Die so gern verschwinden möchte
Bettina Földesi (25). Tänzerin und Performerin
Bettina Földesi (25). Tänzerin und Performerin
„21 und freischaffende Künstlerin? Dazu habe ich mich damals einfach nicht bereit gefühlt“, sagt Bettina Földesi, Tänzerin, seit Beginn des Interviews im Schneidersitz auf der noch kühlen Frühlingswiese sitzend. Sie tanzt seit sie sechs Jahre alt ist. Es beginnt mit Ballett und rhythmischer Sportgymnastik, mit 14 kommen Abendklassen in zeitgenössischem Tanz dazu, in der Schule mit Tanzschwerpunkt choreographiert sie selber. Nach der Matura beginnt sie in Salzburg am SEAD (Salzburg Experimental Academy of Dance) eine dreijährige Ausbildung zur zeitgenössischen Tänzerin. Mit 21 macht sie dort ihren Abschluss. Nach ihrer Ausbildung geht sie nach Wien, trainiert dort mittels eines Förderstipendiums des Tanzquartier Wien und macht Stücke.
Dann folgt allerdings die Krise. „Ich hatte nach meiner Ausbildung das Gefühl, gut, technisch bin ich vielleicht soweit. Aber von PerformerInnen wird erwartet, dass sie ihre Arbeit künstlerisch genau verorten können, dazu muss man viel über Kunsttheorie, aktuelle Kunstschaffende und zeitgenössische Kunst wissen. Für mein Gefühl hatte ich damals definitiv noch nicht genug Zeit gehabt, mich theoretisch damit zu befassen. Jedenfalls wusste ich absolut nicht, was ich der Welt als Künstlerin eigentlich sagen will.“ So inskribiert sie Philosophie und will vom Tanz zwei Jahre lang nichts wissen: „Das war wie ein Ventil, um Druck abzulassen. Endlich einmal etwas machen, wo keiner etwas von mir erwartet. Einfach in der Masse von Studenten untergehen, wo jedem egal ist, was du tust.“
Kunst schaffen sei für sie schon immer mit starken Erwartungshaltungen verbunden gewesen. Zu Beginn ist es der starke körperliche Leistungsdruck in der rhythmischen Sportgymnastik. Als sie mit 14 zeitgenössischen Tanz entdeckt, erlebt sie zum ersten Mal, dass es nicht wichtig ist, wie dick oder dünn jemand ist, wie hoch die Beine sind. Vielmehr geht es darum, den eigenen Körper sinnvoll einzusetzen, zum Beispiel die Gravitation und das eigene Gewicht bei Sprüngen zu nutzen. Földesi, die unter den SportgymnastInnen immer als „zu unbeweglich“ galt, ist fasziniert: „Ich habe plötzlich gemerkt, dass mein Körper nicht per se schlecht ist – er ist einfach so, wie er ist, und wenn ich ihn so nütze, wie er ist, kann ich mehr daraus kriegen.“ Als die junge Frau sich mit fortschreitender Zeit zunehmend mit Performance beschäftigt, merkt sie allerdings, dass du dich als KunstschaffendeR immer behaupten musst: „Du musst das, was du sagst, immer sehr wichtig finden. Was diesen Umstand betrifft, muss ich noch hart an mir arbeiten, um künstlerisch erfolgreich zu sein.“ Denn sie habe sich beim Training schon immer gern in die hintere Reihe gestellt, oder sehr lange den anderen zugehört, bevor sie ihre eigene Idee aussprach.
Auf der Bühne verschwinden. Ironischerweise plant die Tänzerin derzeit ein Projekt, das fast so wirkt, als greife es ihre Selbstzweifel auf: „Ich möchte in diesem Stück probieren, ob ich auf der Bühne verschwinden kann, obwohl ich körperlich anwesend bin.“ Bei genauerer Betrachtung ist aber zu erkennen, dass hier kein Zusammenhang besteht – vielmehr interessiert Földesi das Spiel mit der Bühnenpräsenz. Wenn sie selber Tanzstücke ansehe, falle ihr immer wieder auf, dass eine Tänzerin mit ihrer Präsenz eine gewisse Zeitspanne lang ihre volle Aufmerksamkeit fordere, dann aber würden als Zuschauerin irgendwann die Gedanken wieder abschweifen. „Mich interessiert genau dieser Moment, in dem die Präsenz der Tänzerin für die ZuschauerInnen verschwindet. Ob sich die Tänzerin durch gewisse inszenatorische Mittel zum Beispiel auch vor den ZuschauerInnen verstecken kann.“ Um das zu untermalen, erzählt sie von einem Tänzer, der fünf Minuten lang auf der Bühne nichts anderes tut, als mit den Beinen zu stampfen. „Je länger er das tut, umso mehr entzieht sich der Tänzer der Aufmerksamkeit des Publikums.“
Dass der Tanz als Bühnenkunst immer im Moment existiert, hat für Földesi Vor- und Nachteile. Einerseits sei er durch seinen vergänglichen Charakter weniger leicht zu vermarkten als zum Beispiel Kunstobjekte. Andererseits liege genau in dieser Vergänglichkeit der Zauber des Erlebens für TänzerIn und ZuschauerIn. Manchmal überlegt die junge Tänzerin auch, ob sie ohne den Tanz leben könnte. Sie weiß es noch nicht. „Aber ich weiß, dass mein Körper beim Tanzen auf der Bühne ganz genau weiß, was er zu tun hat. Ich bin dann in jeder Sekunde hundertprozentig anwesend. Nicht wie sonst, beim Kaffeekochen etwa, wo man mit den Gedanken auch nicht beim Kaffeekochen ist, sondern woanders. Es ist ein so Genau-Drinnen-Sein in sich selbst, dass man das Gefühl hat, frei zu sein … das fällt mir dazu ein.“