Die kulinarische Kodifizierung des Terrors
Die Behörden des deutschen Innenministeriums können sich erst nach einer Serie rechtsextremer Morde und Gewalttaten zum öffentlichen Eingeständnis durchringen, dass rechtsextremer Gewalt zu wenig Gefahrenpotential beigemessen wurde.
Die Behörden des deutschen Innenministeriums können sich erst nach einer Serie rechtsextremer Morde und Gewalttaten zum öffentlichen Eingeständnis durchringen, dass rechtsextremer Gewalt zu wenig Gefahrenpotential beigemessen wurde. Die Verstrickungen und personellen Überschneidungen von Verfassungsschutz, Polizei und Neonazis leisten dazu ihren Beitrag und behindern die Aufklärungsarbeit. So erweist sich der in die Jahre gekommene Gemeinplatz, dass auf die Behörden kein Verlass sei, wenn es um antifaschistische Arbeit geht, als krisensicher und brandaktuell. Und nicht nur das: Die Nazi-Connection beim Verfassungsschutz ist seit mindestens zehn Jahren bekannt, und wird noch immer nicht in Frage gestellt.
Strategien der Verharmlosung. Ob die Schuldeingeständnisse, Reuebekundungen und Entschädigungsankündigungen der Justiz und der Polizei mehr als bloße Lippenbekenntnisse sind, wird noch zu zeigen sein. Was jedoch von Anfang an, im schlechtesten Sinne und in besonderer Deutlichkeit, zu Tage trat, sind die Versuche, rechtsextreme Gewalt zu verharmlosen: Zwei spezifische Phänomene, die im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie häufig zur Geltung kommen, verweisen auf weitaus allgemeinere gesellschaftliche Probleme als „bloß“ kriminalistische Mängel. Es ist die rassistische Rede von „Döner-Morden“, die den Opfern noch den letzten Rest an Würde und Betrauerbarkeit nimmt. Indem die Opfer dieser rassistisch motivierten Morde mit einem kulturalistisch kodifizierten Gegenstand (Döner) gewaltsam identifiziert werden, verlieren sie ihren Status als Menschen. Sie sind tot. Und Döner lassen sich nicht betrauern. In dieser leichtfertigen Rhetorik zeichnen sich bereits die Konturen einer Strategie ab, die sowohl von Rechtsextremen, als auch von denen, die vor deren Auftreten, deren Gewalt, die Augen verschließen und verstummen, angewandt wird.
Alibi. Doch das Entsetzen und die Erschrockenheit über die Details, die nach und nach ans Tageslicht geraten, sind oft vor allem eines: Ausdruck der deutschen Normalität und Zeichen der Verharmlosung der menschenverachtenden Ideologie von Neonazis, NationalistInnen und Rechtsextremer aller Couleur, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. In Österreich hingegen, wo sich die Elite der europäischen Rechten alljährlich in der Hofburg, wohl nicht nur zum Tanze, versammelt, gibt es, wie man meint, keine Probleme mit „diesen“ Rechtsextremen, sitzen sie doch domestiziert im Parlament und in anderen großen Häusern – gleich nebenan. Aber verstellt der Blick auf diese „RepräsentantInnen“ nicht gerade die Sicht auf die, die sie repräsentieren?