Die Hälfte der Hochschulen – die Hälfte der Macht?
Die Liste der Problemfelder an den Hochschulen ist lang und länger. Manche werden dabei intensiv debattiert, andere, wie die Frage nach der Gleichstellung von Frauen an den Hochschulen, werden wiederum zum Nebenschauplatz erklärt.
Die Liste der Problemfelder an den Hochschulen ist lang und länger. Manche werden dabei intensiv debattiert, andere, wie die Frage nach der Gleichstellung von Frauen an den Hochschulen, werden wiederum zum Nebenschauplatz erklärt.
Die Hochschulen waren immer auch Spiegel aktueller Verhältnisse in der Gesellschaft. Durch ihre bewusste VorreiterInnenposition bilden und beeinflussen sie gesellschaftliche Diskurse und tragen als AkteurInnen zu Fortschritt oder Regress bei. Verschleiert werden dabei die Mechanismen, die darüber entscheiden, wer das Recht zur Artikulation im wissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Diskurs erhält. Kommen ganze Gruppen hier nicht zur Geltung, wird deren Realität faktisch negiert. Exklusionsmechanismen kennen bekanntlich viele Attribute. Der öffentliche und mediale Diskurs hält sich dabei gern kleinlaut. Gerade Fragen der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männer werden somit zu einem beliebten Nebenwiderspruch. Wie steht es also um die Gleichberechtigung der Geschlechter an den Hochschulen?
Frauen wurden lange Zeit vom universitären Raum ausgeschlossen. Auf den österreichischen Universitäten wurden Frauen erstmals ab 1897 zu Studien an der philosophischen Fakultät zugelassen. Erst seit 1993 regelt das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, dass Studentinnen keine Benachteiligung bei der Zulassung zum Studium oder während des Studierens erfahren dürfen. Die Zahl an Studentinnen hat seither durchaus einen rasanten Zuwachs erfahren. Im Durchschnitt machen Frauen mittlerweile 54,2 Prozent aller Studierenden an einer hochschulischen Einrichtung aus. Dies als ein Zeichen für die vermeintliche Gleichstellung an den Hochschulen zu werten wäre aber weit verfehlt. Zum einen variiert die Geschlechterverteilung von Studierenden je nach Fachgebiet stark. „Typisch“ weiblich besetzte Studienrichtungen sind immer noch Veterenärmedizin (in Wien bei ca. 82 Prozent Frauenanteil) oder die Geisteswissenschaften. Dagegen sind an der Montanuniversität Leoben und den beiden technischen Universitäten in Graz und Wien nur 25 Prozent weibliche Studierende inskribiert. Zum anderen muss ein umfassendes Bild, das den Status Quo der Geschlechter-Gleichberechtigung an den Unis umfassend abbilden will, auch jene Strukturen betrachten, in denen geforscht und entschieden wird: Den Rektoraten, Senaten und dem Kollegium der ProfesorInnenschaft.
Bewegung oder Stillstand? Auf den Ebenen von Lehre und Forschung sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Gemeinhin beschreibt die Metapher der gläsernen Decke diesen Umstand. Unter dieser wird verstanden, dass viele hochqualifizierte Frauen im unteren Bereich der Karriereleiter hängen bleiben und es nicht schaffen bis in die Führungsetagen vorzudringen. So führen die seit Jahrzehnten steigenden Studentinnen- und Absolventinnen-Zahlen bis heute nicht zu wesentlich mehr Assistentinnen auf den Unis. Das Verhältnis beträgt dort 40 Prozent Frauen zu 60 Prozent Männer. Noch drastischer bei den ProfessorInnen. Derzeit sind rund 16,85 Prozent aller ProfessorInnen in Österreich Frauen. Zudem ist die Zahl an Professorinnen, selbst in typisch weiblich konnotierten Bereichen, wie zum Beispiel an der Universität für angewandte Kunst mit nur ca. 23 Prozent oder der Veterinärmedizinischen Universität mit gar nur 10 Prozent, sehr gering. Diese Zahlen belegen, dass es auch in Fachgebieten, in denen eindeutig genug Studentinnen vorhanden wären, um später auch Führungspositionen übernehmen zu können, Frauen in höheren Etagen die Ausnahme von der Regel sind. Je weiter es nach oben geht in der universitären Hierarchie, desto weniger Frauen sind zu finden. Unter den RektorInnen an öffentlichen Universitäten ist aktuell Sonja Hammerschmid an der Veterinärmedizinischen Universität Wien die einzige Rektorin.
Die Praxis des wissenschaftlichen Alltags begünstigt und fördert die Schräglage an den Unis. Frauen sind nach wie vor für einen Großteil der unbezahlten Arbeit, sprich Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt, verantwortlich. Männer in diesem Bereich unterliegen dieser Doppelbelastung in der Regel nicht. Ihnen fällt es somit auch leichter die Anforderungen, die eine solche Kariere verlangt, gerecht zu werden. Sheila Jasanoff, von der Universität Harvard bekräftigte dies vor Kurzem in einem Interview: „Ich glaube nicht, dass meine Studentinnen mit Kindern nach acht, neun Uhr abends noch die Energie zum Lesen und Arbeiten aufbringen. Sie haben kaum persönliche Kontakte, können nicht zu Konferenzen fahren und keine Forschungen präsentieren. All diese gesellschaftlichen Verpflichtungen in der professionellen Welt der Wissenschaft kann man nicht von der Ferne machen oder in Halbtagsbeschäftigung“, gibt die Juristin zu bedenken. Die formale Gleichstellung per Gesetz ist somit zwar eine wichtige Voraussetzung, aber noch lange nicht das Ende des Weges. Mechanismen, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte in den wissenschaftlichen Habitus der Universitäten eingeprägt haben, dauern an.
Vorwärts schreiten? Obwohl die Position von Frauen mittlerweile rechtlich klar abgesichert ist und die Universitäten laut Universitätsgesetz sogar eindeutig zur Erstellung eines Frauenförderungsplans und der Etablierung eines Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen (AKG) verpflichtet sind, hat sich nur bedingt etwas verbessert. Das Universitätsgesetz (2002) hat mit seiner Novellierung im Herbst 2009 die Verpflichtung zu einer 40prozentigen Frauenquote in allen Kollegialorganen der Universitäten geschaffen.
Gleichzeitig wurden die Kompetenzen des Arbeitskreises für Gleichbehandlung an Universitäten ausgebaut. Sollte die 40 Prozent-Quote nicht eingehalten werden, hat der AKG die Möglichkeit, Einspruch wegen ungemäßer Zusammensetzung des Gremiums einzulegen. An der Medizinischen Universität Wien konnte seit der neuen Zusammenstellung des Senats (= eines der universitären Entscheidungsgremien) tatsächlich eine beträchtliche Steigerung des Frauenanteils, von 37 Prozent auf 50 Prozent beobachtet werden. Inwieweit dieser jedoch auf die Frauenquote zurückzuführen ist, ist schwer auszumachen. An der Uni Graz hat sich hingegen mit Einführung der Quote nichts verändert, der Frauenanteil blieb vorerst konstant auf 25 Prozent, wobei die Studierendenkurie ihre VertreterInnen noch nicht beschickt hat. Seitens der ProfessorInnen wird die Verantwortung für eine quotengerechte Besetzung der Senate gerne auch auf die Studierenden abgewälzt. Es ist höchst fraglich, ob dies eine zielführende Praxis darstellt.
Die öffentliche Debatte, die sich gerade zum wiederholten Mal über Zugangsbeschränkungen, Studiengebühren und Studienqualität dreht, betrachtet die Gleichbehandlung an den Unis auch weiterhin als Stiefkind. Ob letzteres in absehbarer Zeit erwachsen wird und damit zu einem ernst zu nehmenden Gegenüber, bleibt abzuwarten.