Da war es nur noch einer

  • 15.06.2016, 20:34
Die Uni Wien will durch die Reduzierung von Masterstudiengängen in der Verwaltung sparen. So werden vier Spezialisierungsmaster der Fakultät für Geschichte ab nächstem Wintersemester zu einem einzigen Masterstudium zusammengefasst. Tatsächliche Einsparungen dürfte das aber nicht bringen.

Die Uni Wien will durch die Reduzierung von Masterstudiengängen in der Verwaltung sparen. So werden vier Spezialisierungsmaster der Fakultät für Geschichte ab nächstem Wintersemester zu einem einzigen Masterstudium zusammengefasst. Tatsächliche Einsparungen dürfte das aber nicht bringen.

Wenn Eva über ihren baldigen Studienabschluss spricht, mischt sich die Freude darüber, bald fertig zu sein mit Nervosität. Denn sie hat nur noch wenige Wochen Zeit, um ihre Masterarbeit fertig zu schreiben und ihre letzte Prüfung zu absolvieren. Anders als bei anderen Masterstudierenden ist der Studienabschluss bis Ende Juni für sie jedoch kein selbst gesetztes Ziel. Schafft sie es nicht, diese Deadline einzuhalten und ihr Studium in den nächsten Wochen abzuschließen, muss sie kurz vor ihrem Masterabschluss noch das Studium wechseln. Denn Evas Studienrichtung Zeitgeschichte wird es ab nächstem Wintersemester nicht mehr geben. Ebenso wenig wie die Masterstudiengänge Frauen- und Geschlechtergeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte oder Historisch-kulturwissenschaftliche Europaforschung.

ALLES IN EINEN TOPF. Stattdessen werden all diese Masterstudiengänge ab dem Wintersemester 2016/2017 in einem einzigen neuen Studiengang Geschichte zusammengefasst. Für die circa 140 Studierenden, die zurzeit einen der oben genannten spezialisierten Masterstudiengänge in Geschichte belegen, bedeutet dies daher: entweder dieses Semester fertig werden, wie Eva, oder den neuen Master Geschichte beginnen – und dabei eine ganze Reihe von Lehrveranstaltungen nachholen. Wie viele von den betroffenen Studierenden den Abschluss rechtzeitig schaffen und wie viele umsteigen müssen, ist noch nicht klar. Aus Erfahrung wisse man aber, dass Studierende in so einer Situation eher versuchen würden, das Studium so schnell wie möglich abzuschließen, heißt es an der Universität Wien. Auf jeden Fall gibt es für die Betroffenen ein „Notfallpaket“, das heißt einen per E-Mail ausgeschickten Zeitplan mit Informationen über die Optionen Studienabschluss und Umstieg. Doch die Änderungen werfen nicht nur studiengangspezifische Fragen über Anrechnungen, Umstiege oder Masterarbeits-Deadlines auf, sondern auch grundsätzliche darüber, wie das Bologna-System in Zukunft aussehen soll und wie erfolgreich die Versuche der Universität Wien sind, bei der Verwaltung einzusparen.

Auf die künftig Inskribierten sowie die UmsteigerInnen kommen einige Veränderungen zu. Denn die neuen AbsolventInnen des Bachelors Geschichte können sich ab nächstem Semester nicht mehr durch ihre weiterführende Studienwahl spezialisieren. „Gesamt gesehen bleibt das Studienangebot in seiner Breite bestehen, auch die Differenzierung in Bezug auf das Lehrveranstaltungsangebot in den einzelnen Schwerpunkten bleibt erhalten“, heißt es dazu zwar von der Universität Wien. Doch im Gegensatz zum bisherigen System, in dem die Studierenden ihr gesamtes Masterstudium, also 120 ECTS, in einem Bereich machen konnten, ist eine Schwerpunktsetzung in Zukunft nur mehr im Ausmaß von je höchstens 30 ECTS möglich. Eine weitere Änderung wird sein, dass dieser neue Masterstudiengang nur noch im Wintersemester begonnen werden kann.

FLEXIBILITÄT ODER OBERFLÄCHLICHKEIT. „Fluch und Segen“ nennt Wolfgang Wiesinger von der Studienrichtungsvertretung Geschichte die Einstellung der Masterstudien. Der Segen ist für ihn dabei, dass der neue Master flexibler sein und mehr Auswahlmöglichkeiten bieten soll, anstatt einem strengen modularen Aufbau zu folgen, wie das die vier bald abgeschafften Studiengänge tun. „Das Problem, das wir bisher hatten war, dass die Studienpläne einfach die Institutsstruktur abbildeten“, erklärt Wiesinger. Bisher richtete sich der Lehrinhalt der Geschichte-Master tatsächlich weniger nach inhaltlichen Fragen, sondern nach der Organisationsstruktur der Fakultät. Es gibt ein Institut für Zeitgeschichte, also gibt es einen Master Zeitgeschichte, ein Institut für Wirtschaftsund Sozialgeschichte, also gibt es einen Master Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Die Zusammenfassung dieser Studiengänge zu einem einzigen Masterstudium soll diese Struktur aufbrechen. Oder wie es die Pressestelle der Univerität Wien ausdrückt: „So können die Studierenden durch die Bündelung in einem Programm bei gleichzeitiger Flexibilisierung des Angebots die Spezialisierungsmöglichkeiten individueller gestalten. Weiteres Ziel bei der Umstellung ist, die Anrechenbarkeiten nach Mobilitätsprogrammen und durch den Wahlbereich die Durchlässigkeit zu anderen Disziplinen zu erhöhen.“ Soweit jedenfalls der Plan.

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Die Frage, ob dies tatsächlich möglich sein wird, hängt allerdings weniger vom Aufbau des neuen Studienplans ab, als davon, welche Lehrveranstaltungen dann in der Praxis tatsächlich zur Auswahl stehen werden. Die Studienvertretung Geschichte kritisierte schon früher ein mangelndes Kursangebot der Fakultät. „Im Moment würde es funktionieren, weil die alten Masterstudiengänge dieses Semester noch viele Lehrveranstaltungen anbieten. Aber wie es nächstes Semester läuft, wenn es die Spezialisierungsmaster nicht mehr gibt, muss man sich ansehen“, meint Wiesinger.

Unter den Studierenden herrscht diesbezüglich die Befürchtung vor, dass das Studium im neuen Master oberflächlicher wird. „Ich würde den neuen Master nicht beginnen, außer es gibt wirklich gar keine andere Möglichkeit mehr. Ich habe mich nach dem Bachelor für Zeitgeschichte entschieden, weil mich das am meisten interessiert hat“, erzählt Eva. „Ich habe mir das schon hypothetisch überlegt: Wenn ich jetzt mit dem Bachelor fertig werden würde, würde ich im neuen Master wahrscheinlich die Schwerpunkte Zeitgeschichte und Frauen- und Geschlechtergeschichte wählen. Aber es würde nicht dasselbe sein. Es wäre nicht Zeitgeschichte.“

EINSPARUNGSPOTENTIAL. Neben Schlagworten wie Flexibilisierung und Interdisziplinarität steht aber noch ein anderer Faktor im Raum: Einsparungen in der Verwaltung. Statt bisher vier verschiedene Studiengänge auf vier getrennten Instituten, muss in Zukunft nur noch ein einziger Studiengang administriert werden. „Das ist allerdings vollkommener Blödsinn“, sagt Wiesinger. „Das hören wir übrigens auch von der Studienservicestelle.“

Für die Institute, an denen die spezialisierten Masterprogramme angesiedelt waren, hat das Ende derselben noch eine weitere Dimension: Sie fürchten, dadurch, dass sie keine kompletten Studiengänge mehr anbieten können, international in Zukunft weniger wahrgenommen zu werden. Eine Lösung haben die verschiedenen Institute dafür jedoch schon gefunden – aber auch diese trägt nicht unbedingt zu Einsparungen in der Verwaltung bei: Das Rektorat will nämlich nicht nur bei der Administration einsparen und alte Strukturen aufbrechen, sondern auch die Interdisziplinarität zwischen verschiedenen Fachgebieten fördern. Der neue Geschichte-Master soll laut der Universität Wien daher unter anderem auch „durch den Wahlbereich die Durchlässigkeit zu anderen Disziplinen erhöhen“.

ALLES BEIM ALTEN. Gleichzeitig gründen die Institute für Zeitgeschichte und Wirtschafts- und Sozialgeschichte im nächsten Jahr neue Studiengänge. Diesmal jedoch unter dem Banner der Interdisziplinarität und mit dem erklärten Ziel ihr Profil zu stärken. Das Masterstudium „Zeitgeschichte und Medien“, das diesen Mai präsentiert wurde, ist eine Co-Produktion der Institute Zeitgeschichte, Politikwissenschaft und Publizistik. Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird sich mit der VWL zusammentun. Das Institut für Osteuropäische Geschichte ist von den aktuellen Kürzungen nicht betroffen, weil es schon länger zusammen mit dem Slawistik-Institut den Studiengang „Osteuropastudien“ betreibt. Auf Nachfrage von progress preist das Institut für Zeitgeschichte seinen neuen Master auch tatsächlich als Möglichkeit zur Weiterführung des alten Masters an. Auch wenn bisher weder Lehrveranstaltungen für das erste Semester dieses neuen Masters feststehen, noch klar ist, wie viel sich an einem Umstieg interessierte Studierende aus dem alte Studienplan anrechnen lassen werden können.

Die Gründung all dieser neuen interdisziplinären Studiengänge würde teilweise einen Schritt in Richtung altes Mastersystem darstellen – nur eben mit einem zusätzlichen allgemeinen Studiengang, den es bisher auch schon gab. Oder wie es Studienvertreter Wiesinger ausdrückt: „Die Situation wird ähnlich wie vorher – nur komplizierter zu administrieren.“

Dass die verschiedenen Institute für Geschichte möglicherweise über Umwege wieder zur alten Struktur zurückfinden, macht für Noch-Zeitgeschichte- Studentin Eva keinen Unterschied mehr. „Der größte Stress ist, dass ich vielleicht noch eine Prüfung machen muss, dass ich irgendeine Lehrveranstaltung übersehen habe“, sagt Eva. „Wenn mir doch noch ein Seminar fehlt, muss ich den neuen Master machen. Aber das will ich auf keinen Fall.“ So schreibt sie unter großem Druck ihre Masterarbeit und bereitet sich auf ihre Prüfung vor. „Das ist ja vielleicht das einzige Gute an der ganzen Situation“, lächelt sie verschmitzt. „Ich hab eine Deadline. Ich muss endlich fertig werden.“

Magdalena Liedl studiert Anglistik und Geschichte an der Universität Wien.

AutorInnen: Magdalena Liedl