später verbotenen Wiking Jugend Frank Rennicke in den Versammlungsräumen – Bude genannt – der Olympia auf. 2000 wird Rennicke wegen des 1986 veröffentlichten „Heimatvertriebenenliedes“ von einem deutschen Amtsgericht in erster Instanz zu zehn Monaten Haft verurteilt. In der Urteilsbegründung heißt es:
„Das Lied zielt darauf ab, alle Ausländer aus Deutschland zu vertreiben […]. Es wird damit die Wiedererstehung des sogenannten Dritten Reiches propagiert. […] in dem Text wird die Gewaltanwendung gegen Ausländer propagiert.“
Rennicke ist jedoch nicht der einzige Gast in der Olympia, der wegen seiner Äußerungen vor Gericht muss. 2005 war der bekannte britische Holocaust-Leugner David Irving als Festredner in die Bude eingeladen worden. Kurz vor seinem Auftritt sollte er jedoch von den österreichischen Behörden verhaftet und in Folge nach dem NS-Verbotsgesetz zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Der wegen seiner früheren Aussagen zur „Rassenreinheit“ umstrittene Richter Ernest Maurer erließ Irving jedoch wegen guter Führung 2/3 der Haftzeit. Martin Graf bestritt in Folge jemals Irving eingeladen zu haben, sein Argument: „Man unterstellt uns, dass wir ausländerfeindlich seien, und dann sollen wir einen Ausländer einladen?“ 

Das Image wahren. Überhaupt ist Graf bedacht, genauso wie andere Burschenschafter im öffentlichen Leben auch, ihrer Organisation ein besseres Image zu verschaffen. Als Beweis hält ein angebliches Verbot der Burschenschaften in Österreich 1938 her. Dazu ist nur zu sagen, dass die Olympia – welche schon etliche Jahrzehnte zuvor den „Arierparagraphen“ und 1933 das Führerprinzip eingeführt hatte – 1938 als Kameradschaft Johann Gottlieb Fichte in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund aufgegangen war. In der damaligen Festschrift der neuen Kameradschaft war zu lesen: „Bei der eindrucksvollen Feier im großen Konzerthaussaal anlässlich der Überführung der waffenstudentischen Korporationen in die Gliederungen der NSDAP wurden die Farben das letzte Mal in der Öffentlichkeit getragen.“
Dass inzwischen immer wieder versucht wird, sich vor der Öffentlichkeit aus dem rechtsextremen Eck zu manövrieren, hat gute Gründe, immerhin gilt es Posten zu besetzen, die mit einiger Verantwortung verbunden sind. Olympen fanden sich ab Schwarz/Blau in den Uni-Räten (Friedrich Stefan), in Forschungseinrichtungen wie Seibersdorf (Martin Graf, Hans Rinnhofer, Alfred Wansch), und im Parlament (Graf, Harald Stefan, Robert Nemeth, Walter Asperl und bis Juni 2009 Sebastian Ploner) wieder. Dass die Olympia, wie etliche andere Burschenschaften auch, den 8. Mai (Kapitulation Nazi-Deutschlands) als „Tag der totalen Niederlage“ begehen,  zeigt, was von dieser Öffentlichkeitsarbeit zu halten ist. Aussagen, Taten und die Homepage der Olympia bleiben jedenfalls demaskierend genug, damit der Justizsprecher der SPÖ Johannes Jarolim gegen diese am 29.01.2010, dem Abend des Balls des Wiener Korperations-ringes (WKR), zu dem auch die Olympia gehört, eine Anzeige wegen des begründeten Verdachtes der „Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinn“ einbringt. 

 

AutorInnen: Alexander Emanuely