Mit KlassensprecherInnen gegen Studiengebühren

  • 11.12.2014, 23:08

Unabhängige Studierendenvertretung hat in Schottland lange Tradition. Trotzdem sind die „Student Unions“ in der Krise.

Unabhängige Studierendenvertretung hat in Schottland lange Tradition. Trotzdem sind die „Student Unions“ in der Krise.

Das altmodische Café und die elegante zweistöckige Library Bar sind zur Mittagszeit gut gefüllt, Lerngruppen und Studis schauen hier wegen dem günstigen Kaffee vorbei. Abends wird dann billiges Bier ausgeschenkt. Der Debattiersaal im Stock darüber wird regelmäßig zum Proberaum für die Jazz-Dance-Gruppe oder zum Sitzungszimmer für die Studierendenzeitung umfunktioniert. Dann sind da noch Proberäume für Bands, die Jazz Bar und das Dinner-Zimmer. Das viel genutzte Teviot Row House mitten am Campus der University of Edinburgh hat Symbolkraft: Es ist das älteste eigens für eine Studierendenverbindung errichtete Gebäude der Welt. Und die University of Edinburgh stellt mit der Edinburgh University Students Association (EUSA) auch die älteste Studierendenvertretung Großbritanniens – gegründet 1884.

Immer präsent. So präsent und zentral wie das Teviot-Gebäude ist auch die EUSA im Studi-Leben: EUSA-VertreterInnen sitzen in Gremien auf allen Ebenen der Uni-Organisation. Sogar jede Lehrveranstaltung wählt eine/n „Class Representative“, der/die sich regelmäßig mit Lehrenden des jeweiligen Institutes trifft. Dazu kommen die so genannten „liberation groups“, die etwa Frauen oder Minderheiten repräsentieren, und die Gremien der internationalen Studierenden und der Postgraduates. Freizeitaktivitäten werden in mehr als 200 Sport-Klubs und „Societies“ organisiert: von Theatergruppen, Chören und Buchklubs über Sprachlernoder Koch-Societies bis hin zum Volleyball-Klub. Kurz: Jeder und jede ist irgendwie mit dabei.

Auch EUSA-Präsidentin Briana Pegado und ihr Stellvertreter Dash Sekhar haben sich zunächst als „Class Reps“ und in den Societies engagiert. Die beiden sind für ein Jahr gewählt und können in dieser Zeit ihr Studium pausieren. Zurzeit bereiten sie zum Beispiel eine Kampagne für einen Gratis-Shuttle zum Medizin-Campus außerhalb der Stadt vor und organisieren das Edinburgh Student Arts Festival.

Die EUSA agiert dabei finanziell praktisch unabhängig von der Universität. Einnahmen kommen von den Bars im Teviot und einer eigenen Catering-Firma. Offiziell ist die EUSA eine Wohltätigkeitsorganisation mit einem Aufsichtsrat, der die Finanzen kontrolliert. „Dadurch sind wir komplett unabhängig“, sagt Briana. „Wir sind praktisch eine Firma“, meint Dash.

Nationale Ebene. So wie 700 weitere Studierendenvertretungen im gesamten Vereinigten Königreich hat sich auch die EUSA der britischen National Union of Students (NUS) angeschlossen. Das ist nicht selbstverständlich. Die Studierendenvertretungen von vier schottischen Unis, darunter die University of Glasgow und St. Andrews, sind nicht dabei. „Ich kann ehrlich gesagt nicht sagen warum“, sagt Robert Foster, Vize-Präsident von NUS Schottland und Student an der Caledonian University in Glasgow. „Für die Studierenden dieser Unis bedeutet das in erster Linie, dass sie nicht am demokratischen Prozess teilnehmen können.“ NUS lobbyiert etwa für finanzielle Unterstützung von Studierenden, für leistbare Unterkünfte, aber auch für Visa-Erleichterungen für internationale Studierende. Das geschieht teilweise auf nationalem Level, teilweise werden Untergruppen wie NUS Schottland oder NUS Nordirland alleine aktiv, je nachdem, welche Ebene der britischen Regierung zuständig ist. Visa-Fragen werden etwa in London entschieden, für das Bildungs-Budget ist aber seit 1999 das schottische Parlament verantwortlich.

„Ich kann mir vorstellen, dass es NUS Schottland vor 1999 schwer hatte“, sagt Robert. „Seit wir unsere eigene Regierung hier haben, haben wir besseren Zugang zu den Verantwortlichen. Wir können zum Beispiel einfacher Termine beim Bildungsminister bekommen. Das war mit Westminster schon alleine wegen der Distanz schwieriger.“ Und bisher hatte die NUS in Schottland auch Erfolg: Während englische Unis Studiengebühren in der Höhe von bis zu 9.000 Pfund pro Jahr verlangen dürfen, sind schottische Unis für EuropäerInnen gratis.

Ein weiterer Unterschied zu England ist, dass in englischen Studierendenvertretungen die traditionellen politischen Parteien mehr Einfluss haben. Dort treten etwa die Uni-Gruppen der Labour Party, der Tories, aber auch UKIP zu den Wahlen an. Robert hingegen gehört keiner Partei an. „Wir finden uns bei unterschiedlichen Themen in unterschiedlichen Fraktionen zusammen. Wir diskutieren ziemlich viel.“

Geringe Wahlbeteiligung. Dennoch macht auch der schottischen Studierendenvertretung Politikverdrossenheit zu schaffen. Gerade 27 Prozent der Studierenden haben bei der letzten Wahl ihre Stimme abgegeben. „Student Unions in ganz Großbritannien sind in der Krise“, meint Briana. Auch Robert hat dies schon bemerkt. „Viele Studierende sind zwar auf der Uni-Ebene in den Societies und als Class Reps engagiert, aber das heißt nicht, dass sie auch in der NUS aktiv werden.“ „Frustrierend daran ist, dass die Student Unions einen so großen Einfluss haben könnten“, sagt Briana.

Laut ihr ist das Problem, dass sich die NUS zu sehr in nicht-studentische Themen einmischt. „Ich glaube, dass sich hier viele Studierende distanziert haben. Es braucht VertreterInnen mit moderaten Ansichten, die offen für verschiedene Meinungen sind“, sagt Briana. Sie hat sogar bei ihrer Kandidatur damit geworben, sich mehr auf Studierenden-Themen konzentrieren zu wollen. „Deshalb habe ich gewonnen“, ist sie überzeugt. Dash ist anderer Ansicht: „Studierende sind Mitglieder der Gesellschaft und sind von allen möglichen Entscheidungen betroffen.“

Robert versucht indessen, Studierende auf anderem Wege zum Engagement zu bewegen. Jede/er, der/die etwas von der NUS kauft, bekommt regelmäßig Emails mit Infos und Umfragen. Er hofft, dass dadurch mehr Studierende darauf aufmerksam werden, dass es neben dem Café im Teviot auch noch die NUS gibt.

Magdalena Liedl studiert Zeitgeschichte und Anglistik an der Universität Wien und ist derzeit auf Auslandsjahr an der University of Edinburgh.

 

 

AutorInnen: Magdalena Liedl