Integration, die durch den Magen geht
Am 17. Februar wurde am Meidlinger Markt in Wien ein neues Lokal eröffnet: Purple Eat wird von einem Verein zur Unterstützung ehemaliger AsylwerberInnen betrieben. Serviert werden Speisen aus den Herkunftsländern der MigrantInnen. Ein Lokalaugenschein.
Zwei alte Männer sitzen vor einem Marktstand und rauchen. Hin und wieder wechseln sie ein Wort miteinander. Von fern trägt der Wind die Klänge eines Lieds herbei, das im Radio gespielt wird. Der Geruch von Essen erfüllt die Luft, und immer wieder ist das Klappern und Klirren von Geschirr zu hören. Die Zeit scheint träge zu vergehen an diesem sonnigen Nachmittag am Meidlinger Markt. Vor einem der Stände steht eine Tafel, die in knallrosa Lettern die Tagesspeise verkündet: „Krautrouladen (vegetarisch
oder mit Bio-Rind)“. Die Fassade des dazugehörigen Lokals ist violett – passend zu seinem Namen: Purple Eat. Aber nicht nur die Farbe des Standes hebt ihn von seiner Umgebung ab. Hinter Purple Eat steht ein besonderes Konzept. Das Lokal wird von Purple Sheep betrieben, einem Verein zur Unterstützung ehemaliger AsylwerberInnen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist. „Die Leute kommen alle ganz kurz vor der Abschiebung zu uns“, erklärt Kurosch Allahyari, Obmann von Purple Sheep. Es sind Menschen, die
schon seit Jahren in Österreich leben, deren Kinder hier zur Schule gehen und FreundInnen hier haben. „Wenn der Staat so lange braucht, um ein Asylverfahren zu entscheiden, und die Leute gut integriert sind, dann sollten sie hier bleiben dürfen“, sagt Allahyari.
In der Regel ist das aber nicht der Fall. Deshalb bringt Purple Sheep Menschen in dieser Situation im Freunde Schützen Haus unter und kämpft mit ihnen gemeinsam darum, eine Niederlassungsbewilligung zu erwirken.
Alle helfen, wo sie können.
Zudem betreiben die ehemaligen AsylwerberInnen gemeinsam mit den MitarbeiterInnen von Purple Sheep nun eben auch ein Lokal. Frau Recepi arbeitet in der Küche mit. Sie wohnt seit zwei Jahren im Freunde Schützen Haus, zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern. Vor sieben Jahren ist sie aus Mazedonien nach Österreich gekommen. Sie hat in St. Pölten gelebt, bis ihr Asylantrag
abgelehnt wurde. Der Verein versucht die Abschiebung zu bekämpfen. „Wir nehmen die Personen ins Haus auf und lassen den Fall über das Innenministerium noch einmal überprüfen“, sagt Kurosch Allahyari. Dennoch dauert es meist zweieinhalb Jahre, bis die Leute Bleiberecht erhalten. „Aber es hat bisher noch keine Abschiebung bei uns gegeben. Alle Fälle, die wir aufgenommen haben, sind auch durchgegangen.“ Bei Frau Recepi ist das bisher noch nicht gelungen. Sie kocht seit der Eröffnung von Purple Eat im Stand. „Sonntags koche ich nicht, und dann freue ich mich immer schon auf Montag. Ich liebe die Arbeit“, erzählt sie lachend. Auch ihr Mann hilft bei Purple Eat mit. „Alle, die können, sind eingeteilt“, sagt Kurosch Allahyari. Die Idee für das Lokal entstand durch Feste im Freunde Schützen Haus, bei denen die Gäste von der internationalen Kost begeistert waren. Daraufhin hat der Verein begonnen Catering anzubieten, und schließlich wurde der Stand am Meidlinger Markt eröffnet. „Wir werden von der Umgebung und den Menschen am Markt sehr freundlich aufgenommen. Alle helfen, wo sie können“, berichtet Kurosch Allahyari erfreut.
Finanziert wird Purple Eat unter anderem durch Spenden. Der Stand wird von Bauträger Hans Jörg Ulreich, der auch das Freunde Schützen Haus mitbegründet hat, zur Verfügung gestellt und auch bei den Nahrungsmitteln wird der Verein unterstützt. „Anders könnten wir das nicht machen und auch den Preis nicht halten. Wir haben vor allem bei den Fleisch- und Milchprodukten nur Bioprodukte und bei den Weinen auch“, erklärt Kurosch Allahyari. „Das Weingut Heinrich stellt uns alles kostenlos zur Verfügung, unser Fleisch bekommen wir gratis von Bioviertel. Genauso verhält es sich mit dem Kaffee von Grandoro.“ Insgesamt hat Purple Eat dadurch relativ geringe Ausgaben. Nur auf diese Weise kann das Lokal ein Menü um sieben Euro anbieten.
Integration einmal anders.
Und tatsächlich scheint das Konzept gut zu funktionieren. Der Stand ist liebevoll gestaltet. In den Fenstern stehen Kräuter, vom Dach baumelt die Figur eines Raben im Wind. Vor dem Lokal sind mehrere hellgrüne und weiße Tische verteilt, manche durch bunte
Blumentöpfe verziert. Momentan ist nicht viel los, nur drei der Tische sind besetzt, doch zur Mittagszeit ist das anders. „Die Leute warten, bis ein Tisch frei wird oder setzen sich zu anderen dazu“, erzählt Kurosch Allahyari stolz. Das Essen kommt bei den Gästen
sehr gut an. Heute gibt es mazedonische Krautrouladen und Blattsalat. Als Vorspeise werden Linsen mit Schafskäse und dazu Gebäck serviert, und als Dessert gibt es Blätterteigtaschen mit Cremefüllung. Frau Recepi hat die Krautrouladen auch in ihrem Herkunftsland gekocht. Dabei wird Weißkraut mit Bio-Rindfleisch (optional), Champignons, Zwiebeln und Reis gefüllt, gekocht und mit schwarzem Pfeffer gewürzt. Dazu kommen Dille und Tomatensauce sowie Kartoffeln.
Besonders ist das Essen, das bei Purple Eat serviert wird, vor allem auch, weil es auf traditionelle Weise zubereitet wird. „Wir sagen den Leuten, die kochen, dass sie nicht versuchen sollen, die Rezepte in irgendeiner Weise an den österreichischen Geschmack anzupassen“, erklärt Kurosch Allahyari. Es werden bunt gemischt Speisen aus verschiedenen Ländern präsentiert, immer eine vegetarische Version und eine mit Fleisch. Das Ziel sei, ÖsterreicherInnen an andere Kulturen heranzuführen und gleichzeitig einen Ort zu schaffen, an dem die ehemaligen AsylwerberInnen mit den hier Ansässigen in Kontakt treten können. „Wir wollen Integration von einer anderen Richtung aufziehen. Es soll nicht darum gehen, dass die Ausländer endlich Deutsch lernen, sich integrieren und Leistungen erbringen. Sie sollen das tun können, was sie möchten.“ Frau Recepis Kinder spielen vor dem Lokal. Ihr Lachen wird nur durch den Wind unterbrochen, der hin und wieder die Tür des Stands mit einem lauten Knall zuschlägt. Momentan wird die Abschiebung der Familie Recepi vorbereitet. „Wir werden das nicht zulassen“, sagt Kurosch Allahyari. „Die Familie Recepi bleibt auf jeden Fall in Österreich.“
Patricia Urban studiert Kultur- und Sozialanthropologie und Publizistik an der Universität Wien.