Coming-of-Age ohne Coming-out
Eine Schule im südlichen Niederösterreich, in der Homophobie so gut wie nicht existent ist und lesbische Sexualität offen gelebt werden kann, ist der primäre Handlungsort des Films Siebzehn von Monja Art. Die Regisseurin und Drehbuchautorin wollte explizit keinen „Coming-out“-Film abliefern. Vielmehr ging es ihr darum, einen Film über Sehnsucht jenseits geschlechtsspezifischen Begehrens zu machen.
Damit ist auch bereits die Fragestellung für diese Rezension vorformuliert: Soll die Kulturindustrie eine bessere Welt zeigen oder versuchen, die traurige Realität so gut es geht einzufangen? Siebzehn entscheidet sich für ersteres, wobei zumindest in der visualisierten Gedankenwelt von Hauptfigur Paula (Elisabeth Wabitsch) die Existenz homophober Bedrohungsszenarien aufblitzt. Ohne diese kurze Sequenz, in der sie befürchtet, von den MitschülerInnen wegen eines gleichgeschlechtlichen Kusses gemobbt zu werden, müsste man dem Film wohl tatsächlich die Verharmlosung der herrschenden Verhältnisse vorwerfen. So aber schleicht sich über die Tagtraumsequenzen die Realität in den Film, während die sonstige Spielhandlung eher einem Traum gleichkommt. Ein Traum, der in den schönsten Bildern gezeichnet wird und an Emotionen andockt, die nicht nur Jugendlichen, sondern allen RezipientInnen nachvollziehbar sein dürften: Sehnsucht, Verliebtheit, Enttäuschung, Zurückweisung und Eifersucht treiben die Handlung voran.
Die Erzählstrategie jenseits des „Comingout“-Films, für die sich Monja Art entschieden hat, ist dabei durchaus legitim und lässt hoffen, dass der Film seine Wirkung beim Zielpublikum nicht verfehlt. Siebzehn würde auch als TV-Serie gut funktionieren und nicht nur über Paula sondern auch über die vielen exzellent gezeichneten Nebenfiguren möchte man eigentlich noch viel mehr erfahren.
Siebzehn (Ö 2017) ist ab 28. April im Kino.
Florian Wagner studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien.