Ein Schwarzer Stormtrooper
Der neue Star Wars Film sorgt schon vor seinem Erscheinen für Furore. Eine Frau und ein Schwarzer Stormtrooper spielen zentrale Rollen.
Seit gut einem Jahr gibt es immer wieder Enthüllungen über den neuen Star-Wars-Film, der – wie seine Vorgänger – wieder Teil einer Trilogie werden soll. Vor dem Filmstart wusste man erstaunlich wenig über Storyline und Charaktere. Die ersten Informationsquellen waren die Trailer, die seit einem Jahr erscheinen. Die paar Minuten Material reichten jedoch völlig, um Fans in Rage zu versetzen und das allein aus einem Grund: Ein Stormtrooper ist Schwarz*!
Stormtrooper sind Klone von Jango Fett, der weiß war. Nun fragt mancher Fan: Wenn alle Stormtrooper identische Klone sind, wie kann dann bitte ein Schwarzer Schauspieler in der Stormtrooper- Uniform stecken? Abgesehen davon, dass er die Uniform auch einfach nur angezogen haben könnte, um sich zu verstecken, wie es Luke und Han in „A New Hope“ getan haben, zeigt die Entrüstung darüber, dass ein Stormtrooper Schwarz ist, den unverhohlenen Rassismus unter solchen Fans auf.
Auch wenn manche „Star-Wars“-Fans da anderer Meinung sind, ist Star Wars kein abgeschlossenes Universum mit festgeschriebener Geschichte. Es verändert sich mit jedem Film, mit jedem Comic, mit jedem neuen Buch. Es wächst, und wie jede andere trägt auch diese Welt Widersprüche in sich. Kein Widerspruch ist, dass ein Stormtrooper Schwarz ist: Im expanded universe (also den Büchern, Comics, Serien etc.) wird erklärt, dass Stormtrooper keine Klone mehr sind, sondern menschliche und nicht-menschliche Freiwillige. In „A New Hope“ sind die Stormtrooper alle unterschiedlich groß und haben verschiedene Stimmen. Den erzürnten Fans geht es also nicht um eine strikte Auslegung des „wahren Inhalts“ von „Star Wars“. Es geht nicht darum, dass ein Stormtrooper Schwarz ist, sondern darum, dass einer der Hauptdarsteller Schwarz ist.
ALS HOLLYWOOD NOCH IN ORDNUNG WAR. Während Frauen, Homosexuelle und die BürgerInnenrechtsbewegung schon in den 1960ern gegen die rassistische, sexistische und homophobe Wirklichkeit kämpften, trugen Regisseure wie George Lucas in den 1970er Jahren viel zur Restauration eines weißen und patriarchalen Hollywood-Mainstreamkinos bei. Die Helden waren wieder kernige weiße Typen, die Frauen hübsches Beiwerk und wenn es schwarze Figuren gab, waren sie Sidekicks. In der originalen „Star Wars“-Trilogie „A New Hope“, „The Empire Strikes Back“ und „Return of the Jedi“) gibt es genau sechs Schwarze Figuren – im ersten Teil kommt keine davon vor. Nur eine Schwarze Person – Lando Calrissian – hat einen Namen und tritt in mehr als einer Szene auf. Auch in der Prequel-Trilogie – „A Phantom Menace“, „Attack of the Clones“ und „Revenge of the Sith“ – gibt es keine Schwarzen HauptdarstellerInnen, wenn auch mehr Schwarze Nebendarsteller – etwa den Jedi Meister Mace Windu. Dafür führte George Lucas die rassistisch gezeichnete Figur Jar Jar Binks neu ein. Dessen Akzent erinnert nicht nur an einen jamaikanischen – er wird zudem als leichtgläubig und dumm dargestellt, macht alles kaputt und muss ständig von jemandem zurechtgewiesen oder gerettet werden. In vielerlei Hinsicht entspricht er dem Stereotyp des unschuldig-naiven Schwarzen Sklaven, wie es etwa in Filmen der 1930er Jahre häufig anzutreffen war. Neben der rassistischen Karikatur Jar Jar Binks gibt es auch die antisemitische: Der Schrotthändler Watto spricht mit jiddischem Akzent, hat eine riesige Hakennase, trägt einen breitkrempigen Hut, lügt und betrügt sich durchs Leben und Jedi Mind Tricks funktionieren bei ihm nicht. Er sagt tatsächlich: „Mind tricks don't work on me … only money.“ Der Grund dafür, dass so viele (männliche) weiße „Star Wars“-Fans angesichts eines Schwarzen Stormtroopers ausrasten, ist, dass „Star Wars“ viele Menschen an ihre Kindheit – den Zeitpunkt als sie zum ersten Mal mit dem Franchise in Berührung kamen – erinnert. Diese Kindheit imaginieren sie als eine bessere Welt, in der die Aufgaben klar verteilt waren. Die männliche Hauptfigur war gut und stark und der präpupertäre Zuschauer identifizierte sich mit ihr. Er wollte mit Han Solo durch die Galaxie fliegen und fand Prinzessin Leia in ihrem SklavInnenkostüm heiß. Und plötzlich gibt es diese neuen Filme, die so partout nicht mehr in die alte Vorstellung vieler Star-Wars-Fans passen wollen. Nicht nur ist ein Stormtrooper schwarz, noch dazu spielt eine Frau eine Hauptrolle und ist sogar auf den Filmpostern am größten abgebildet – mit Waffe! Das passt in die Verschwörungstheorie, dass Hollywood den sinistren Plan verfolge, uns mit in Action verpackter feministischer Propaganda zu infizieren, männliche Ikonen zu demontieren, zu verweiblichen oder gleich durch weibliche Schauspielerinnen zu ersetzen.
Das Genre Science Fiction/Action wird in dieser Logik als männlicher Bereich der Filmwelt gelesen. Weiße Männer würden diese Filme hauptsächlich konsumieren, also wäre es nur folgerichtig, dass alle zentralen Rollen mit weißen Männern besetzt werden, so wie es in der Original-Trilogy der Fall war. Eine der größten Maskulinistenseiten im englischsprachigen Raum, „Return of Kings“, fragt sich über die „Star Wars“-Filme: „Did The New Star Wars Casting Have A Racial Agenda?“ und kommt zu dem Schluss: „With easily 95% of the Star Wars fan base being white male, it’s hard to believe it was done to market to it’s core demographic.“ Weibliche und nicht-weiße Fans werden wie so oft unsichtbar gemacht. Dabei waren und sind die verschiedensten Menschen SciFi-Nerds. Aber Bewegungen wie GamerGate wollen dieses Feld als weiß und männlich markieren, was ihnen auch oft gelingt. Unsere Vorstellung eines typischen Nerds ist weiß und männlich, alles andere passt nicht ins Bild.
Dabei gab es schon seit den Anfängen von SciFi- Actionfilmen Heldinnen, die auch zu feministischen Ikonen wurden: Ellen Ripley tötete das Alien im Alleingang, wenige Jahre später war es Sarah Connor, die erst gegen und dann mit dem Terminator um das Schicksal der Menschheit kämpfte. „Star Wars“ hat sich hier allerdings nicht besonders hervorgetan. In der Original Trilogie schafft keiner der drei Filme den Bechdel Test – ein Indikator für die Präsenz und Wichtigkeit von Frauen in Filmen; dessen drei Regeln sind: 1. Es müssen mindestens zwei Frauen mit Namen im Film mitspielen, 2., sie müssen miteinander reden, und zwar 3. über etwas anderes als Männer. Außer Leia kommt keine Frau in mehr als einem Film vor und es gibt im ganzen Star-Wars-Universum außer ihr nur noch eine Frau mit Namen: Lukes Adoptivmutter Tante Beru. Leia ist tough und wartet nicht darauf, von Männern gerettet zu werden. Sie schießt, gibt dem Macho Han Solo Kontra und ist hart im Nehmen. Trotzdem musste sie im letzten Film im Sklavinnenkostüm der Traum aller männlichen SciFi-Nerds werden und schließlich doch in den Armen Han Solos landen.
DIE JÜDISCHE VERSCHWÖRUNG. Dass es im neuen Film mit Rey eine weibliche Hauptfigur gibt, dass sie zentral auf dem Filmposter ist, dass sie eine Waffe in der Hand hat und ebendort nicht komplett sexualisiert oder als hübsches Beiwerk dargestellt wird, war gepaart mit einer Schwarzen Hauptfigur für einige Fans Grund genug, von einem „weißen Genozid“ zu sprechen. Gemischt mit einer Prise Antisemitismus kamen dann solche Tweets zustande: „A friend in LA said #StarWarsVII is basically ‚Deray in Space‘. Jewish activist JJ Abrams is an anti-white nut. #BoycottStarWarsVII.“ Wer JJ Abrahms Werk kennt, weiß, dass Feminismus und Diversität nicht gerade zu seinen Hauptanliegen zählen. Die neuen „Star Trek“-Filme, bei denen er als Regisseur und Produzent fungierte, waren von Sexismus durchzogen und fallen in ihrer Regressivität noch hinter die Serie aus den 1960ern zurück. Insofern wäre auch von den neuen „Star Wars“-Filmen nicht allzu viel Progressives zu erwarten gewesen. Was sie jedoch zeigen ist, dass sich 2015 andere Gesellschaftsgruppen als weiße Männer langsam ihren Platz erkämpfen. Hollywood erkennt, dass Diversität ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist. Denn wer mehr KonsumentInnengruppen anspricht, ist tendenziell erfolgreicher an den Kinokassen.
DIE ANGST VOR DEM MACHTVERLUST. Es bleibt die Frage, warum es so einen starken Backlash gibt gegen Filme, die sich einfach nur um mehr Diversität bemühen. Die Filme sind nicht, wie von Maskulinisten behauptet, sonderlich feministisch oder wollen irgendeine heimliche Indoktrination vornehmen. Allein der Gedanke daran zeigt, wie absurd und zugleich verschwörungsideologisch derlei Statements sind. Das Gesagte passt in altbekannte Verschwörungstheorien, wonach Hollywood von Juden regiert werde, die den Weißen systematisch ihren angestammten Platz an der Sonne nehmen wollen, sie verweiblichen und Frauen zum Feminismus bekehren wollen, damit die heile weiße christliche Familie kaputtgeht. Die wahren Männer dürfen demnach nur mehr schwarze Männer sein. Rassismus, Sexismus und Antisemitismus vermischen sich zu einem Weltbild, in dem weiße heterosexuelle Männer und ihre Privilegien ständiger Bedrohung ausgesetzt sind. Dieser „Bedrohung“ zum Trotz ist auch die Mehrheit des aktuellen „Star Wars“-Casts weiß und/oder männlich.
* Bei „Schwarz“ und „weiß“ geht es nicht um Farbe, sondern die Begriffe verweisen auf rassistische Konstruktionen und rassifizierte Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Bezeichnet werden also keine „biologischen“ Eigenschaften, sondern gesellschaftliche Positionen.
Anne Marie Faisst ist Buchhändlerin und studiert nebenbei Internationale Entwicklung an der Universität Wien.