Hass und Politik

  • 16.01.2018, 10:27
Unterhaltsame Videos machten Michael Buchinger zum Vollzeit-Youtuber. Wir haben uns mit ihm getroffen, um über Hass im Netz, Politik und seine berufliche Zukunft zu plaudern.

progess: Du wurdest unter anderem mit deinen Hass-Listen bekannt. Nun wird von allen Seiten gegen Hass im Netz protestiert. Wie stehst du dazu?

Michael Buchinger: Also für mich sind das zwei verschiedene Dinge. Der Hass, den ich verbreite, bezieht sich auf sehr oberflächliche Dinge, die ich nervig finde. Die Leute sind auch selten böse, wenn ich über Dinge herumhasse, weil das sind sehr oft Dinge, die sie selbst kennen oder schon erlebt haben. Aber so richtiger Hass im Netz ist natürlich ein Problem. Ich frage mich, was man dagegen machen könnte. Ich denke, das Standard-Forum sollte genauere Richtlinien haben (lacht) und Facebook vermutlich auch. Ich finde es schon schlimm und ich bin auch teilweise selbst Opfer des Hasses geworden, aber mir persönlich tut das nicht mehr so viel. Es gibt aber sicher Leute, die da sehr stark darunter leiden, denen schlimme Dinge gesagt werden, deren Adressen veröffentlicht werden und so weiter. Sowas ist mir zum Glück noch nicht passiert. Ich sehe das Wort Hass sehr differenziert. Ich habe das Wort für meine Videos gewählt, weil es polarisiert. Eigentlich könnte man die Hass-Liste auch „Dinge, die ich nervig finde“-Liste nennen, aber Hass-Liste klingt einfach besser. Hass ist natürlich nichts Gutes, aber für Comedy kann man ihn halt schon sehr gut einsetzen, zumindest wenn es nur um Oberflächliches geht.

 

Hass kann meiner Meinung nach ja auch etwas Positives sein, solange er sich gegen die richtigen Dinge richtet.

So ist es. Ich hasse Unfreundlichkeit und das ist doch eigentlich etwas Positives, weil eigentlich heißt das ja nur, dass ich Freundlichkeit mag.

 

Bekommst du auch negatives Feedback von Personen oder Unternehmen als Reaktion auf deinen Hass?

Kann schon sein, aber das ist mir dann auch relativ egal. Bei Personen wäre es mir nicht wurscht, aber ich versuche Leute, die Vorlage für meine Hass-Listen sind, zu anonymisieren: Ich ändere das Geschlecht, den Namen und alle Merkmale, an denen man sie erkennen könnte. Viele meiner Inhalte beziehen sich auf meinen Alltag und natürlich geht es in meinen Videos nicht nur um mich – da kommen selbstverständlich andere Leute vor und so kann es schon passieren, dass Leute sich wiedererkennen. Ich könnte die Leute natürlich vorher fragen, aber wie soll ich das machen, wenn es um etwas Negatives geht? Ich mache die Videos einfach immer in der Hoffnung, dass die betroffenen Personen es nie sehen oder sich zumindest nicht erkennen (lacht). Ich denke, es schauen doch mehr Leute, als ich es mir so vorstelle. Es ist oft schwierig, die Menschen hinter den Zahlen auf Youtube einzuschätzen. Ich denke manchmal gar nicht daran, dass Menschen aus meinem Umfeld hinter diesen Zahlen stecken. Ich habe zum Beispiel auch in meinem Buch ein Kapitel über eine Person geschrieben. Darin geht es um Freundschaften, die man beenden sollte, weil sie einfach niemanden mehr Spaß machen. Da habe ich mir dann schon gedacht: „Hm, was passiert, wenn diese Person das liest?“ Mein Fazit: Dann kennt sie zumindest die Wahrheit! Und solange es wirklich so ist, dass keine dritte Person die Person erkennt, um die es geht, ist es okay für mich.

 

Aber kommen die Personen dann nicht auf dich zu und sagen dir, dass sie es nicht okay finden, wenn du in deinen Videos oder im Buch über sie sprichst?

Nein, das ist noch nie passiert. Vielleicht hassen die Leute Konfrontationen genau so sehr wie ich. Manche Leute erzählen mir schon, dass sie sich wiedererkannt haben, aber sehen das dann eher positiv, freuen sich oder fühlen sich geehrt (lacht). Bei diesem einen Buchkapitel habe ich wirklich Sorge gehabt, aber ich versuche mein Leben jetzt neu zu leben und Personen ins Gesicht zu sagen, wenn ich ein Problem mit ihnen habe, also sollte es ja auch kein Problem sein, wenn ich es im Anschluss in einer Hass-Liste anspreche.

 

Was hasst du heute besonders?

Ich komme gerade aus der U-Bahn und da war eine Gruppe an Jugendlichen, die heimlich Fotos von mir gemacht haben. Das hasse ich sehr. Wenn die Person ein Foto von oder mit mir möchte, kann sie mich doch ansprechen. Aber das trauen sich viele einfach nicht. Das liegt vermutlich daran, dass ich den Ruf habe, ein Monster zu sein. Als ich dann von der U-Bahn hierher gegangen bin, ist ein Skateboarder hinter mir auf der Straße gefahren. Irgendwann hat er mich dann überholt, ist gegen eine Wand geprallt und gestürzt. Ich habe versucht nicht zu lachen, habe ihm das Skateboard gegeben und ihn gefragt, ob alles okay ist. Ich dachte mir, dass Gott ihn für sein Verhalten bestraft hat, weil er war so ein richtiger Rowdy. Skateboarder sollten doch am Gehsteig fahren, oder?

Ja.  

Siehst du! Es war noch dazu so ein älterer Mann. Als ich ihm das Skateboard gegeben habe, hat er gesagt: „Du bist doch dieser Blogger! Du machst das sehr gut!“ Aber ich glaube, das hat er nur aus Dankbarkeit gesagt. Diese zwei Dinge sind allein in den letzten 15 Minuten passiert. Schon wieder zwei Hass-Punkte gefunden!

Leute beschweren sich immer wieder, dass Youtuber_innen sich verkaufen würden. Wie begegnest du solchen Vorwürfen?

Ich habe da auch lange einen inneren Konflikt gehabt und bin dann in mich gegangen und hab mich gefragt, wann es vertretbar ist, sich zu verkaufen oder halt Werbung zu machen. Ich denke mir, solange es authentisch ist, ist es okay. Die Leute vergessen halt oft, dass die Bannerwerbung auf Youtube nicht so viel abwirft. Das ist wirklich relativ wenig – bei mir zumindest. Und dadurch, dass der Content nichts kostet, kann man ab und zu schon etwas machen, das bezahlt ist. Ich habe aber schon meine Prinzipien und lehne auch so um die 70% der Kooperationen ab. Aber ich muss damit halt meinen Alltag finanzieren. Die Leute betrachten Youtube einfach oft als Hobby und verstehen nicht, warum jemand Geld damit verdienen möchte. Für mich ist es halt mein Beruf und ich finde es selbst oft ulkig, weil das Berufsbild Youtuber_in gab es bis vor kurzem ja auch noch gar nicht. Ich habe mir in letzter Zeit schon oft gedacht, dass ich mir ein Leben als Werbefigur aufbaue (lacht). Ich versuche mich da aber auch ein bisschen umzuorientieren: Das Buch war eine gute Einnahmequelle und für 2018 ist eine Bühnenshow geplant. Man muss als Internetperson eben auch Geld verdienen – und Kooperationen bringen halt das meiste Geld. Die Bannerwerbung auf Youtube alleine wirft im Monat ungefähr 700 Euro ab, was nicht wenig ist, aber davon bleibt nach Abzug der Mietkosten nicht viel übrig. Ich gehe damit mittlerweile viel offener um, weil man merkt, dass es auch im Radio und Fernsehen Produktplatzierungen gibt, und es gibt kaum Podcasts, die ohne Sponsoren funktionieren und so weiter. Man kann halt nur versuchen, einen angemessenen Rahmen zu finden und für Geld nicht Sachen zu machen, die man nicht auch so machen würde. Das habe ich in der Vergangenheit auch schon getan, als ich noch ganz jung war, aber ich habe gelernt. Die perfekte Kooperation wäre natürlich, wenn mir jemand Geld für etwas anbietet, das ich sowieso gemacht hätte. Das war zum Beispiel bei der Kooperation mit Thalia der Fall, als ich einen Tag dort gearbeitet habe. Das hätte ich auch so gemacht, denn es ist einfach eine witzige Idee. Viele kommentieren bei meinen Videos Sachen wie „Bei dir ist auch nur noch Werbung!“, aber so viel Werbung ist es im Vergleich zum übrigen Content nicht. Youtuber_innen sind für viele die besten Freunde von nebenan und wenn die dann für etwas Geld bekommen, stellt das häufig ein Problem dar.

Dein Youtube-Channel ist kein besonders politischer, trotzdem reißt du ab und zu politische Themen an. Siehst du es als deine Pflicht, dich als Person mit großer Reichweite politisch zu äußern?

Die Leute sagen mir immer wieder, ich sei sehr politisch und sie finden auch viele meiner Videos sehr politisch. Ich sehe das gar nicht so (lacht). Wenn es Fragen gibt, äußere ich mich dazu, zum Beispiel warum ich es zulasse, dass vor meinen Videos Werbung der FPÖ läuft. Ich bin zwar keiner, der Wahlempfehlungen gibt oder Elefantenrunden analysiert – das wäre vielleicht auch einmal ganz lustig –, aber natürlich schwingt meine Überzeugung mit und man merkt, wie ich politisch gesinnt bin, wenn man meine Videos schaut. Ich find das sehr spannend, wie viele Leute zu mir sagen, ich sei so gesellschaftskritisch und meine Videos seien so politisch und ich denk mir nur „Hä?!“. Ich möchte mit meinen Videos fünf Minuten Realitätsflucht bieten und deshalb versuche ich die Politik eher fernzuhalten. Zum Beispiel wollte man, dass ich bei der Nationalratswahl Politiker_innen interviewe, aber das wäre mein größter Alptraum. Bei manchen Wahlen habe ich mich schon geäußert, aber nie so explizit. Ich finde, es ist wichtig, die Leute anzuregen, wählen zu gehen, aber ich möchte ihnen nicht vorschreiben, was sie wählen sollen. Ich sage dann halt immer: „Geh auf wahlkabine.at, da kommt dann raus, dass du die KPÖ wählen sollst!“ (lacht). Ich war letztens bei so einer Podiumsdiskussion zum Thema „Links, rechts oder bequem“ und die meinten, dass die Jungen sehr stark rechts gewählt haben. Stimmt das?

Ja.

Interessant. (Rollt mit den Augen)

Reden wir über etwas Schöneres: Wie wird deine berufliche Zukunft weitergehen?

Ich schreibe gerade mein zweites Buch – das kommt aber erst im Herbst 2018. Das Schreiben macht mir wirklich Spaß. Ich schreibe ja schon sehr lange, aber es wurde halt nie etwas publiziert – außer in ein paar Magazinen. Und ich wollte schon immer auf die Bühne, aber ich weiß halt nicht, ob das, was auf Youtube funktioniert, auch auf der Bühne funktioniert. Ich glaube, es ist rhetorisch etwas anderes, ob du ein fünfminütiges Video machst oder ob du eine 90-minütige Show machst. Deshalb möchte ich das zweite Buch als Aufhänger nehmen und so eine Mischung aus Lesung und Kabarett machen. Dann gibt es ein paar Fixpunkte, wo ich was vorlesen kann, was ja sehr einfach ist.

Na ja.

Nicht? Ich behaupte mal, dass ich meine eigenen Texte halbwegs gut vorlesen kann (lacht). Ich weiß aber noch nicht, ob es funktionieren wird, also ob ich es schaffe, die Jungen ins Kabarett zu locken. Man muss es halt jetzt schon für Winter 2018 planen – und dabei habe ich das Buch noch gar nicht geschrieben! Es ist halt alles sehr kompliziert, aber ich fühle mich mittlerweile schon sehr wohl auf der Bühne. Wird schon irgendwie gutgehen!

Danke, das war es schon!

Das war ja ein Quickie!

 

Interview mit Michael Buchinger vom 16.11.2017
Andrea Anderson studiert Publizistik und Zeitgeschichte.

AutorInnen: Andrea Anderson