Dreckige Gitarren
Wild Flag, das sind Mary Timony, Carrie Brownstein, Rebecca Cole und Janet Weiss – die erste All-female-Supergroup der Rockgeschichte.
Wild Flag, das sind Mary Timony, Carrie Brownstein, Rebecca Cole und Janet Weiss – die erste All-female-Supergroup der Rockgeschichte.
Die Wild Flag Musikerinnen waren vor allem in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in verschiedenen Bands (Sleater Kinney, Helium), aktiv. Sie wirbelten den Malestream im Rockbusiness ordentlich auf. Die damalige Zeit stellt für Wild Flag immer noch einen wichtigen Bezugsrahmen dar, wie Rebecca Cole, Keyboarderin von Wild Flag im Interview mit PROGRESS bemerkt: „Wir alle profitieren von unseren individuellen Erfahrungen in unseren früheren Bands. Alle vier von uns sind der Musik leidenschaftlich verschrieben und es ist viel gegenseitiger Respekt und gegenseitige Bewunderung füreinander, sowohl als Musikerinnen als auch auf persönlicher Ebene, vorhanden.“
„ ... the sound is what found us.“ Obwohl der selbstauferlegte Anspruch, nach all den unzähligen Projekten eine „Traumband“ zu gründen, eher nach bedachter Beharrlichkeit klingt, veröffentlichten Wild Flag im Herbst 2011, bereits kurz, nachdem sie als Band zusammenfanden, ihren ersten Longplayer (Wild Flag) auf dem Londoner Label Wichita Records. Die Erwartungen an die junge Band waren, gemessen an der Prominenz ihrer früheren Projekte, sehr groß, weswegen der rasante Aufstieg nicht ganz so plötzlich kam, ihnen aber beachtliche Kritiken (Platz 9 der Besten Alben 2011 des Rolling Stone) bescherte.Dieses Tempo spiegelt sich auf gewisse Weise auch musikalisch wieder, wird hier doch ein ganz anderes Programm gefahren, als sich so manche, die dem 90er-Jahre-Sound von Helium und Sleater Kinney verfallen sind, erhofft hätten: Es wird durch die Bank gerockt – Mit allem, was dazugehört: Dreckige Gitarrensoli, wabernde Orgelsounds und hämmernde Drums. Mehr Rock und Punk als abgetragene Indie-Langeweile. Die Vocals von Carrie Brownstein und Mary Timony fallen mal rhythmisch, nahe am Sprechgesang, mal melodiös als Chorgesang aus. Energie und Dichte werden hier groß und vor allem laut geschrieben.
L’art pour l’art? Die meist sehr persönlich gehaltenen Texte nehmen oft auf das eigene musikalische Schaffen und das Spannungsverhältnis, das bei den Auftritten zwischen Band und Publikum entsteht, Bezug: „Wir wollen, dass sich die Leute im Publikum einen Moment der Freiheit, der Überraschung und der Selbstfindung an einem unerwarteten Ort erlauben“, betont Cole. Dieser sehr persönliche Zugang wird aber nicht als unumgänglich gesehen, sondern vielmehr als (politische) Konsequenz einer Offenheit, die ebensogut explizit politische Songtexte hervorbringen kann. Zur Zeit steht vor allem eines am Programm von Wild Flag: „We’re focused on making the music for the sake of making music.“ Ein Zugang wie dieser ist wohl nur vertretbar, wenn „Musik“ sehr weit gefasst wird, als etwas, das das immergleiche Rockstartum und Bandgehabe übersteigt. Das haben Wild Flag schon längst getan!