Feministische Gegenöffentlichkeit
Ein Blick hinter die Kulissen der an.schläge
Seit über 30 Jahren schreiben die an.schläge über politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen aus einer feministischen Perspektive. Wir haben die leitenden Redakteurinnen Lea Susemichel und Fiona Sara Schmidt interviewt.
progress: Warum ist euer Magazin ein alternatives Medium?
Lea Susemichel: Wir verstehen unser Magazin als feministische Gegenöffentlichkeit zum Male- und Mainstream, als wichtiges Korrektiv zu den etablierten Medien also. Dort geht es weder in den Redaktionen noch bei der Themensetzung geschlechtergerecht zu. Emanzipatorische Medienarbeit ist deshalb weiterhin unerlässlich und ich bin der festen Überzeugung, dass sie nicht wirkungslos bleibt. Feministische Medien können trotz kleiner Auflage und sehr überschaubarer Reichweite etwas bewirken. Sie setzen Themen, die über kurz oder lang von anderen Medien aufgegriffen werden, und sie verändern langfristig auch dort die Kriterien, was Nachrichtenwert hat, was als gewichtige und relevante Meldung gilt.
Wie finanziert ihr euch?
Susemichel: Wir bekommen Förderungen von der Wiener Frauenabteilung und gegenwärtig auch vom Frauenministerium. Letztere werden aber jährlich neu vergeben und sind in der Vergangenheit – unter Schwarz-Blau – auch schon komplett ausgefallen. Ein sehr großer Teil unserer Einnahmen stammt aus Abos, auf die wir unbedingt angewiesen sind. Der Einzelverkauf des Magazins trägt hingegen kaum zum Budget bei. Die Inserate sind auch seit Jahren rückläufig, zumal wir viele AnzeigenkundInnen aus politischen Gründen von vorneherein ausschließen und umgekehrt auch nur für wenige attraktiv sind.
Was für Abhängigkeiten ergeben sich aus eurem Finanzierungsmodell?
Susemichel: Wir lassen uns bei redaktionellen Entscheidungen grundsätzlich nicht von der Überlegung beeinflussen, wen welche Berichterstattung evtl. verärgern könnte. In unserer mehr als dreißigjährigen Geschichte haben wir zwar schon viele massive Anfeindungen und öffentliche Attacken von ÖVP und FPÖ erlebt, aber es wurde vonseiten der FördergeberInnen noch nie versucht, konkret Einfluss zu nehmen. Ich persönlich halte eine solide staatliche Medienförderung unter den gegenwärtig verfügbaren Optionen deshalb auch für einen Garanten größtmöglicher Unabhängigkeit, journalistischer Seriösität und Qualität. Es braucht unbedingt eine entsprechende Reform der Medienförderung, die eine Basisförderung auch für kritische kleine Medien vorsieht.
Erlebt ihr diese Abhängigkeiten als Widerspruch zu eurem Selbstbild?
Susemichel: Das Ansuchen um Förderungen ist ein hoher administrativer Aufwand, der viele unserer ohnehin begrenzten Ressourcen frisst. Aber politisch und inhaltlich gibt es keinen Widerspruch zu unserem Selbstverständnis, weil wir ja nicht von politischen Parteien gefördert werden. Und wir hatten bislang tatsächlich das Privileg, auch nie durch „unmoralische Angebote“ von AnzeigenkundInnen in Versuchung geführt worden zu sein – wir sind schlicht nicht interessant genug für sie. Als größten Widerspruch erleben wir stattdessen, dass zuwir als linkes, feministisches Medium entschieden gegen die Prekarisierung von Arbeitsbedingungen eintreten, gleichzeitig aber selbst unter sehr prekären Bedingungen arbeiten. Wir wollen Frauen fair und angemessen für ihre Arbeit bezahlen, können als prekäres Projekt aber eben nur kleine Honorare für Artikel bieten.
Braucht es noch Printmagazine im 21. Jahrhundert?
Schmidt: Magazine werden nach wie vor nachgefragt, junge Leser_innen wollen nicht ausschließlich online lesen. Neben Print sind für Magazine auch crossmediale Formate mit Bild/ Text/Video oder die grafische Aufbereitung von Daten interessant, mit der große Medien nun zaghaft experimentieren. Wir haben als feministisches Magazin eine Zielgruppe, die Frauen der Zweiten Frauenbewegung, die mit Print politisiert wurde, genauso ansprechen will wie feministische Digital Natives. Auch wenn einige feministische Zeitschriften in den letzten Jahren eingestellt wurden, ist das Interesse auf jeden Fall da und es entstehen im deutschsprachigen Raum neben Blogs auch ständig neue Zeitschriften und Zines.
Wie könnte die Zukunft alternativer Printmedien aussehen?
Schmidt: Die Übergänge im Print- und Onlinejournalismus werden immer fließender. Ich denke, grafisch ansprechend und hochwertig aufbereitete Beiträge im gedruckten Heft werden sich neben aktuellen Nachrichten online, wo die Leser_innen mitdiskutieren können, etablieren. Bei den Finanzierungsmodellen sind da aber weiterhin kreative Lösungen gefragt, gerade für alternative Medien, bei denen meist die Infrastruktur und das technische Wissen den Ideen hinterherhinken.
Viele alternative Medien bauen zum Teil auf ehrenamtlicher Arbeit auf. Wie ist das bei euch?
Schmidt: Unser Redaktionskollektiv ist ehrenamtlich neben der Lohnarbeit tätig, Sitzungen werden zum Beispiel nicht vergütet. Auch die Angestellten (wir teilen uns zu viert für die Redaktionsleitung und Verwaltung 1,5 Stellen) arbeiten über ihre bezahlten Stunden hinaus, wenn es notwendig ist. Meist unterstützt uns eine Praktikantin. Artikel und Fotos/Illustrationen werden bezahlt. Wir können als Non-profit-Medium leider keine marktüblichen Honorare bezahlen und schätzen es umso mehr, wenn freiberufliche Journalistinnen auch für uns tätig sind, weil sie unser Projekt unterstützen möchten. Positiv ist die relativ freie Zeiteinteilung der Redakteurinnen und dass man sich je nach Situation mehr oder weniger einbringen kann. Aufgaben wie das Layout machen inzwischen externe Mitarbeiterinnen, die das Projekt mit ihrem Know-how unterstützen.
Wo und wie kann man euch abonnieren?
Schmidt: Auf anschlaege.at/abo gibt es günstige Schnupper- und Jahresabos. Wir erscheinen achtmal pro Jahr und freuen uns über diese kontinuierliche Unterstützung.
Das Interview führte Joël Adami, er studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.