Mehr als eine Autopanne.
Kurzfilme sind immer so eine Sache. Sind sie gut, wünscht man sich es dauerte länger, sind sie schlecht, fragt man sich ehrlich wie lange einem 20 Minuten erscheinen können.
„Die Überstellung“ von Regisseur Michael Grudsky findet dagegen die genau richtige Länge.
Irgendwo im Nirgendwo in der Wüste Negev steht Abu Sharif vor seiner letzten Überstellung bis seine Haftstrafe in zwei Wochen abgebüßt ist. Der junge Befehlshaber Erez versucht streng die Disziplin durchzusetzen, die seine untergebenen Soldaten vermissen lassen und eher kommod mit den Regeln und den Gefangenen umgehen.
Der Produzentin Nina Poschinski gelang es, Drehgenehmigungen in einem israelischen Gefängnis und in der Wüste Negev zu bekommen, was sich in der bemerkenswertenCinemateographie widerspiegelt. Im Niemandsland der Wüste taucht eine Festung der Überwachung auf, die abgelöst wird von bombastischen Weitwinkelaufnahmen der Wüste auf der Fahrt in Abu Sharifs letzten Gefängnisaufenthalt Megiddo. Als dann plötzlich der Wagen einen Motorschaden hat, geraten die Soldaten in eine Ausnahmesituation. Abu Sharif ist Automechaniker, darf aber laut Erez weder seine Handschellen ablegen noch den Wagen berühren. Es scheint Erez einziger Halt, in einer aus den Fugen geratenen Situation streng nach Vorschrift vorzugehen. Erst als der Fahrer durch sein Asthma in eine lebensbedrohliche Situation zu kommen droht, lässt Erez es zu, Hilfe von dem Mann anzunehmen, von dem er nur Schaden erwartet. Abu Sharif hilft und schafft so einen kurzen Moment der Kameraderie auf der Weiterfahrt. Es wird über Autos und Zigaretten geredet und gelacht. Der normale tägliche Wahnsinn dringt jedoch über das Radio ein, das einen Terroranschlag in Ashkelon meldet, der Heimatort eines der Soldaten, der panisch seine Freundin anruft. Die Rollen sind wieder klar verteilt und alles was bleibt, ist Schweigen.
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Es ist die Unmöglichkeit von Freundschaft und Frieden in einer ausweglosen Situation, die den Nahostkonflikt im kleinen Rahmen der Autofahrt spiegelt. Die Schuldfrage bleibt nicht unbeantwortet: Es ist der Terrorismus der Feinde Israels, die eine Normalität verhindert. Die Fronten sind wieder geklärt, hier ein (ehemaliges) Mitglied einer islamistischen Gruppe, dort Soldaten, die ihren Dienst tun und doch nicht ihre Liebsten zu schützen vermögen, wenn Terrorist*innen attackieren.
Bemerkenswert war auch eine Frage des Moderators im Publikumsgespräch. Der Film sei ja durchaus kritisch gegenüber Israel (der Regisseur merkte hier an, dass er dies nicht so sehe), ob dieser dann überhaupt in Israel zum Beispiel im Rahmen eines Festivals zeigen könne. Hier zeigt sich ein Bild von Israel, dass selbst vor der Kulturszene nicht Halt macht: Israel lasse keine Kritik an seiner Politik zu. Der Regisseur musste den Moderator erst darauf hinweisen, dass es in Israel keine Zensur gibt und durchaus noch viel kritischere Filme in Israel gezeigt werden.
Die Überstellung, DE 2017 | Hebr. mit dt. UT |23 Minuten
Anne Marie Faisst schreibt (nicht) ihre Masterarbeit in Internationale Entwicklung sondern stattdessen Filmkritiken von der #Diagonale17 in Graz.