Caffè Sospeso für Zeitungsverkäufer_innen

  • 25.06.2014, 13:42

Das Auschlössl-Café teilt seinen Standort mit dem Straßenmagazin Megaphon. Neben einer einladenden und offenen Atmosphäre legt das Lokal auch Wert auf biologische, faire und regionale Produkte.

Das Auschlössl-Café teilt seinen Standort mit dem Straßenmagazin Megaphon. Neben einer einladenden und offenen Atmosphäre legt das Lokal auch Wert auf biologische, faire und regionale Produkte.

Es ist ein warmer Frühlingstag und fast alle Tische auf der Terrasse des Auschlössl-Cafés sind besetzt. Zwei Mütter trinken ihren nachmittäglichen Latte Macchiato, während ihre Babys in den Kinderwägen schlummern. Einige Angestellte aus den umliegenden Büros kommen in ihrer Mittagspause vorbei, um sich mit einer Suppe, einem Eintopf oder Salat für die zweite Hälfte des Arbeitstages zu stärken. Ein altes Ehepaar besucht nach seinem Spaziergang im angrenzenden Augarten spontan das Café, um das Burgenländer Kipferl zu probieren. Daneben döst ein Hund im Gras.

Megaphon-Café. Auf den ersten Blick scheint das Auschlössl ein gewöhnliches Lokal zu sein. Menschen sitzen auf den schlichten braunen Holzsesseln der Terrasse, löffeln Suppe aus bunten Porzellanschüsseln oder trinken ein Bier. Auf der Bar stehen Gläser mit Keksen und kleine Kübel, aus denen Basilikum oder Melisse wachsen. Darüber hängt eine Stellage für Wein- und Saftflaschen. Doch wenn man an der Bar vorbei in den hinteren Teil des Gebäudes kommt, steht man plötzlich vor riesigen Stapeln des Megaphon-Magazins, weshalb das Auschlössl auch Megaphon-Café genannt wird.

Das Megaphon ist ein seit 1995 monatlich erscheinendes Grazer Straßenmagazin und gleichzeitig eine soziale Initiative der Caritas. Menschen ohne Arbeitsgenehmigung können hier eigenverantwortlich um 1,25€ pro Stück Zeitschriften kaufen und diese um 2,50€ auf der Straße weiterverkaufen. „Diese Arbeit soll ein Zwischenstopp zu einer Arbeitsgenehmigung sein“, erklärt Philipp Carstanjen, der als Zivildiener bei der Caritas arbeitet und für das Megaphon zuständig ist. „Im Schnitt dauert das aber acht bis elf Jahre.“ Aktuell gibt es etwa 400 Megaphon-Verkäufer_innen, 250 davon in Graz, der Rest in den ländlichen Gebieten der Steiermark und Kärntens. Dabei hat jede_r Verkäufer_in einen fix zugewiesenen Standort. Etwa 18.000 Exemplare werden monatlich produziert.

Caffè Sospeso. Im ersten Stock des Hauses befindet sich die Redaktion der Zeitschrift, im Nebengebäude findet der Vertrieb statt. Bevor das Auschlössl-Café um 9:00, an Sonn- und Feiertagen um 10:00 öffnet, kommen die Megaphon-Verkäufer_innen in das Lokal, um sich bei Philipp die Magazine abzuholen. Manchmal hat auch einer der Gäste einen sogenannten „Caffè Sospeso“ für die Verkäufer_innen hinterlassen, indem er einen Kaffee mehr gezahlt als getrunken hat.

„Das Café hat den Anspruch, sozial und multikulti zu sein“, erklärt die Teamleiterin Elisabeth Seifert. Auf der Terrasse steht eine etwa zwei Meter große Figur aus rotem Draht, die einen Menschen mit einem Megaphon in der Hand darstellt. Ein Zeitungsverkäufer hat sie selbst gefertigt. Im Café hängen Bilder von Künstler_innen, welche in der aktuellen Megaphon-Ausgabe vorgestellt werden. Dahinter gibt es einen Begegnungsraum, in dem unter anderem Deutschkurse, Film-, Tanz- und Musikabende stattfinden, finanziert durch freiwillige Spenden. Außerdem werden Workshops abgehalten, bei denen Verkäufer_innen ihre besonderen Kenntnisse vermitteln: Wie komme ich zu einer Arbeitsgenehmigung; wie bekomme ich eine Wohnung; wie kaufe ich sparsam ein – um solche Fragen geht es dabei beispielsweise.  

Lokal, regional, saisonal. Dem Team des Auschlössl-Cafés ist es auch besonders wichtig, lokale, regionale und saisonale Produkte anzubieten. „Es geht uns vor allem darum, die umliegenden Geschäfte einzubinden und dabei hohe Qualität zu sichern“, erklärt Philipp. Er ist ausgebildeter Koch und somit eine große Bereicherung für den Betrieb. Bei vielen Getränken und Speisen sind auf der Speisekarte die Produzent_innen angegeben. Brot und Gebäck wird von der benachbarten Bäckerei Kern bezogen. Feta, Oliven und andere mediterrane Produkte werden bei dem griechischen Laden Bakaliko am Grazer Lendplatz gekauft. „Der Besitzer Timo fährt selbst zu seinen Verwandten nach Kreta und holt dort die Sachen. Ich weiß also wirklich, wo sie herkommen“, meint Philipp.

Wenn möglich werden regionale Produkte für die Speisen und Getränke verwendet. Alkoholische Getränke kommen aus südsteirischen Weingütern oder Brennereien. Eine Spezialität ist der „Perlmut“ vom Gaumengut von Lorenz Kumpusch, ein Wermut-Frizzante-Getränk. Lorenz Kumpusch ist auch Küchenchef im Grazer Landhauskeller und Autor der vierteljährlich erscheinenden Megaphon-Kochbücher. Dort präsentieren Megaphon-Verkäufer_innen kulinarische Spezialitäten aus ihren Herkunftsländern.

Das Auschlössl-Café arbeitet auch mit der Grazer Caritas-Fachschule zusammen, welche die Kuchentheke des Lokals befüllt. Etwa 120 Schüler_innen besuchen diese Schule und kreieren in der Lehrküche Zitronentartes und andere Leckerbissen. Zusätzlich erhält das Auschlössl auch Kuchenspenden von ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen der Caritas.

Atmosphäre vor Profit. Wenn die Produkte nicht aus der Umgebung kommen, wird vor allem auf Bio und Fair Trade geachtet, , beispielsweise bei Kaffee. Trotzdem ist ein Cappuccino mit 2,60€ verhältnismäßig billig. „Wir machen nicht wesentlich Profit, aber es geht sich am Monatsende immer gut aus. Wir möchten Bio und Fair zu annehmbaren Preisen anbieten. Profit ist nicht das Wichtigste“, meint Elisabeth Seifert. Etwa zehn Leute arbeiten im Moment Halb- oder Vollzeit im Auschlössl. Zu Stoßzeiten braucht es drei Leute, um die Gäste zu bedienen.

Spezialitäten des Lokals sind das Frühstücksangebot von orientalisch mit selbst gemachtem Hummus bis zu Schinkenbrot und Müsli und die wechselnden „Hotpot“-Suppen und -Eintöpfe, zubereitet nach der 5-Elemente-Küche. Viele der angebotenen kleinen Speisen sind vegan oder glutenfrei. Das zieht vor allem Student_innen an, aber das Publikum ist bunt gemischt. Elisabeth Seifert begrüßt das: „Das Publikum ist familiär und altersmäßig gemischt. Und wenn ein Kind nach dem Spielen im Augarten hereinkommt, bekommt es auch mal ein Croissant oder einen Toast umsonst.“

 

Margot Landl studiert Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaft an der Universität Wien.

 

Homepage Straßenzeitung „Megaphon“ http://www.megaphon.at/

Das Auschlössl auf Facebook: www.facebook.com/auschloessl

 

AutorInnen: Margot Landl