Frisurloses FischFleisch
Häh, bi? Gibt's das noch? Und wenn ja, wo sind die richtigen bi-Personen? Über fehlende Labels und Revolution bi-Style Now.
„Is there a bisexual option available?“ – „No, sir, this option is no longer available since about last summer, due to several operational problems.“ Was in „The Lobster“ als düsterer Eingangsgag wirkt, ist für viele bisexuelle Personen keine Dystopie, sondern Realität. „Für mich als bi-Person interessiert sich kaum jemand besonders“, meint Anja. Die 26-jährige Soziale-Arbeit-Studentin sieht die mangelnde Aufmerksamkeit, die bi-Personen zu Teil wird, als eine Medaille mit zwei Seiten: „Positiv ist, dass man als bi-Person oft kein großes Outing hat. Negativ dagegen ist das klischeehafte Porno-Bild vieler Männer und die geringe Akzeptanz einiger lesbischer Frauen gegenüber bi-Frauen.“ Für Anja ist die Diskriminierung, die sie aus der lesbischen Szene erfährt, besonders verletzend. „Sprüche wie ‚Du bist nicht Fisch und nicht Fleisch‘, ‚Du bist irgendwas‘, ‚Jetzt sagst du, du bist bi, aber vermisst dann doch einen Mann‘ sind von lesbischen Frauen mir gegenüber oft gefallen“, so Anja.
LGT. Das Gefühl zu haben, als bi-Person weder in hetero- noch in homo-Räume zu passen, ist für viele schwierig. Sanna, 25, machte ähnliche Erfahrungen: „Bei LGBT-Treffen kamen negative Reaktionen, wenn klar wurde, dass ich bi bin. Ich persönlich muss nicht mit einem bi-Button rumlaufen, aber ich möchte als bi-Person nicht aus LGBT-Räumen ausgegrenzt und rausgedacht werden.“ Um mehr bi- Empowerment zu schaffen, startete Sanna während ihres Studiums Media and Culture Studies 2015 das Projekt „Still Loving BI“. Dafür entwickelte sie eine Kampagne mit Facebookpage, Twitteraccount und einer Superheld_innen-Fotoaktion. Neben fehlender Sichtbarkeit und Vorurteilen, gegen die bi-Personen ankämpfen, fiel Sanna im Zuge ihres Projekts auf, dass bi-Personen oft Zweifel bezüglich ihres bi-Lebens haben: „In vielen Gesprächen mit bi-Personen kam die Frage auf: Wer ist eigentlich richtig bi?“
BISEUDO. Ist eine bi-Frau, die mit einem Typen zusammen ist, oder eine Person, die auf non-binary Personen steht, überhaupt bi oder nur pseudo-bi? „Für mich heißt bi, auf mehr als ein und eventuell verschiedene Gender zu stehen. Egal, welche Gender das dann sind und welche Erfahrungen eins schon gemacht hat. Es geht darum, ob eins das Potential hat, auf verschiedene Leute zu stehen“, so Sanna. Shiri Eisner setzt sich in ihrem Buch „Bi: Notes for a Bisexual Revolution“ mit dieser von der bi-Aktivistin Robyn Ochs stammenden Definition und anderen auseinander. Sie bleibt aber nicht nur bei der Auseinandersetzung mit Stereotypen und bi-Feindlichkeit. Ausführlich arbeitet sie Monosexismus als Struktur heraus, die Personen, die auf nur ein Geschlecht stehen, privilegiert und nichtmonosexuelle Personen systematisch bestraft. Sei es, wenn es um Gesundheit, Job oder persönliche Beziehungen geht.
BI CLASSIC. Julia* möchte ihren Namen nicht preisgeben. Sie befürchtet ungewollt vor Familienmitgliedern und Arbeitgeber_innen als bi geoutet zu werden, falls ihr Name öffentlich wird. „Ich war im Juli auf der dritten European Bisexual Conference in Amsterdam. Dort haben mich andere Teilnehmer_innen vor Problemen am Arbeitsplatz gewarnt“, so Julia. Wenn die 23-Jährige sonst von der EuroBiCon, dem größten bi-Treffen Europas, erzählt, kommt sie ins Schwärmen: „Ich musste mich nicht einmal für meine Bisexualität rechtfertigen. Die EuroBiCon war für mich eine Bubble aus Glücklichkeit.“ Auf die Frage hin, ob dort ein „bi- Code“ zu beobachten gewesen sei, erwidert Julia: „Wie eine klassische bi-Person aussieht und lebt, war eine Frage der Konferenz. Der Schluss war jedoch: In der bi-Community gibt es keine stereotype bi-Person und wir wollen und brauchen für die Sichtbarkeit auch keine ‚eigenen‘ Codes.“ Julia sieht auch in ihrer lokalen bi-Gruppe „VisiBIlity Austria“ keine Ansätze dahingehend.
INCONSISTENT BI SLUT. Geht das überhaupt, bi leben ohne eigene bi-Frisur? Bei dem monatlichen Treffen der „VisiBIlity Austria“-Gruppe in Wien scheint das kein Thema zu sein. Die bi-Gruppe ist heterogen und groß. Zu jedem Treffen kommen zwanzig bis dreißig Leute und die Gruppe wächst. „Heute sind sechs oder sieben neue da. Dafür fehlen die alten Hasen“, schätzt ein Teilnehmer. „Die alten Hasen“ sind eine Handvoll bi-Personen, die im Sommer vor zwei Jahren „VisiBIlity“ gründeten. Das Ziel der Gruppe ist es „Netzwerk und Anlaufstelle für Bisexuelle und Pansexuelle in Österreich sowie deren Freund_innen/Angehörige/ Unterstützer_innen zu sein“. Beim Treffen sammeln die Anwesenden, „unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität“, Ideen für Locations für die Bi-Visibility-Day-Party, diskutieren Themen für zukünftige bi-Inputs und tauschen Lieblingsserien mit queeren Charakteren aus. Was etwas chaotisch daherkommt, ist aber auch flexibel und offen für Neues. Es gibt Picknicks, Wandertage und Spieleabende – aber auch eine gewisse Trägheit, Personen, die Deutsch als Zweitsprache sprechen, einzubinden. Die werden mit Snacks besänftigt. Dabei müssten bi-Personen nicht ruhig halten. Im Druck, der auf bi-Personen ausgeübt wird, indem sie als „unentschlossen“, „slutty“ oder „inexistent“ bezeichnet werden, zeigen sich indirekt gesellschaftliche Ängste. Gleichzeitig bedeutet dies, dass bi-Personen nicht nur das Potential haben, auf verschiedene Leute zu stehen; sie haben auch großes revolutionäres Potential. Wie Shiri Eisner schreibt: „While we address monosexism, biphobia, and bisexual erasure, we must also keep in mind that the very powers that oppress us also give us the crack through which to break the system.“
*Name von der Redaktion geändert
Marlene Brüggemann hat Philosophie an der Universität Wien studiert.