Eine Energiezufuhr
Was an den Studierenden-Protesten des Herbstes 2009 besonders ist.
Was an den Studierenden-Protesten des Herbstes 2009 besonders ist.
An den österreichischen Studierendenprotesten dieses Herbstes ist manches bemerkenswert. Das am wenigsten Bemerkenswerte ist noch, dass Studentinnen und Studenten den größten Hörsaal der Universität Wien besetzen, um damit gegen die Studienbedingungen zu protestieren, die sich sukzessive verschlechtern. Das kommt erstens häufiger vor und überschreitet meist eine bestimmte Dimension nicht und hat zweitens in der Regel auch keine sehr große Resonanz. Die Frage, die zu stellen ist, lautet daher: Was war diesmal anders? Was war diesmal besonders?
Ein Aspekt scheint das gesamte politische Setting in diesem Land zu sein. Es gibt eine chronische Unzufriedenheit damit, wie Politik in diesem Lande funktioniert. Man hat inkompetente Regierende, die irgendetwas tun, aber ganz sicher nicht auf die angemessene Weise über die Probleme des Landes reden oder sie gar zu lösen versuchen. Es gibt eine populistische Radauopposition, die deshalb von Erfolg zu Erfolg zieht. Man hat so ein Grundgefühl: Das gesamte Land ist auf der schiefen Bahn. Es muss sich etwas fundamental ändern. Jede Energiezufuhr für eine Veränderung ist zu begrüßen.
Letztendlich, so würde ich vermuten, war das auch eine Sekundärmotivation der Studierenden selbst, abseits ihrer konkreten Forderungen: so nicht länger regiert werden zu wollen. Aber diese Grundstimmung ist wesentlich für die öffentlichen Reaktionen auf die Proteste der Studierenden. Sie erfuhren sofort sehr viel Sympathie. So genannte „Prominente“ bekundeten ihre Solidarität, auch wichtige „Stützen der Gesellschaft“ verfolgten das Treiben mit (klammheimlicher) Freude. Die Stimmung war freundlich. Das bescherte den Protesten schnell eine Öffentlichkeit und Resonanz, die wiederum die Ausbreitung der Besetzungen auf andere Universitäten und auf andere Städte begünstigte.
Hinzu kommt die Virulenz des Bildungsthemas: Welche Bedeutung die Bildungsinstitutionen für eine faire Gesellschaft haben, wurde in den vergangenen Jahren in den politischen Diskursen stark thematisiert. Unser Bildungssystem – vom Kindergarten, von der Volksschule bis zu den Allgemeinbildenden Höheren Schulen – hält Unterprivilegierten Chancen vor. Es verweigert einem breiten Teil der Bevölkerung Lebenschancen und trägt zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte bei – etwa, indem es MigrantInnenkinder buchstäblich zu „geborenen VerliererInnen“ macht. Damit schadet es aber nicht nur den Betroffenen, sondern allen. Die Misere an den Hochschulen und Universitäten ist nur ein Aspekt einer veritablen Bildungsmisere. Dies wiederum machte die Probleme der Studierenden „anschlussfähig“ für ein viel umfassenderes Problembewusstsein.