Kollektivierung und Organisierung: Die Frauen_Ideen_Fabrik 2015
Am 25. 4. hat zum zweiten Mal die Frauen_Ideen_Fabrik der Österreichischen Hochschüler*innenschaft stattgefunden. Im Rahmen von Vorträgen, Diskussionsrunden und Workshops sollte jungen Wissenschaftlerinnen* die Möglichkeit geboten werden, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen.
Am 25. 4. hat zum zweiten Mal die Frauen_Ideen_Fabrik der Österreichischen Hochschüler*innenschaft stattgefunden. Im Rahmen von Vorträgen, Diskussionsrunden und Workshops sollte jungen Wissenschaftlerinnen* die Möglichkeit geboten werden, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen.
Das Stimmengewirr im Hörsaal verstummt, als Dagmar Fink sich setzt und ihre Unterlagen ordnet. „Ich arbeite seit 20 Jahren in der feministischen Wissenschaft“, beginnt sie zu erzählen. „Doch Frauen bekommen oft die Botschaft, dass sie in den höheren wissenschaftlichen Rängen nichts zu suchen haben.“ Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin im Bereich der Gender Studies unterrichtet an mehreren Universitäten in Österreich und Deutschland. „Wissenschaft hat sich als Metier des männlich, weißen, heterosexuellen Europäers etabliert“, erklärt sie den etwa 30 Frauen*, die an den U-förmig angeordneten blauen Tischen sitzen. Die Studentinnen* hören interessiert zu, manche machen sich Notizen, als säßen sie tatsächlich in einer Vorlesung. Den Rahmen für Finks Vortrag bietet jedoch die Frauen_Ideen_Fabrik, eine von der ÖH organisierte Veranstaltung.
Trotz des schönen Wetters an diesem Samstag haben sich einige Frauen* im Teaching Center der Wirtschaftsuniversität Wien eingefunden, um an den Vorträgen und Workshops teilzunehmen. Birgit studiert IBWL an der WU. „Schon allein aus Network-Gründen ist es sehr förderlich, hierher zu kommen und mehr über Frauen in der Wissenschaft zu erfahren“, erklärt sie. Außerdem hofft sie, dass das Bewusstsein für genderbezogene Themen an der WU durch die Veranstaltung gefördert wird – jetzt, wo die Frauen_Ideen_Fabrik dort stattfindet.
Auch die Veranstalterinnen* betonen die Wichtigkeit, sich als Wissenschaftlerin* in einem Kollektiv zu organisieren: Ziel der Frauen_Ideen_Fabrik sei es, jungen Wissenschaftlerinnen* einen Raum zu bieten, sich zu vernetzen. „Nur sieben Prozent der Professor_innen an österreichischen Hochschulen sind Frauen. Und das, obwohl Frauen mit einem Anteil von 54 Prozent mehr als die Hälfte aller Studierenden in Österreich darstellen“, erklärt Julia Freidl in ihrer Willkommensrede. Gegen diese Strukturen wollen sich die Organisatorinnen der Frauen_Ideen_Fabrik einsetzen.
WISSENSCHAFTLICHES KAFFEEHAUS. Nach der Begrüßung und dem Vortrag von Dagmar Fink bekommen die Studentinnen* im Rahmen eines „Wissenschaftlichen Kaffeehauses“ die Möglichkeit, eigene Erfahrungen auszutauschen. In Kleingruppen von ca. zehn Personen und mit Kaffee und Kuchen ausgerüstet erzählen sich die Studentinnen* von eigenen wissenschaftlichen Arbeiten, ihren Forschungsvorhaben und den Problemen, mit denen sie dabei konfrontiert sind. Die Themen und Disziplinen der Arbeiten sind so vielfältig wie die Teilnehmerinnen* selbst: Von einer Konfliktanalyse rund um die Privatisierung einer rumänischen Goldmine bis zum Entwurf einer Computersteuerung in Form eines Quietschballs – ob nun in Form einer Seminararbeit oder einer Dissertation – sind verschiedenste Forschungsthemen vertreten. Obwohl die Teilnehmerinnen* meist aus sehr unterschiedlichen Fachrichtungen kommen, geben sie sich gegenseitig Tipps zum weiteren Schreib- und Forschungsprozess ihrer Arbeiten.
SCHREIB-OUTFIT. Nach einer einstündigen Mittagspause werden die Teilnehmerinnen* in verschiedene Workshops eingeteilt. Zwei davon konzentrieren sich auf Geistes- und Sozialwissenschaften sowie auf den Schreibprozess selbst, andere Workshopleiterinnen* beschäftigen sich mit Ökonomie, Naturwissenschaften, technischen Studien, Sprachwissenschaften und pädagogischen Studien. Auf diese Weise sollen möglichst viele Studienrichtungen abgedeckt werden, sodass sich die Teilnehmerinnen* Unterstützung von Workshopleiterinnen* und Peers aus Fachrichtungen holen können, die ihrer eigenen möglichst entsprechen. Meist werden Themen behandelt, die mit Gender-Themen an sich gar nichts zu tun haben: So werden Lesetechniken, Arbeitsziele, Schreibblockaden oder Zitationsprogramme behandelt. „Muss ich zum Schreiben spezielle Kleidung anhaben?“ ist beispielsweise eine der Fragen, die im Workshop zum wissenschaftlichen Schreiben besprochen werden.
BANDEN BILDEN! „Something will go wrong“, betont Mirah Gary, Workshopleiterin im Bereich technische Studien. Man dürfe sich vor Fehlern und Schwächen nicht fürchten und auch nicht davor, um Unterstützung zu bitten. Im Gegenteil. Man solle sich trauen, viele Fehler zu begehen. Alyssa Schneebaum, Ökonomie-Workshopleiterin, meint, dass man nicht ständig nur über Frauen in der Wissenschaft reden dürfe, sondern hauptsächlich und vor allem Wissenschaft betreiben solle. Einen Anstoß dazu hat die Frauen_Ideen_Fabrik in den Augen der meisten Teilnehmerinnen gegeben. Ein weiterer wichtiger Aspekt für viele war jener der Vernetzung und des Bandenbildens. „Um als freie Wissenschaftlerin existieren zu können, brauche ich Kollektivierung und Organisierung“, sagt Dagmar Fink in ihrem Vortrag. Unser momentanes Verständnis von Wissenschaft und die daraus resultierenden sexistischen Strukturen seien situativ und veränderbar. „Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen. Und das kann man nicht alleine.“
Patricia Urban studiert Kultur- und Sozialanthropologie und Publizistik an der Universität Wien.