Eine Depression ist ein fucking Event

  • 10.03.2014, 23:58

Was haben die ProtagonistInnen von Charlotte Roches Büchern und Serien wie About:Kate gemeinsam? Richtig, ihnen geht es nicht gut und sie machen deshalb Therapien. Ein Streifzug durch die Popwelt auf der Suche nach Geschichten über Manie und Macken.

Was haben die ProtagonistInnen von Charlotte Roches Büchern und Serien wie About:Kate gemeinsam? Richtig, ihnen geht es nicht gut und sie machen Therapien. Ein Streifzug durch die Popwelt auf der Suche nach Geschichten über Manie und Macken.

Uns Jungen geht es nicht gut. Uns wird unter anderem Überängstlichkeit, Überforderung, Unreife und Hedonismus nachgesagt. Irgendwie herrscht überall die Meinung, dass irgendetwas mit uns nicht stimmt. Wir sind schließlich jung und sollten gefälligst zufrieden sein. Aber wir sind es nicht. Mittlerweile wurden die für unsere Generation typischen psychischen Erkrankungen entlarvt: Sie reichen von Depressionen, Angststörungen bis hin zu Krisen aller Art, wie etwa der Quarter Life Crisis. Es ist in Anbetracht der schwierigen Umstände, wie der andauernd angespannten wirtschaftlichen Situation, nicht weiter verwunderlich, dass mehr junge Menschen als je zuvor mit psychischen Problemen konfrontiert sind und sich Hilfe bei TherapeutInnen suchen. Dies hängt möglicherweise aber auch mit einer voranschreitenden Enttabuisierung des Themas zusammen: Längst hat sich der Gang zum „shrink“ auch bei jungen Menschen etabliert. Viele reden über Probleme und reflektieren über die Traumata, über die ihre Eltern noch geschwiegen haben. Andere zweifeln an ihrer eigenen „Normalität“, sind verunsichert von den Erwartungen der Eltern oder der Gesellschaft und erdrückt vom zunehmendem Leistungsdruck. Die Schuld für das eigene Versagen wird dabei immer mehr bei sich selbst gesucht, statt in gesellschaftlichen Normen.

Diese Entwicklungen spiegelt sich auch in der Popkultur wider. Dort wimmelt es heute nur so von jungen Antihelden und -heldinnen mit kleineren und größeren Macken, die uns auch unsere eigene Unvollkommenheit regelmäßig vor Augen führen. Zum Beispiel dann, wenn die Serienfigur Kate oder die ProtagonistInnen aus der Jugendliteratur in Therapie gehen und dort über ihre Probleme reden. Dabei kommen ziemlich unterschiedliche Darstellungen von Therapie und Wahnsinn zustande. Hier also ein kleiner Streifzug durch die Welt des Pops.

Janna Nandzik: about:Kate (2013)

Die hippe Kunststudentin Kate weist sich an ihrem dreißigsten Geburtstag auf eigene Faust in eine psychiatrische Klinik ein. Irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Was genau, das weiß Kate aber selbst nicht. Zum fixen Alltag in der Klinik gehören Erlebnisse mit einem exzentrischen Pfleger und Kates eher schleppend verlaufende Therapie. Dabei wirkt Kates Therapeutin neurotischer als sie selbst und greift mitunter zu schwer ernstzunehmenden Methoden. In der Arte-Serie wechselt die Erzählperspektive immer wieder zwischen Kate als rebellischem Kind und der „erwachsenen“ Kate, die sich aber im Grunde kaum voneinander unterscheiden. Im Laufe der Serie bricht das, für Kates instabile Verfassung verantwortliche und tief in ihr schlummernde Trauma, langsam hervor. Stilistisch macht sich das an assoziativen, collageartigen Bildsequenzen – die an die Sendung ohne Namen erinnern – sowie dem immer wiederkehrenden, wuchtigen "Outro" der Band M83 fest.

Sarah Kuttner: Mängelexemplar (2011)

Selten wurde Therapie so hipp dargestellt wie in „Mängelexemplar“. „Eine Depression ist ein fucking Event“ – so beginnt Sarah Kuttners Roman, dessen Protagonistin, die Mittzwanzigerin Karo, ein typischer Charakter aus der Kreativ- und Eventbranche ist. Sie ist jung, flexibel, stylisch. Als sie ihren Job verliert und sich von ihrem Freund trennt, scheint ihr alles zu entgleiten. Sie hat Panikattacken und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Karo zieht daraufhin wieder zu ihrer Mutter zurück und fängt an zu einem Psychiater zu gehen. Ihrem Therapeuten, der sich laut Karo „wie ein Popstar gebärt“ und auf dessen Tisch stets eine Bionade steht, weiß sie sich anzuvertrauen. Neben der Erfahrung mit der Therapie und den kleinen Schritten zurück in die Normalität, umfasst Karos Geschichte auch das Thema Kindheitstrauma und Psychopharmaka: Der Schlüssel zu Karos Genesung ist letztendlich nicht das autogene Training, das die Protagonistin eher nervt statt ihr zu helfen, sondern Antidepressiva.

Charlotte Roche: Schossgebete (2011)

Die Grenzen zwischen Charlotte Roches’ eigenem Leben und dem der Protagonistin Elisabeth scheinen in Schoßgebete unklar zu sein. Es gibt viele Parallelen im Leben der beiden, zum Beispiel, dass bei einem Autounfall ihre Brüder ums Leben kamen und die Mutter schwer verletzt wurde. Die traumatisierte und manische Elisabeth sucht Trost im Sex und redet darüber mit Frau Drescher, ihrer Therapeutin. Diese besucht sie dreimal die Woche. Die Therapeutin sagt meist, Elisabeth soll netter zu sich sein, das findet diese selbst auch. Nur ist sie nun einmal schrecklich überreflektiert und auch überfordert. Sie will es stets allen Recht machen. Die Therapie wird von ihr vielleicht auch deswegen zusehends als heilige Autorität wahrgenommen: „Ich empfehle jedem, der ein Kind hat oder einen Mann oder eine Frau, eine Therapie zu machen. Wenn man sich das nicht leisten kann, bitte wenigstens einen Ratgeber lesen“, so die belehrende Elisabeth. Überhaupt geht es im Roman stark darum Halt zu finden. Das äußert sich etwa in Elisabeths missionarischen Vegetarismus, der Fixierung auf Sex oder der übertriebenen Glorifizierung der Monogamie.

Nina Pauer: Wir haben keine Angst (2011)

Schon der Untertitel des viel besprochenen Werkes der Journalistin Nina Pauer enthält das Wort Therapie, er lautet: „Gruppentherapie einer Generation“. Kapitelweise wird abwechselnd das Leben der MittzwanzigerInnen Bastian und Anna illustriert. Die beiden ProtagonistInnen verbindet nicht nur, dass sie eine lange Liste an sogenannten "Luxusproblemen" haben, sondern auch, dass sie den selben Therapeuten, nämlich Herrn G. besuchen. Dieser scheint den beiden aber nur bedingt helfen zu können. Vielleicht liegt das daran, dass die zwei einfach gerne jammern und eigentlich ein ganz gutes Leben haben. Oder auch daran, dass sie irgendwie vom Therapeuten erwarten, dass der ihr Leben für sie wieder gerade biegen wird, ohne zu begreifen, dass sie auch selbst etwas dafür tun müssen. Nina Pauers Werk ist als Kritik an unsere Generation zu verstehen, die sich ihre Ängste nicht einzugestehen weiß, obwohl diese durchaus berechtigt zu sein scheinen. Schließlich haben wir Katastrophen in unserer Kindheit erlebt (Tschernobyl) und wurden von Helikopter-Eltern großgezogen, die uns verhätschelt und verbogen haben. Kurz: Pauer will sagen, dass mit uns alles stimmt und schafft es im selben Moment diese Aussage zu widerlegen.

 

Was haben die ProtagonistInnen von Charlotte Roches Büchern und Serien wie About:Kate gemeinsam? Richtig, ihnen geht es nicht gut und sie machen Therapien. Ein Streifzug durch die Popwelt auf der Suche nach Geschichten über Manie und Macken.

Uns Jungen geht es nicht gut. Uns wird unter anderem Überängstlichkeit, Überforderung, Unreife und Hedonismus nachgesagt. Irgendwie herrscht überall die Meinung, dass irgendetwas mit uns nicht stimmt. Wir sind schließlich jung und sollten gefälligst zufrieden sein. Aber wir sind es nicht. Mittlerweile wurden die für unsere Generation typischen psychischen Erkrankungen entlarvt: Sie reichen von Depressionen, Angststörungen bis hin zu Krisen aller Art, wie etwa der Quarter Life Crisis. Es ist in Anbetracht der schwierigen Umstände, wie der andauernd angespannten wirtschaftlichen Situation, nicht weiter verwunderlich, dass mehr junge Menschen als je zuvor mit psychischen Problemen konfrontiert sind und sich Hilfe bei TherapeutInnen suchen. Dies hängt möglicherweise aber auch mit einer voranschreitenden Enttabuisierung des Themas zusammen: Längst hat sich der Gang zum „shrink“ auch bei jungen Menschen etabliert. Viele reden über Probleme und reflektieren über die Traumata, über die ihre Eltern noch geschwiegen haben. Andere zweifeln an ihrer eigenen „Normalität“, sind verunsichert von den Erwartungen der Eltern oder der Gesellschaft und erdrückt vom zunehmendem Leistungsdruck. Die Schuld für das eigene Versagen wird dabei immer mehr bei sich selbst gesucht, statt in gesellschaftlichen Normen.

Diese Entwicklungen spiegelt sich auch in der Popkultur wider. Dort wimmelt es heute nur so von jungen Antihelden und -heldinnen mit kleineren und größeren Macken, die uns auch unsere eigene Unvollkommenheit regelmäßig vor Augen führen. Zum Beispiel dann, wenn die Serienfigur Kate oder die ProtagonistInnen aus der Jugendliteratur in Therapie gehen und dort über ihre Probleme reden. Dabei kommen ziemlich unterschiedliche Darstellungen von Therapie und Wahnsinn zustande. Hier also ein kleiner Streifzug durch die Welt des Pops.

Janna Nandzik: about:Kate (2013)

Die hippe Kunststudentin Kate weist sich an ihrem dreißigsten Geburtstag auf eigene Faust in eine psychiatrische Klinik ein. Irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Was genau, das weiß Kate aber selbst nicht. Zum fixen Alltag in der Klinik gehören Erlebnisse mit einem exzentrischen Pfleger und Kates eher schleppend verlaufende Therapie. Dabei wirkt Kates Therapeutin neurotischer als sie selbst und greift mitunter zu schwer ernstzunehmenden Methoden. In der Arte-Serie wechselt die Erzählperspektive immer wieder zwischen Kate als rebellischem Kind und der „erwachsenen“ Kate, die sich aber im Grunde kaum voneinander unterscheiden. Im Laufe der Serie bricht das, für Kates instabile Verfassung verantwortliche und tief in ihr schlummernde Trauma, langsam hervor. Stilistisch macht sich das an assoziativen, collageartigen Bildsequenzen – die an die Sendung ohne Namen erinnern – sowie dem immer wiederkehrenden, wuchtigen "Outro" der Band M83 fest.

Sarah Kuttner: Mängelexemplar (2011)

Selten wurde Therapie so hipp dargestellt wie in „Mängelexemplar“. „Eine Depression ist ein fucking Event“ – so beginnt Sarah Kuttners Roman, dessen Protagonistin, die Mittzwanzigerin Karo, ein typischer Charakter aus der Kreativ- und Eventbranche ist. Sie ist jung, flexibel, stylisch. Als sie ihren Job verliert und sich von ihrem Freund trennt, scheint ihr alles zu entgleiten. Sie hat Panikattacken und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Karo zieht daraufhin wieder zu ihrer Mutter zurück und fängt an zu einem Psychiater zu gehen. Ihrem Therapeuten, der sich laut Karo „wie ein Popstar gebärt“ und auf dessen Tisch stets eine Bionade steht, weiß sie sich anzuvertrauen. Neben der Erfahrung mit der Therapie und den kleinen Schritten zurück in die Normalität, umfasst Karos Geschichte auch das Thema Kindheitstrauma und Psychopharmaka: Der Schlüssel zu Karos Genesung ist letztendlich nicht das autogene Training, das die Protagonistin eher nervt statt ihr zu helfen, sondern Antidepressiva.

Charlotte Roche: Schossgebete (2011)

Die Grenzen zwischen Charlotte Roches’ eigenem Leben und dem der Protagonistin Elisabeth scheinen in Schoßgebete unklar zu sein. Es gibt viele Parallelen im Leben der beiden, zum Beispiel, dass bei einem Autounfall ihre Brüder ums Leben kamen und die Mutter schwer verletzt wurde. Die traumatisierte und manische Elisabeth sucht Trost im Sex und redet darüber mit Frau Drescher, ihrer Therapeutin. Diese besucht sie dreimal die Woche. Die Therapeutin sagt meist, Elisabeth soll netter zu sich sein, das findet diese selbst auch. Nur ist sie nun einmal schrecklich überreflektiert und auch überfordert. Sie will es stets allen Recht machen. Die Therapie wird von ihr vielleicht auch deswegen zusehends als heilige Autorität wahrgenommen: „Ich empfehle jedem, der ein Kind hat oder einen Mann oder eine Frau, eine Therapie zu machen. Wenn man sich das nicht leisten kann, bitte wenigstens einen Ratgeber lesen“, so die belehrende Elisabeth. Überhaupt geht es im Roman stark darum Halt zu finden. Das äußert sich etwa in Elisabeths missionarischen Vegetarismus, der Fixierung auf Sex oder der übertriebenen Glorifizierung der Monogamie.

Nina Pauer: Wir haben keine Angst (2011)

Schon der Untertitel des viel besprochenen Werkes der Journalistin Nina Pauer enthält das Wort Therapie, er lautet: „Gruppentherapie einer Generation“. Kapitelweise wird abwechselnd das Leben der MittzwanzigerInnen Bastian und Anna illustriert. Die beiden ProtagonistInnen verbindet nicht nur, dass sie eine lange Liste an sogenannten "Luxusproblemen" haben, sondern auch, dass sie den selben Therapeuten, nämlich Herrn G. besuchen. Dieser scheint den beiden aber nur bedingt helfen zu können. Vielleicht liegt das daran, dass die zwei einfach gerne jammern und eigentlich ein ganz gutes Leben haben. Oder auch daran, dass sie irgendwie vom Therapeuten erwarten, dass der ihr Leben für sie wieder gerade biegen wird, ohne zu begreifen, dass sie auch selbst etwas dafür tun müssen. Nina Pauers Werk ist als Kritik an unsere Generation zu verstehen, die sich ihre Ängste nicht einzugestehen weiß, obwohl diese durchaus berechtigt zu sein scheinen. Schließlich haben wir Katastrophen in unserer Kindheit erlebt (Tschernobyl) und wurden von Helikopter-Eltern großgezogen, die uns verhätschelt und verbogen haben. Kurz: Pauer will sagen, dass mit uns alles stimmt und schafft es im selben Moment diese Aussage zu widerlegen.

 

AutorInnen: anonym