Diskonterwissenschaft

  • 11.05.2015, 08:00

Der Anteil der Drittmittel an der Finanzierung von Österreichs Hochschulen ist höher denn je. Auch scheint die Einflussnahme wirtschaftlicher Interessen auf die Wissenschaft heute längst kein Tabu mehr zu sein.

Der Anteil der Drittmittel an der Finanzierung von Österreichs Hochschulen ist höher denn je. Auch scheint die Einflussnahme wirtschaftlicher Interessen auf die Wissenschaft heute längst kein Tabu mehr zu sein. 

Österreichs Hochschulen ziehen mit- unter Gelder aus privaten Töpfen und Fonds zur Finanzierung wissenschaftlicher Forschung heran – sogenannte Drittmittel. Die Verträge zwischen Wirtschaft und Wissenschaft werden der Öffentlichkeit dabei meist nicht zugänglich gemacht. Wissenschafts-, Forschungs- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) – die Ressorts wurden ja gegen großen Protest der ÖH zusammengelegt – ist angesichts dieser Entwicklungen wenig besorgt. Er sieht die Transparenz bei Drittmitteln als ausreichend und verweist auf die Autonomie der Universitäten hinsichtlich der Ethik-Richtlinien.

EIGENES SÜPPCHEN. Dabei sind Transparenz und Verantwortung an den Universitäten äußerst unterschiedlich geregelt: Die Universität Wien etwa sieht ihre Wissenschaftler_innen alleine für den Inhalt ihrer Vorhaben verantwortlich, bei der Universität Graz hingegen ist jedes durch Drittmittel finanzierte Forschungsprojekt dem Rektorat zu melden. An den Fachhochschulen gibt es wiederum völlig andere Regeln. Da diese nach Privatrecht agieren, besteht auch keine Auskunftspflicht.

„In Bezug auf Drittmittel fordern wir eine ausgeglichene Finanzierung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung. Wenn Firmen oder andere Vertreter_innen der Wirtschaft also in angewandte Forschung investieren, sollen zehn Prozent zusätzlich entrichtet werden. Drei Prozent sollen dann an die Hochschulen gehen und sieben Prozent an Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung – die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG und dem Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung (FWF). Damit kann dann auch die Grundlagenforschung aktiv gefördert werden“, sagt dazu Florian Kraushofer vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler_innenschaft.

Weitere Kritikpunkte bezüglich der Drittmittelfinanzierung an den Universitäten: Die Einflussnahme des Privatsektors auf die Forschung und auf die Veröffentlichung oder Geheimhaltung bestimmter Ergebnisse, die Förderung von mono- anstatt multidisziplinären Studien und eine strukturelle Benachteiligung bestimmter Studienfächer. Für viele Forscher_innen sind Drittmittel allerdings die einzige Möglichkeit, überhaupt forschen zu können – ein Resultat der besorgniserregenden Unterfinanzierung der Hochschulen.

Besonders wenn es um internationale Vergleichbarkeit geht, hängt viel von Drittmitteln ab. Für Jonathan Mittermair, Pressesprecher der Johannes Kepler Universität Linz, sind sie sogar Qualitätsmerkmal. „Mitteleinwerbende Forscherinnen und Forscher stellen sich einem Wettbewerb und in fast allen Förderprogrammen werden diese Anträge auch mit internationaler Fachexpertise evaluiert.“ 2014 lukrierte die JKU 35,7 Millionen Euro an Drittmitteln, wovon etwas mehr als die Hälfte von den österreichischen Forschungsfördergebern kam. Dieser Weg soll auch in Zukunft forciert werden. Aber die JKU will die Auftragsforschung in Grenzen halten. „Der Staat wird weiterhin der Hauptfinanzier der Universitäten bleiben und ihre Unabhängigkeit dadurch gesichert sein“, so Mittermair. Die Entwicklung deutet aber in eine andere Richtung.

Foto: Niko Havranek

PRIVAT STATT STAAT. Der Anteil an Drittmittelfinanzierung hat sich in den letzten Jahren rapide erhöht: Laut dem Universitätsbericht von 2014 betrugen die Drittmitteleinnahmen an den österreichischen Universitäten im Jahr 2007 etwas über 400 Millionen Euro, 2013 sind diese um über 47 Prozent gestiegen auf knapp 600 Millionen Euro. Das liegt vor allem daran, dass das Einholen von Drittmitteln vom Wissenschafts-, Forschungs- und Wirtschaftsministerium belohnt wird: Von 2013 bis 2016 gibt es für jene Hochschulen Extra-Geld, denen es gelingt, erfolgreich Drittmittel zu beschaffen. Dafür stehen aus dem sogenannten Hochschulraumstrukturmitteltopf neun Millionen Euro zur Verfügung, von denen im vergangenen Jahr 4,5 Millionen anteilsmäßig verteilt wurden. In diesem Jahr folgt dann die andere Hälfte. Weitere 20 Millionen Euro wird das Ministerium bis 2015 in eine „bessere Verwertung von Forschungsergebnissen“ investieren.

Mitterlehner hat im Februar dieses Jahres zusätzlich einen Forschungsaktionsplan vorgestellt, der die Finanzierung der Forschung durch Private weiter erleichtern soll. Künftig sollen gemeinnützige Stiftungen ähnlich wie Vereine gegründet werden können
und ihre Spenden steuerlich absetzbar sein. Die Drittmittelfinanzierung durch Unternehmen und Private machte im Jahr 2013 bereits mehr als fünf Prozent des gesamten Universitätsbudgets aus. Neben dem Wissenschaftsfonds und der Europäischen Union gehören private Geldgeber_innen wie Dietrich Mateschitz (70 Millionen Euro für die Medizinische Privatuniversität Salzburg), das US-Verteidigungsministerium (knapp neun Millionen für diverse Hochschulen und die Akademie der Wissenschaften) und auch Frank Stronach (500.000 Euro für die Universitäten Graz, Linz und Innsbruck) zu den primären Finanziers.

Foto: Niko Havranek

ÖSTERREICHWATCH. Auch der Campus der neuen Wirtschaftsuniversität ist gesäumt von bekannten Firmennamen: Ein OMV-Bibliothekszentrum, Hörsäle von Red Bull oder Siemens und ein Raiffeisen-Sprachlernzentrum. Das sind längst nicht alle Unternehmen, deren Geld und Einfluss in die Mauern des Unikomplexes geflossen sind. Universitäten präsentieren sich als attraktive Investitionsmöglichkeit für Unternehmen und werben für Sponsoring und Fundraising auf ihren Webseiten.

In Deutschland gibt es seit 2013 die Transparenzinitiative hochschulwatch.de, die über 10.000 Kooperationen zwischen Wirtschaft und Universitäten gesammelt hat und diese Liste online zur Verfügung stellt. Ziel dieser Plattform ist es, Transparenz in der Wissenschaft zu schaffen. Auch in Österreich ist ein solches Projekt vielleicht bald möglich. „Ein Vertreter von Hochschulwatch war im März in Österreich und hat sich mit Vertreter_innen von Transparency Österreich und der ÖH getroffen. Ob und wenn ja, welche Kooperation sich hier ergeben wird, ist aber noch offen“, sagt Florian Kraushofer.

 

Anne Schinko studiert Politikwissen­ schaften und Geschichte an der Universität Wien. 

 

AutorInnen: Anne Schinko