Ein Putsch ist ein Putsch ist kein Putsch
Vor beinahe einem Jahr putschte die Opposition in Honduras den demokratisch gewählten Präsidenten. Eine Welle der Entrüstung schwappte daraufhin durch Amerika. Wen interessiert´s heute noch? Niemanden.
Vor beinahe einem Jahr putschte die Opposition in Honduras den demokratisch gewählten Präsidenten. Eine Welle der Entrüstung schwappte daraufhin durch Amerika. Wen interessiert´s heute noch? Niemanden.
Wir erinnern uns: Es war am 28. Juni 2009 als Manuel Zelaya unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Dem damaligen, rechtmäßig gewählten Präsidenten von Honduras drückten Militärs eine Pistole an die Schläfe und brachten ihn, noch in Pyjamas, außer Landes nach Costa Rica. Demos auf den Straßen von Tegucigalpa, der Hauptstadt, wurden ignoriert oder unterdrückt. Durch die Weltgemeinschaft ging ein Schrei des Entsetzens: Der erste Putsch in Lateinamerika seit fast 20 Jahren!
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) suspendierte Honduras, die EU stoppte ihre Hilfszusagen für das Entwicklungsland. Hillary Clinton konnte sich vielleicht nicht sofort zu dem Wort „Putsch“ durchringen, die Position der USA war aber – zumindest auf offizieller Ebene – klar. Weg mit den PutschistInnen.
Zelayas lange Heimreise. Manuel Zelaya, der Mann mit Cowboy-Hut und Lederhosen, versuchte in diesem heißen Sommer dreimal in sein Land zurückzukehren, dem er eigentlich als Präsident vorstand. Einmal flog er gen Tegucigalpa, wo ihm Panzer die Landebahn versperrten. Einmal versuchte er zu Fuß die Grenze zu passieren. Das tat er auch, einige Meter, rief seine Familie an und kehrte wieder um. Denn wenige Meter im Landesinneren warteten Panzer und Militärs auf ihn.
Ende September gelang ihm schließlich die heimliche Einreise. Seitdem hielt er sich in der brasilianischen Botschaft verschanzt, dem „Widerstands-Hauptquartier“.
Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Manuel Zelaya ist nicht mehr Präsident von Honduras und lebt seit einigen Wochen wieder in Costa Rica. Die weltweiten Proteste gegen den Putsch von Honduras sind verstummt, Zelayas Rivale Porfirio Lobo regiert nun das Land.
Was ist passiert? Wie wurde aus dem Schrei des Entsetzens, der öffentlichen Erregtheit, der weltweiten Verurteilung der Geschehnisse des 28. Junis ein globales Schweigen? „Nun denn, so sei es“, schweigt die Welt.
So kam es zu dem Putsch. Um das zu verstehen, lohnt sich – wie so oft in lateinamerikanischen Belangen – ein Blick auf die USA. Honduras ist das kleinste Land Lateinamerikas, die sprichwörtliche “Bananenrepublik“, und war über lange Strecken des 20. Jahrhunderts hinweg mehr Kolonie der USA als eigenmächtiger Player. Dass die USA rein gar nichts von dem geplanten Putsch wussten, ist daher verwunderlich. Obama kündigte von Beginn seiner Amtszeit aus an, die Beziehungen zu lateinamerikanischen Ländern verbessern zu wollen. Wie ernst das gemeint war, bleibt aber nach den Geschehnissen in Honduras fraglich.
Was in der Zeit vor dem Putsch in Honduras passierte, ist nicht ganz einfach. Vor Manuel Zelaya fürchteten sich die herrschenden Eliten bei seiner Amtsübernahme 2005 wenig, war er doch selbst reicher Viehzüchter. Über die Jahre kehrte er sich aber immer mehr Hugo Chavez zu, dem venezolanischen linken “Diktator“. Das half der heimischen Wirtschaft und Zelayas Popularität beim Volk. Die heimischen Eliten beobachteten den Richtungswechsel aber mit Argwohn.
Als Zelaya 2009 schließlich eine Verfassungsreform ankündigte, warfen sie ihm vor, bloß eine weitere Amtszeit anzustreben. Seine würde nämlich mit den Wahlen Ende November auslaufen. Zelaya würde seinem Vorbild Chavez oder Evo Morales in Bolivien nacheifern. Das wies Zelaya natürlich zurück. Zum Zwecke der Verfassungsreform setzte er eine unverbindliche Volksbefragung für Ende Juni an.
Das Volk kam aber nicht mehr dazu, seine Stimme abzugeben. Honduras war gespalten. Zelayas Gegner haben die Chance genutzt und ihn außer Landes gebracht.
Die Rolle der USA. Schon im Juli begrüßten einige amerikanische RepublikanerInnen den Putsch. Das offizielle Amerika unter Obama war, genauso wie die EU oder die OAS, dagegen. Wie es dazu kommen konnte, dass die USA schließlich klein beigaben, dazu seien folgende Begebenheiten aufschlussreich:
Thomas Shannon, Unterstaatssekretär im amerikanischen Außenministerium, war Teil der Delegation, die mit den streitenden Parteien eine diplomatische Lösung verhandeln sollte. Er überredete sie tatsächlich zu folgendem Abkommen: Zelaya würde noch vor den Wahlen wiedereingesetzt, allerdings mit Zustimmung des Kongresses, und es würde eine Regierung der „nationalen Einheit“ gebildet werden, sprich beide Seiten mitwirken lassen.
Der deutsche Politikwissenschaftler Benedikt Behrens schreibt in seiner Analyse: „Man kann nur spekulieren, warum Zelaya die Bedingungen akzeptierte, seine Wiederwahl ausgerechnet von dem ihm feindlich gesonnenen Parlament abhängig zu machen – möglicherweise vertraute er auf den Willen der US-Regierung.“
Ein Fehler, wie sich herausstellte: Der Kongress setzte die Wiedereinsetzung nicht auf die Tagesordnung. Thomas Shannon meinte Ende Oktober, dass sie doch nicht unbedingt vor den Wahlen stattfinden müsste. Und falls der Kongress gänzlich verweigere, müsste das auch anerkannt werden.
Machtkämpfe im amerikanischen Senat. Der Clou an der Sache spielte sich aber im amerikanischen Senat ab: Dort blockierte der Republikaner Jim DeMint ein Vorhaben Obamas. Und zwar wollte Obama Thomas Shannon durch den Politologen Arturo Valenzuela ersetzen. Doch DeMint war dagegen, weil Valenzuela wiederum klar gegen den Putsch in Honduras war. Just als das Außenministerium erklärte, die Wahlen in Honduras anzuerkennen, beendete er die Blockade.
Bei der zeitgerecht am 29. November durchgeführten Wahl gewann schließlich Porfirio Lobo. Es gab keine unabhängigen WahlbeobachterInnen. Die USA akzeptierten das Ergebnis. Fehlte nur noch die Wahl des Kongresses, die aber erwartungsgemäß zur Farce wurde: 111 von 128 Stimmen lehnten am 2. Dezember eine Wiedereinsetzung Zelayas ab.
Die Smart Power der USA. Manche BeobachterInnen meinen, dass Teile des amerikanischen Militärs immer schon von dem Putsch-Plan gewusst hatten und diesen auch unterstützten. Andere sagen, Honduras sei ein Prototyp einer neuen amerikanischen Strategie gegen links-gerichtete Regierungen in Lateinamerika. Smart Power bezeichnet eine Kombination diplomatischer Mittel, wirtschaftlichen Einflusses und „legalen demokratischen“ Manövern. Durch diese „intelligente Macht“ soll der amerikanische Weg, die Übermacht der USA in Lateinamerika beibehalten werden, was bestimmt keine Wende einläuten wird.
Ob das tatsächlich wahr ist, oder ob Obama schlichtweg vor politischen Widerständen im eigenen Land klein beigeben musste, ist fraglich. Fakt ist, dass die Ereignisse des 28. Junis 2009 in der Weltöffentlichkeit in Vergessenheit geraten. Und dass die Menschen in Honduras Spielball in einem großen Machtkampf zwischen linken und rechten Kräften in Lateinamerika sind. Interessant ist jedoch, und das ist wohl der einzige positive Effekt, dass heute in Honduras 80 bis 85 Prozent mehr Exemplare der Verfassung verkauft werden als vor dem Putsch.