Der Saft ist draußen
Red Bull war der Turbo einer Generation. Nun geht die Dekade der Energydrinks zu Ende.
Red Bull war der Turbo einer Generation. Nun geht die Dekade der Energydrinks zu Ende.
„Noch mehr von dem Gummibärchen- Saft“, sagt der Mann verächtlich, als er in meinen Einkaufskorb blickt, der rappelvoll mit Energydrinks gepackt ist. Mit einem Testeinkauf im Getränkemarkt wollte ich herausfinden, welche stimulierenden Brausen es am deutschen Markt zu kaufen gibt. Die überraschende Antwort: Immer weniger. Die Mischung aus Zucker und Koffein ist bei Jugendlichen ziemlich out.
„Nicht mit Alkohol mischen“, steht auf den Dosen von Red Bull. Für eine Generation von Barkeepern wirkte dieser Satz wie eine Aufforderung. Warnungen, dass Energygetränke gesundheitsschädlich sein könnten, gibt es seit Anfang der Neunziger. Verbote in Frankreich und Kanada gaben dem Produkt jedoch höchstens ein verruchtes Image und bestätigten gleichsam den potentiellen KonsumentInnen die Wirksamkeit des Trankes. Der Reiz des Verbotenen zog viele an, die nach billiger, schneller Energie hungerten. Dazu gehörten NachtschwärmerInnen ebenso wie BörsenmaklerInnen oder die jugendlichen SkateboarderInnen. Wodka Red Bull wurde bald zu einem Lifestyle-Getränk, von dem auch Mode-Ikone David Beckham gerne nippte. Aber auch ohne Alkohol fanden Energydrinks ihre AbnehmerInnen. Vor der Börse an der New Yorker Wall Street würden die Kioske Red Bull in Halbliterdosen an gestresste HändlerInnen verkaufen, berichtete die Financial Times Deutschland noch vor wenigen Jahren. Energydrinks galten als passendes Begleitprodukt zu den schnelllebigen Nullerjahren: Immer auf Achse, notfalls auch die ganze Nacht. Nun ist die Blase geplatzt.
Red Bull ist kein Saft mehr. Die Jugend von heute hat einen anderen Geschmack im Mund. Im vergangenen Jahr verkaufte sich Bionade in Deutschland erstmals besser als die verschiedenen Energydrink- Marken. Die HerstellerInnen werben dennoch aggressiv um ihre KundInnen. Eine Web-Suche nach „Red Bull“ offenbart wenig über das Getränk selbst. Vielmehr bietet sie einen kurzen Abriss der Geschichte blech-blauen Lifestyle-Sponsorings. Vom Red Bulletin-Magazin bis hin zu eponymen Eishockeyteams und dem Red Bull Racing Team in der Formel Eins: Nicht die bronzefarbene Brause des Herstellers ist in aller Munde, sondern ihr Marketing. Die Absätze dagegen stagnieren. Das gilt auch für die billigere Konkurrenz. Bereits jetzt sind 96 Prozent aller Energydrinks, die an Tankstellen verkauft werden, von der Marke Red Bull. Und deren Absätze sind seit zwei Jahren rückläufig.
Des Marktes letzter Seufzer ist Bifi Energy mit Guarana. Auch die Dauerwurst, die seit Januar verkauft wird, laboriert am selben „Energy“- Problem: Der Geschmack erinnert an Blutorange im Rauchbad und hat weder mit trinkbaren Gummibärchen noch mit herkömmlichem Schweinefleisch viel zu tun. Die Textur wirkt, als wäre Bifi Energy ein Abfallprodukt der Weltraumforschung. Es ist fraglich, ob die potentiellen KäuferInnen die Wurst jemals als Ausdruck ihres Lebensstiles empfinden werden, wie sie das einst mit Red Bull taten.
Vor allem Jugendliche tragen nicht mehr kistenweise Energydrinks aus den Läden. In der Altersgruppe der 15 bis 25 Jahre alten KonsumentInnen wird immer weniger davon getrunken. „Früher hat Red Bull für die Leute exotisch geschmeckt, heute wirkt es nur noch chemisch“, urteilt die 14 Jahre alte Sarah über Energygetränke. Diese veränderte Wahrnehmung hat für sie eindeutige Ursachen: „Damals haben Fruchtsäfte einfach noch nicht so lecker geschmeckt. Jetzt gibt es mehr mit Bio und so.“ „Red Bull schmeckt voll ekelig“, pflichtet ihr auch Freundin Charlotte bei. „Ich hab,s nur einmal getrunken – danach musste ich mir den Mund ausspülen.“
Behörden machen Werbung. Das Problem der Marke „Energydrink“ liegt nicht zuletzt in ihrer starren Konzeption. Der Begriff umfasst eigentlich jedes Getränk mit erhöhten Koffein-Werten oder aufputschenden Zutaten wie Taurin, Guaraná oder Maté. Für die meisten KonsumentInnen ist der Name jedoch synonym mit dem süßlichsynthetischen Geschmack von Red Bull. Diese geschmackliche Orthodoxie hat die Weiterentwicklung der Energygetränke schwierig gemacht. Was nicht nach Gummibärchen schmeckt, wird auch nicht als „Energy“ erkannt. Andere Getränke und Produkte wie Guaraná- Kaugummis und Bonbons, die versuchten, das kulinarische Spektrum zu erweitern, sind längst wieder vom Massenmarkt verschwunden. Ihr Geschmack war den KundInnen zu eigenwillig.
Die Behörden machen unterdessen weiterhin Werbung für die bunten Tränke. Erst Anfang Februar warnten deutsche Behörden vor dem neuesten Produkt der Firma Red Bull, dem Energy Shot. Für Jugendliche, die durch Warnhinweise und Verbote nicht von Nikotin und Cannabis ferngehalten werden, wirkt das eher ermutigend. Davor sorgte im Mai vergangenen Jahres das Verbotvon Red Bull Cola in einigen deutschen Bundesländern für Furore. Die hessische Lebensmittelbehörde gab bekannt, dass dem Getränk Kokain beigemischt sei, freilich in irrelevant kleinen Mengen. Dennoch musste das Getränk verboten werden, um den gesetzlichen Auflagen zu genügen. Cooler konnte das Getränk für viele Jugendliche nicht gemacht werden. Kurz nach Bekanntgabe explodierten die Verkaufszahlen von Red Bull Cola. Doch der große Boost ist nun vorüber.
Neuester Trend in den Getränkemärkten sind nicht Energydrinks, sondern Entspannungsgetränke. Brausen mit Kamille und Baldrian sollen helfen, den Schock von Wirtschaftskrise und steigendem Druck am Arbeitsmarkt zu verdauen. Produkte wie Slow Cow werden in Amerika als eine Art „Anti- Energydrink“ vermarktet. Wer durch die Regale eines größeren Supermarktes streift, wird heute auf eine Multitude an Produkten treffen, die lockeres und leichtes Leben versprechen, ganz ohne Belastung. Balance und Be.Light heißen die Produktreihen. Aldi hat über 50 solche Produkte im Angebot, von fettarmem Käse bis zum „probiotischen Fitnessdrink“.
Das passt zu einem größeren Trend: Wellness. Der Imperativ, schnell und leistungsfähig zu sein, auch auf Kosten der eigenen Gesundheit, hat ausgedient. Die Betonung der neuen Warenwelt liegt auf Nachhaltigkeit gegenüber dem eigenen Körper. Überzuckerte, hochkoffeinierte Energydrinks haben da keinen Platz. Red Bull mag zwar laut eigener Werbung Flügel verleihen. Längerfristige Höhenflüge können aber nicht mehr erwartet werden.