Klagen auf Unterhalt
Marode Unis, auseinanderfallende Hörsäle, kein Anspruch auf Studienbeihilfe, zu viele Jobs gleichzeitig? Das sind Probleme, mit denen sich die meisten Studierenden auseinandersetzen müssen. Was aber, wenn zusätzlich noch ein Elternteil keinen Unterhalt mehr bezahlt?
Marode Unis, auseinanderfallende Hörsäle, kein Anspruch auf Studienbeihilfe, zu viele Jobs gleichzeitig? Das sind Probleme, mit denen sich die meisten Studierenden auseinandersetzen müssen. Was aber, wenn zusätzlich noch ein Elternteil keinen Unterhalt mehr bezahlt?
Den eigenen Vater auf Unterhalt klagen? Für den 24-jährigen Florian Bergmaier, Student an der FH Wien, ein notwendiges Übel. Seit zwei Jahren versucht er seine Ansprüche auf Unterhalt vor Gericht durchzusetzen. Was aber, wenn es umgekehrt läuft und der eigene Vater die Einstellung der Unterhaltszahlungen beantragt? Angela Libal, Studentin an der Universität Wien, hat genau hiermit zu kämpfen. In Österreich sind das keine Einzelfälle und trotzdem sind sie exemplarisch dafür, was im österreichischen Unterhalts- und Beihilfensystem falsch läuft. Doch was genau läuft hier schief? Um sicher gehen zu können, dass auch das nächste Semester eine Lebensgrundlage findet, sind Fragen über das finanzielle Auslangen eine Voraussetzung für ein Studium. Was aber, wenn das volle Geldbörsl nicht einfach nur erarbeitet, sondern auch vor Gericht erstritten werden muss? Eines steht jedenfalls fest: Wer in Österreich keinen Unterhalt von den eigenen Eltern bekommt, hat es nicht besonders einfach.
Das österreichische Unterhalts- und Beihilfensystem geht davon aus, dass Eltern ihre Kinder, wenn diese sich für ein Studium entscheiden, auch materiell und finanziell unterstützen. So wird bei einem Antrag auf Studienbeihilfe etwa das Einkommen der Eltern herangezogen, um einen Anspruch festzustellen. Verdient ein Elternteil zu viel, so wird keine Beihilfe gewährt. Ob das bedeutet, dass beide Elternteile den Unterhalt auch wirklich leisten, ist damit noch nicht gesagt. Anderseits werden bei der Berechnung der Studienbeihilfe auch die Schulden oder andere finanzielle Verpflichtungen der Eltern nicht betrachtet. Auf eine Leistung haben aber alle Studierende bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres Anspruch: Die Familienbeihilfe. Die Beihilfen für Studierende sind in Österreich auf dem einen oder anderen Weg mit dem Elternhaus verknüpft. Was, wenn es hier zu Problemen mit den eigenen Eltern kommt? Was, wenn ein Elternteil seiner oder ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommt?
Florian ist genau das passiert. Er studiert an der FH Wien Bauingenieurswesen. 2008 begann er sein Bachelor-Studium, das er auch in Mindeststudienzeit absolviert hat, mittlerweile belegt er den Master- Studiengang. Ein Vollzeitstudium. Studienbeihilfe erhält Florian nicht wegen dem angeblich zu hohen Einkommen der Eltern. Für diesen Fall nimmt das Studienförderungsgesetz an, dass beide Eltern ihn ausreichend unterstützen werden, damit er sein Studium zielstrebig bestreiten kann. Die Realität sieht anders aus. Zwar wird der Student nach allen Kräften sowohl von der Mutter als auch von anderen Verwandten unterstützt, der Vater hingegen hat sich hier ausgeklinkt. Die Argumentation dahinter: Der Sohn hätte mit einem HTL-Abschluss eine ausreichende Ausbildung und müsse demnach für seinen Unterhalt selbst sorgen. Bei einem Vollzeit-Studium, noch dazu an einer FH, dürfte es wenig überraschen, dass ein zusätzlicher Nebenjob nur schwer bis nicht machbar ist. Damit er den Unterhalt von seinem Vater doch noch bekommt, hat sich Florian entschieden, vor Gericht sein Recht einzuklagen. In erster Instanz hat er vom Bezirksgericht auch Recht bekommen, der Vater hat dagegen aber Berufung eingelegt. Das Verfahren zieht sich nun schon seit zwei Jahren. „Das Recht bewegt sich in diesem Bereich in einer Mühle wo der Studierende in der Mitte durchfällt. Die einen (Stipendienstelle, Anm.) sagen, die Eltern verdienen zu gut, wir müssen uns an bestimmte Richtwerte halten. Die Eltern, wenn sie sich ausklinken wollen, sagen: ‚Na geh halt arbeiten’“, fasst Florian den gerichtlichen Streit mit seinem Vater im Kontext der staatlichen Studienförderung zusammen.
Familienidyll? Für Fälle, bei denen ein Elternteil seiner oder ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommt, gibt es zumindest für Minderjährige eine Zwischenlösung. Das Unterhaltsvorschussgesetz sieht hier eine Möglichkeit vor, in welcher der Staat den Unterhalt des Elternteils vorschießt und sich diesen zugleich von der unterhaltspflichtigen Person zurückholt, ganz ohne langwierige Gerichtsverfahren. Studierende haben diese Möglichkeit jedoch nicht.
Probleme mit dem Unterhalt eines Elternteils können aber auch unter umgekehrten Vorzeichen auftreten. „Das mit den Alimenten ist so eine unendliche Geschichte“, sagt Angela Libal (24). Sie weiß, wovon sie spricht. Die Kunstgeschichte-Studentin hat ebenfalls keinen Anspruch auf Studienbeihilfe, wieder mit der Begründung, die Eltern würden zu viel verdienen. Auch hier will der Vater das Studium der Tochter nicht unterstützten und hat die Aussetzung der Unterhaltspflicht beantragt, mit der Begründung, die Tochter würde ihr Studium nicht zielstrebig bestreiten. Der Antrag des Vaters läuft noch. Zwar bezahlt er den Unterhalt einstweilen noch, wie lange das so bleiben wird, ist jedoch fraglich. Angela ist neben ihrem Studium in der Studierendenvertretung aktiv. Um sich ihren Lebensunterhalt halbwegs leisten und ihr Studium finanzieren zu können, arbeitet sie nebenbei in der Gastronomie. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie ein Semester lang ihr Studium aussetzen und ist trotzdem gerade dabei, den ersten Abschnitt abzuschließen. „Das sind klassische Gummiparagraphen. Ein Studium zielstrebig zu betreiben, was genau bedeutet das? Schlussendlich bleibt die Interpretation von Zielstrebigkeit jenen überlassen, die über meinen Unterhaltsanspruch entscheiden“, sagt Angela. Sollte ihr Vater tatsächlich Recht bekommen, ist anzunehmen, dass sich ihr Studien- und Arbeitsalltag drastisch verändern wird.
Der gesetzliche Rahmen, der Fälle wie jene von Angela oder Florian möglich macht, scheint von einem idyllischen Familienbild geprägt zu sein. Ein zynisches ist es zugleich. Frei nach dem Prinzip „Mitgehangen mitgefangen“ werden die Voraussetzungen der Bildungsentscheidungen von jungen Menschen an die Bande der Familie gebunden.
Zwei Mühlen rädern hier gleichzeitig und gegeneinander. Einerseits sollen Studierende ihr Studium möglichst schnell mit einem möglichst guten Erfolg abschließen. Anderseits sind sie dabei auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Fällt diese weg, sind Nebenjobs unvermeidlich. Wer jedoch mehr arbeiten muss, kommt wahrscheinlich auch langsamer im Studium voran. Wer Prüfungsnachweise nicht rechtzeitig erbringen kann, dem droht ein Verlust von Beihilfen, was wiederum mehr Arbeit bedeutet. Vom Mühsal, sich dabei vielleicht auch noch mit einem Gerichtsverfahren beschäftigen zu müssen, ganz zu schweigen.
Was tun? An eine grundlegende Reform des Beihilfensystems in Österreich wird selten gedacht. Einen, wenn auch recht kleinen, Schritt will nun aber zumindest die Partei der Grünen gehen. Um bei Problemen mit Eltern, die der Unterhaltspflicht nicht nachkommen, entgegenzuwirken, ist ein Entschließungsantrag zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes geplant. Dieser soll womöglich in einen der nächsten Justizausschüsse des Parlaments eingebracht werden und die Regierung mit der Vorlage einer Änderung zum entsprechenden Gesetz beauftragen. Eine Änderungen, die es etwa ermöglichen könnte, dass der staatliche Unterhaltsvorschuss künftig auf Studierende ausgedehnt wird. Das könnte lange Verfahren vor Gericht für Studierende künftig abkürzen. Was aus diesem Vorstoß wird, bleibt abzuwarten.
Die Frage bleibt jedoch, wie das Problem im Kern gelöst werden kann. Zumindest am Rande wird immer wieder über eine Vereinheitlichung des Beihilfensystems, sowie dessen Entkopplung vom Elternhaushalt diskutiert. Eine Vorlage auf Grund derer diskutiert werden könnte, gäbe es ja bereits – die Grundsicherung.