Ein ausgeprägter Mangel an Perfektionismus

  • 13.03.2014, 18:17

Judith Holofernes ist ab April mit ihrem neuen Soloalbum „Ein leichtes Schwert“ auf Tour. Mit progress sprach sie über ihren musikalischen Neubeginn nach Wir sind Helden.

Judith Holofernes ist ab April mit ihrem neuen Soloalbum „Ein leichtes Schwert“ auf Tour. Mit progress sprach sie über ihren musikalischen Neubeginn nach Wir sind Helden.

progress: Du bist nun wieder solo als Judith Holo­fernes unterwegs. Sieht so aus, als hättest du die schwere Flotte Wir sind Helden verlassen...

Judith Holofernes: Auf einem kleinem Ruderboot hab ich mich vom Acker gemacht {lacht).

Wie wichtig ist dir dein Kurswechsel als Musikerin?

Ich als Fan finde es toll, wenn sich Leute verändern. Für mich hat das keinen hohen Selbstwert, wenn jemand 30 Jahre lang in derselben Band ist und immer das Gleiche macht. Ich selbst hing sehr an meiner Band Wir sind Helden und wenn das nicht so gewesen wäre, hätten wir sicher fünf Jahre früher aufgehört. Mit zwei Kindern waren die Helden doch ein Himmelfahrtskommando. Ich bin froh, dass ich einen Weg gefunden habe, überhaupt noch Musik machen zu können.

Nach Wir sind Helden wurde es sehr ruhig um deine Person. An „Ein leichtes Schwert" hast du fast heim­lich gearbeitet. Wie kam es zu dem Entschluss die Platte nicht groß anzukündigen?

Ich hatte gar nicht vor eine Platte zu machen. Ich habe nur irgendwann bemerkt, dass ich das eigent­lich gerade tue. Ich habe niemandem davon erzählt, außer meinem Mann Pola und meinen Freunden. Auch auf meinem Blog hab' ich erst sehr spät kleine Zeichen gegeben. Das war ein Segen, weil ich bis zum Schluss ein Gefühl von Freiheit hatte. Niemand wartet auf irgendetwas. Das hatte ich das letzte Mal bevor es Wir sind Helden gab.

Auf deiner letzten Platte hast du in dem Song „Die Träume anderer Leute" noch gesungen: „Wenn die Träume so tief fliegen/weil sie zum Schweben zu viel wiegen". Deine neuen Songs klingen hingegen viel unbeschwerter. Hast du mit dem Soloprojekt die Leichtigkeit wieder gefunden?

„Die Träume anderer Leute" trifft total die damalige Situation. Wenn man die Geschichte von Wir sind Helden erzählt, ist sie wie ein Märchen und das dann loszulassen braucht Mut. Ich finde die Band immer noch toll und trotzdem will ich das nicht mehr machen. Die Energie, die nach Wir sind Helden frei­gesetzt wurde, ist nun in dieser Platte und es freut mich, dass sie wie die letzten drei Jahre meines Lebens klingen.

A propos Mut, viele deiner Texte, zum Beispiel in „Pechmarie" oder „Liebe Teil 2", beschreiben den schwierigen Alltag mit Kind. In „Nichtsnutz" zeigst du, dass man auch mal nichts zu machen braucht. Ist Müßiggang für dich manchmal eine Mutprobe?

Ich finde das Thema Müßiggang total wertvoll, weil ich es wichtig finde, sich mit dem - in Deutschland würde man sagen - preußischen Arbeitsethos ausei­nander zu setzen. Unsere Gesellschaft definiert sich sehr über das, was man macht und schafft.

Einige Lieder haben einen sehr selbstironischen Touch, obwohl sie sich eher um ernstere Themen drehen. Ist Ironie deine Methode, den Dingen ihre einschüchternde Größe zu nehmen?

Das ist gewissermaßen der Blick, den ich auf die Welt habe. Ich nehme viele Sachen mit Humor. Aber nicht, um mich von ihnen zu distanzieren. Ich glaube der Humor kommt einfach mit einem liebevollen Blick. Das können dann schon schwere Themen sein, weil es ist nicht so einfach ein Mensch zu sein. Wir sind alle niedlich und es ist auch etwas Lustiges in der Art, wie wir uns abstrampeln und dem, was dabei alles schiefgeht. Ich als Fan mag es am liebsten, wenn das Ernste und das Humorvolle zusammenkommen. Wenn ich in der ersten Strophe des Liedes lache und in der dritten weine, dann ist das Lied für mich perfekt. Dann ist das Menschsein auf den Punkt gebracht.

In einem Interview hast du erwähnt, dass in deiner neuen Band Frauen dabei sind. Warum ist dir das wichtig?

In erster Linie hat das musikalische Gründe, weil auf der Platte sehr viele Backingvocals drauf sind, die mir wichtig waren. Unsere Vorbilder dafür waren Dolly Parton oder die Backingsängerinnen von Bob Marley. Ich wollte, dass das so klingt. Nach 20 Jahren, in denen man immer seine eigenen Ba­ckingvocals singt und dann auf der Bühne die Jungs „AURELIE!" brüllen hört, habe ich mir überlegt, wie das wohl mit Frauen klingen würde. Auf der anderen Seite finde ich es auch einfach super Frauen in der Band zu haben. Mein Beruf ist sehr männ­lich geprägt. Ich war jahrelang mit 18 Männern im Tourbus unterwegs. Jetzt habe ich ein Frauenma­nagement und die letzten Heldenjahre hatten wir eine technische Leiterin, der testosteronigste Job am Platz. Ein bisschen mehr Frauen in meinem Umfeld, das tut mir schon gut - allein schon, weil mir ab und zu jemand sagt, dass ich mir die Haare kämmen könnte (lacht).

Musikalisch sind die Lieder sehr unterschiedlich. Von Indie Rock und Pop bis Country und Folk lässt sich darin einiges finden.

Und Afrobeat. Und Blues. Im Prinzip bin ich meinen ganz persönlichen Vorlieben nachgegangen: von Alternative-Country über Zydeko bis hin zu afrika­nischer Musik. Jetzt wo ich alleine unterwegs bin, mach ich eben jeden Quatsch, der mir so einfällt. Auf „Ein leichtes Schwert" sind viele verschiede­ne Musikstile zu hören, aber sie haben alle eine gemeinsame Wurzel und das ist ein ausgeprägter Mangel an Perfektionismus.

 

www.judithholofernes.com

Konzert: 9.4. Wien, Arena

AutorInnen: Marlene Brüggemann