Breiviks ideologische Wiege
Der Pariser Jurist Bernhard Schmid widmete sich in seinem Buch dem komplexen Manifest Breiviks. Eine Rezension.
VERHARMLOSENDE DIAGNOSE. Anders B. Breivik, der im Sommer 2011 in Oslo und auf Utøya 77 Menschen ermordete, wurde zunächst paranoide Schizophrenie attestiert. Die Öffentlichkeit bediente sich vorschnell und umstritten der psychischen Krankheit als Erklärungsmuster. Der Pariser Autor und Journalist Bernhard Schmid zeigt in seinem neu erschienenen Buch „Distanzieren, Leugnen, Drohen“ auf, dass es sich bei Breivik nicht um das Werk eines vereinzelten Unzurechnungsfähigen handelt, sondern um eine bewusste politische Positionierung weit rechts.
„NEUE RECHTE“. Breivik nimmt durchwegs Bezug auf Rechts-Parteien und „antiislamistische“ Organisationen in Europa. Schmid erkennt eine generelle Bestrebung in der Rechten, sich von Antisemitismus und NS-Ideologie zu distanzieren, einige „ideologische Verrenkungen“ hinnehmend. Solche Verrenkungen zeigen sich zum Beispiel anhand widersprüchlicher Aussagen entsprechender PolitikerInnnen (u.a. Front National, Vlaams Belang, FPÖ). Bezugspunkt ist die - durchaus paranoide - Vorstellung einer organisierten „Islamisierung“ Europas durch Bevölkerungsaustausch, sowie einer Bedrohung der christlichen Werte und der abendländischen Kultur durch Multikulturalismus, Einwanderung und „Kulturmarxismus“.
NEUE VERBÜNDETE.
Breivik sieht sich als „pro-israelischen Konservativen“ und als Bewahrer des Abendlandes. Israel wird als „Vorposten“ westlicher Zivilisation und Verbündeter gegen „den Islam“ gedeutet. Positionen, die sich auch in rechten Parteiprogrammen finden. Schmids Buch bietet zwar keinen ideologiekritischen Tiefgang - ein Fazit gegen Ende des Buches wurde ausgespart -, dafür liefert die Lektüre eine gute Übersicht an Fakten zur „Neuen Rechten“.
Bernhard Schmid – Distanzieren, leugnen, drohen: Die europäische extreme Rechte nach Oslo, ed. Assemblage, 2011
Der Autor Michael Poigner studiert Philosophie an der Uni Wien.