Der Weltuntergang, eine grausame Idylle

  • 25.06.2015, 11:40

Die Katastrophe bahnt sich langsam ihren Weg in „Winters Garten“. Valerie Fritschs Roman beginnt mit Antons Kindheit, die er in einer Idylle von Haus- und Gartengemeinschaft verbringt.

Die Katastrophe bahnt sich langsam ihren Weg in „Winters Garten“. Valerie Fritschs Roman beginnt mit Antons Kindheit, die er in einer Idylle von Haus- und Gartengemeinschaft verbringt.

Die Großeltern sind ihm näher als die Eltern, die Erwachsenen kümmern sich gemeinschaftlich um die vielen Kinder und auch mit den Toten wird mit einer Selbstverständlichkeit umgegangen, die es nur in einer Gesellschaft geben kann, die mit den Gesetzen der Natur sehr vertraut ist. Selbst die Fehlgeburten der Großmutter stehen in  großen  Einmachgläsern in  der Speisekammer.

Fritschs Roman ist wie ein Stillleben in Worten. Etwas Entrücktes haftet den Orten und Ereignissen an, die keine zeitliche  und  örtliche Einordnung erfahren. Anton verschwindet nach dem Tod der Großmutter wortlos. Er zieht in die Stadt am Meer, wo er exotische Vögel am Dach eines Hochhauses züchtet. Die Stadt ist der Kontrast zur Kindheitsidylle. Die Gemeinschaft ist dem Alleinsein gewichen, Anton ist einsam und er hat noch nie  geliebt.

Es dauert bis man das Untergangsszenario begreift. Weitgehend poetisch sind Fritschs Formulierungen, wenn sie die Welt beschreibt, in der alles aus den Fugen gerät. Wilde Tiere, Elefanten und Giraffen, haben sich in die Stadt verirrt, Kinder bringen den Erwachsenen das Schießen bei und im Radio heißt es, man solle sich nicht an den Massenselbstmorden im  Park beteiligen.

Kurz bevor die Welt untergeht, verliebt sich Anton in Friederike, die als Freiwillige in einer Geburtenklinik arbeitet. Hier tauchen zwischen all den schönen Worten interessante Fragestellungen auf: Was ist Liebe, wenn man weiß, dass in wenigen Wochen alles zu Ende ist? Und wie soll man dann noch ein Kind in diese Welt bringen?

Manchmal rückt die geschönte Sprache  zu sehr in den Vordergrund und man sehnt sich nach ein bisschen weniger Sprach-Idylle. Stellenweise verliert sich der Text in Stereotypen, wie zum Schluss, wenn die Brüder Anton und Leander mit ihren Frauen in den Garten ihrer Kindheit zurückkehren: Die Männer heizen den Ofen mit trockenen Ästen an, während die Frauen sich mit großer Selbstverständlichkeit um das Kind kümmern. Insgesamt aber ist der 1989 geborenen Valerie Fritsch ein interessantes Debüt gelungen. Zurecht wird sie dieses Jahr beim Bachmann-Wettbewerb  lesen.

Valerie Fritsch: „Winters Garten“
Suhrkamp,  154 Seiten
17,50  Euro, E-Book 14,99  Euro
 

Sara Schausberger ist freie Journalistin und hat  in Wien  Germanistik studiert.

AutorInnen: Sara Schausberger