Das Kreuz mit den Formulierungen

  • 13.07.2012, 18:18

Ingeborg Zerbes forscht am Institut für Strafrecht und Kriminologie unter anderem über österreichisches und europäisches Strafrecht. Mit PROGRESS sprach sie über das Terrorismuspräventionsgesetz, die Unwissenheit der Gesetzes-Schreiberlinge und die Absurdität des TierschützerInnenprozesses.

Ingeborg Zerbes forscht am Institut für Strafrecht und Kriminologie unter anderem über österreichisches und europäisches Strafrecht. Mit PROGRESS sprach sie über das Terrorismuspräventionsgesetz, die Unwissenheit der Gesetzes-Schreiberlinge und die Absurdität des TierschützerInnenprozesses.

PROGRESS: Frau Zerbes, haben Sie Angst vor Terrorismus?

Ingeborg Zerbes: Nein, nicht vor einem konkreten Anschlag in Österreich. Natürlich ist mir bewusst, dass es weltweit ein Problem ist.

Im österreichischen Strafgesetzbuch ist der Begriff Terrorismus nicht definiert. Es wird lediglich ein Typ von Straftaten beschrieben, die unter Terrorismus fallen. Warum ist das so?

Terrorismus ist schwer fassbar. In einem frühen UN-Übereinkommen wird Terrorismus so beschrieben, dass es dabei nicht darum geht, gezielt einer Person Schaden zuzufügen, sondern es sollen so viele Personen wie möglich getroffen werden. Das Ziel von Terrorismus ist es, in der Gesellschaft eine besonders nachhaltige Verunsicherung zu schaffen.

Laut Verfassungsschutzbericht stellt der Terrorismus für Österreich keine größere Bedrohung dar. Dennoch feilt man an einem Terrorismuspräventionsgesetz. Ist die Verhältnismäßigkeit für so ein Gesetz überhaupt gegeben?

Verhältnismäßigkeit ist ein unglaublich dehnbarer Begriff. Wenn es letzten Endes um Leib und Leben geht, dann ist die Verhältnismäßigkeit auf dieser Ebene durchaus gegeben, aber in Hinblick auf die Effizienz und Notwendigkeit eines solchen Gesetzes möglicherweise nicht.

Viele Formulierungen im Terrorismuspräventionsgesetz sind dermaßen unbestimmt, dass ein großer Interpretationsspielraum bleibt. Warum kann man das nicht klarer definieren?

Es ist schwierig – auch für die Autoren von Gesetzestexten – mit Sprache umzugehen. Die Schwierigkeit wird umso größer, wenn bereits der Tatbestand eines Delikts nicht klar umrissen ist. Woraus soll sich ein Verdacht ergeben? Welche Handlungen machen denn verdächtig, wenn man in irgendeiner Vereinigung ein Mitglied ist? Bei dem Tatbestand, die sich gegen gefährliche Gruppen richten, weiß niemand, wann denn eigentlich ein Verdacht vorliegt und damit strafrechtliche Ermittlungen beginnen dürfen.

Wie hoch sehen Sie die Chancen, dass das Terrorismuspräventionsgesetz überarbeitet wird? Beziehungsweise: Glauben Sie, dass die Paragraphen, die noch verhandelt werden, ganz verworfen werden?

Ich denke, die Gesetze werden ohne wesentliche Veränderung durchgesetzt werden. Die Strafdrohung als solche ist nicht das Problem. Ich glaube nicht, dass viele Personen aus Österreich zu Ausbildungslagern fahren und deshalb verurteilt werden. Das Problem ist die Verdachtsrecherche. Bei so einem Gesetz kann es theoretisch passieren, dass Menschen mit muslimischen Wurzeln verdächtigt werden, zu einem Terrorcamp zu fahren, wenn sie ihre Angehörigen in arabischen Ländern besuchen.

Woher kommt der Glaube, dass man mit solchen Gesetzen Terrorismus verhindern kann?

Wenn man naiv ist, könnte man sagen, dass von jenen, die in einem Ausbildungslager waren und deshalb verhaftet worden sind, keine Gefahr mehr ausgeht. Außerdem können Strafdrohungen eine abschreckende Wirkung haben – das ist schließlich der Sinn, eben solche einzuführen.

Ich bezweifle, dass TerroristInnen sich von einer härteren Gesetzgebung abschrecken lassen.

Ich kann mir das auch nicht vorstellen. Im Gegenteil! Ich denke, dass die Wut auf die staatliche Autorität nur noch größer wird. Die Gruppe, vor der man am meisten Angst hat, sind Muslime. Vorbehalte gegen diese Menschen und Strafgesetze, die auf diese Menschen zugeschnitten sind, verursachen noch tiefere Gräben. Ein Kopftuchverbot beispielsweise – das ist jetzt zwar kein Straftatbestand – geht letzten Endes in die gleiche Richtung.

Der §278 wurde nicht nur in Bezug auf das Terrorismuspräventionsgesetz heiß diskutiert, sondern vor allem in Bezug auf den §278a. Er war der Auslöser für den größten TierschützerInnenprozess, der je in der Zweiten Republik stattgefunden hat. Sind die TierschützerInnen eine kriminelle Organisation?

Nein. Nur weil die Tierschützer Wertkartenhandys und einen EDVSpezialisten haben, sind sie noch lange nicht unternehmensähnlich organisiert. Ein Unternehmen hat eine glasklare Weisungshierarchie. Dort kann man sich nicht aussuchen, bei welcher Aktion man teilnimmt oder nicht. Die Tierschützer können das.

Wann hätten Sie den Prozess beendet?

Schon nach der Anklageschrift. Ich hätte die meisten Beweise gar nicht aufgenommen. Wenn es sich um konkrete Delikte handelt, die die Angeklagten begangen haben, dann müssen sie dafür bestraft werden und nicht wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Mir kommt es so vor, als würde sich die Richterin verpflichtet dazu fühlen, nachträglich all diese Ermittlungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Es wurden Beweisaufnahmen bei Dingen geführt, die mit der Sache gar nichts zu tun haben.

Glauben Sie, dass der Prozess mit einem Freispruch endet?

Ich hoffe es.

In der Diskussion rund um den § 278a fordern nun viele, dass man den Paragraphen mit der Bereicherungsabsicht einer kriminelle Organisation einschränkt. Mit diesem Zusatz wäre eine Überwachung der TierschützerInnen nicht möglich gewesen. Warum wird das nicht geändert?
 
Es ist im Moment ein Gesetzesvorhaben in Arbeit. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass so eine Veränderung auch verhindern würde, dass zum Beispiel eine rechtsradikale Organisation über den Paragraph 278a bekämpft werden kann. Wenn Rechtsradikale sich organisieren, etwa um Kebap-Stände zu zerstören oder Ausländer zu nötigen, dann können sie auch nur mehr wegen des konkreten Straftatbestandes zur Verantwortung gezogen werden und nicht bereits wegen ihres Zusammenschlusses.

AutorInnen: Marion Bacher