Eine schöne Zukunft?
Im vergangenen Jahr sind die Treibhausgasemissionen in Österreich gestiegen statt gesunken. Öster- reich verfehlt damit die EU-Klimaziele und muss ab 2021 Emissions-Zertifikate zukaufen. Das wird Milli- arden kosten, gab auch Bundesministerin Köstinger vor Kurzem zu. Aber die Klimakrise betrifft uns alle bereits jetzt. Im vergangenen Sommer hat die anhaltende Hitze vielen Landwirt_innen die Ernte gekostet, im Winter haben Muren und Lawinen gan- ze Landschaftsstriche verwüstet und die Hitzetoten der letzten Jahre zeigen, dass die Klimakrise auch unmittelbar Leben bedroht. Deshalb drängt sich die berechtigte Frage auf, warum wir nicht jetzt etwas tun.
EU-Klimaziele wurden verfehlt.
Jetzt können wir das Ruder noch herumreißen, um gemeinsam ein gutes und nachhaltiges Österreich zu bauen. Die Milliarden, die nun an die EU gehen, wären in Österreich gut investiert. Sie könnten einen Ausbau eines attraktiven, breit leistbaren öffentlichen Nah- und Fernverkehrsnetz finanzieren. Auch leistbare, erneuerbare Energie für alle wäre ein wichtiges Ziel um langfristig unabhängig von Öl, Kohle und Gas zu werden. Ölheizungen in Häusern müssen durch nachhaltigere Alternativen ersetzt werden. Gute Maßnahmen liegen bereits zu Hauf vor – ausgearbeitet von Wissenschafter_innen und NGOs sind sie öffentlich zugänglich und füllen die Schubladen aller Ministerien.
Viele Menschen sind über die Jahre aufgestanden und weitere stehen jetzt auf, um gemeinsam zu zeigen, dass es diese Veränderungen braucht und sie auch mitgetragen werden. Während die Hitze- und Dürrewelle des Sommers 2018 weite Teile Europas fest im Griff hatte, passierte am 20. August 2018 et- was Bemerkenswertes. Eine 15-jährige Schülerin na- mens Greta Thunberg setzte sich, statt in die Schule, vor den Schwedischen Reichstag in Stockholm. In ihrer Hand hielt sie ein Schild mit der Aufschrift: „Skolstrejk för klimatet“ („Schulstreik für das Kli- ma“). Welch enorme Resonanz diese einzelne Geste des Ungehorsams in der ganzen Welt haben würde, war damals niemandem klar: kaum ein dreiviertel Jahr später streiken bereits Hunderttausende junge Menschen und immer mehr Erwachsene auf der ganzen Welt jeden Freitag für das Klima – „FridaysForFuture“ war geboren.
EIn kleiner Akt des Widerstands.
Greta Thunberg hat mit ihrem kleinen Akt des Wider- stands einen Stein ins Rollen gebracht. Mittlerweile hat sich dieser Stein zu einer regelrechten Lawine ausgewachsen. Auch in Österreich streiken jeden Freitag hunderte Schüler_innen, Studierende und Erwachsene für eine mutige und ambitionierte Klimapolitik. Am 15. März – dem ersten weltwei- ten Klimastreik – waren 50.000 Menschen in ganz Österreich – 1,6 Millionen in 120 Ländern der Welt unterwegs. Wenn man verstehen will, was die jungen Menschen wollen, muss man genau zuhören: „Die Klimakrise könnte schon heute gelöst sein. Wir haben schon lange alle Fakten und alle Lösungen. Alles, was wir tun müssen ist aufwachen und es ändern.“ Vielleicht schaffen die jungen Menschen so endlich, was die Wissenschaft seit Jahrzehnten verzweifelt versucht: Die Welt wachzurütteln, bevor es zu spät ist.
Was die jungen Menschen vorbringen, ist nicht neu: ein Bericht von über 600 Forschern_innen – der IPCC Bericht – hat klare Vorgaben gemacht, was passieren muss, um eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen. Wir sind nicht mehr weit entfernt von den 1,5°C – der magische Grenze des Pariser Abkommens. 1,5°C Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur klingt zuerst nicht viel, aber der Unterschied zu 2°C ist ein verheerender: 23% mehr Menschen würden von extremer Hitze betrof- fen sein, 61 Millionen mehr Menschen von Wasser- knappheit, 20 Millionen von Fluten, Korallenriffe würden weitgehend verschwinden und viel mehr Arten ihren Lebensraum verlieren. Die bisherige Erwärmung beträgt bereits 1°C. In Österreich sind es sogar bereits 2°C. Es geht also nicht darum, die Erhitzung des Planeten aufzuhalten, sondern nur mehr darum, unsere Auswirkungen auf den Plane- ten so klein wie möglich zu halten. Machen wir so weiter, dann werden wir 3 oder 4°C Erwärmung herbeiführen – vermutlich ein point of no return.
Die Fakten liegen schon längst am Tisch.
Um die verheerendsten Folgen abzuwen- den gibt der IPCC Bericht klare Vorgaben: bis 2030 müssen Emissionen um 45% reduziert werden. Bis 2050 sollten wir nur mehr so viel Treibhausgase ausstoßen, wie auf natürliche Weise wieder aus der Atmosphäre gebunden werden können. Für dieses „net-zero“ Emissions-Szenario bleibt nicht viel Zeit. In Zukunftsszenarien werden außerdem wirkungs- volle Schritte in der Begrenzung der Klimakatas- trophe beleuchtet. Es braucht ein radikales Um- denken und mutige Schritte vor allem im Verkehr, der Landwirtschaft und im Energiesektor. Schaffen wir es nicht die nötigen Maßnahmen zu setzen, bedeutet das katastrophale Folgen für die meisten Menschen und das Leben auf der Erde - auch in Österreich. Es geht nun nicht mehr um politische Einstellungen. Es geht langfristig um das Überle- ben, um Ernährungssicherheit, um eine lebenswer- te Zukunft.
Weltweit werden deshalb immer mehr Werkzeuge in die Hand genommen, um gegen die Klimakrise vorzugehen. Mehrere Anklagen wurden gegen Staa- ten erhoben, die auf Kosten der Bevölkerung und zukünftiger Generationen übermäßig Treibhausgase emittieren.
Regierungsprogramme wurden geschrieben, in einigen Ländern wurden Klimanotstände ausge- rufen und Petitionen gestartet. Das Narrativ ist immer ein ähnliches: Wir müssen jetzt die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, die klimafreund- liches und nachhaltiges Handeln attraktiv und kostengünstig machen, während klima-schädliches Handeln erschwert wird. In Österreich wird es bald ein Volksbegehren geben, das sich genau diesem Anliegen verschreibt. Das Klimavolksbegehren wurde im Herbst 2018 initiiert. Seitdem haben sich online, aber auch auf den zwei Klimakonferenzen in Wien und Salzburg, viele Menschen aus der Zivilgesellschaft, Organisationen und Initiativen eingebracht. Diese werden nun mit Wissenschaf- ter_innen aus verschiedenen Bereichen geschärft.
Besteuerung von Treibhausgasen.
Eine der Maßnahmen mit dem größten Lenkungsef- fekt wäre eine Besteuerung von Treibhausgasen. Der Vorteil einer CO2-Steuer ist einerseits ein Anreiz
für die Industrie Emissionen zu senken, um zu hohe Ausgaben zu verhindern. Dadurch werden private Investitionen in Forschung und Ausbau von Energie- effizienz und Nachhaltigkeit gefördert. Außerdem würde ein Produkt seinem „wahren“ Preis näher kommen. Bisher zahlen wir alle – in Form von gesundheitlichen Einschränkungen, Klimakrise und Extremwettern – den Preis für übermäßigen Treibh- ausgasausstoß. Durch einen CO2 Preis würden diese Kosten sozusagen schon im Produkt sichtbar.
Treibhausgasemissionen zu besteuern ist keine neue Idee. Der Ökonom William Nordhaus wurde vergan- genes Jahr für seine Forschung zur CO2-Bepreisung gar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Im IPCC-Bericht fällt sein Name sechs Mal. Sogar der Interna- tionale Währungsfonds (IWF) hat sich zuletzt für die Einführung einer weltweiten CO2-Steuer zur Bekämpfung des Klimawandels ausgesprochen.
Es darf allerdings nicht bei einer reinen Besteuerung der Treibhausgase bleiben. Frankreich zeigt vor, was dann passieren würde: Die einkommensschwachen Schichten würden die Verteuerung von Produkten am meisten spüren und sie sind es auch, die meist außerhalb von Städten wohnen und auf das Auto angewiesen sind. Aber der Staat könnte mit den
neu gewonnenen Einnahmen hier positiv lenken. Eine Senkung von Steuern und Abgaben auf Arbeit für niedrige und mittlere Einkommen würde diese zum Beispiel entlasten und Anreize für neue Jobs zu schaffen. Außerdem kann das Geld für den Ausbau von öffentlichem Verkehr verwendet werden, der Senkung der Ticketpreise, oder in die Förderung erneuerbare Energien investiert werden.
Das alles zeigt eines: wir können durch die Verän- derungen, die es braucht, auch eine neue Vision einer Zukunft schaffen. Die Frage, die sich heute stellt, ist nicht nur, ob wir in Zukunft auf Öl, Kohle und Gas verzichten müssen, sondern auch, was wir dadurch gewinnen können. Und gewinnen können wir viel: frische, unverschmutzte Luft, gesunde Ge- wässer, Ernährungssicherheit, breit leistbaren und ausgebauten öffentlichen Verkehr, saubere Energie, widerstandsfähige Wälder und eine weitsichtige und funktionierende Wirtschaft. Deshalb müssen wir jetzt handeln! Gemeinsam!
Katharina Rogenhofer ist Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Sie studierte Biologie, Zoologie sowie Biodiversity, Conservation and Management in Wien und Oxford.
Klimavolksbegehren
Das Klimavolksbegehren wurde im Herbst 2018 initi- iert. Im März 2019 übernahm Katharina Rogenhofer die Leitung des Volksbegehrens, um es auf breite Beine zu stellen. Gerade werden die Forderungen ausgearbeitet, an einem neuen Auftritt geschliffen und die Unterstützungserklärungsphase vorbereitet. Freiwilligen-Teams in verschiedenen Bundesländern unterstüt- zen das Klimavolksbegehren bereits ehrenamtlich und leisten einen großen Beitrag zum Gelingen des Volksbegehrens. Es sollen auch weitere Regionalgruppen entstehen.
Fridays for Future.
FridaysForFuture ist eine von der Jugend ausgehende Bewegung, die alle Menschen anspricht und zusam- menbringt. Das Ziel der Bewegung ist die Einhaltung des 1,5°C-Ziels des Pariser Klimaabkommens und globale Klimagerechtigkeit. 26.800 Scientists for Future im deutschsprachigen Raum bestätigten zuletzt in einer Stellungnahme, dass die Sorgen der jungen Menschen um die Zukunft wissenschaftlich begründet sind. Mittlerweile solidarisieren sich mit Parents for Future, Teachers for Future, Artists for Future, Farmes
for Future weite Teile der Bevölkerung mit den Zielen von Fridays for Future und schaffen eine breite, gesellschaftliche Allianz für mutige Klimaschutzpolitik.