Brücken statt Stacheldraht
Klaus Schwertner: "Ich glaube, dass die ÖVP nach dem Wahlkampf in Wien 2010 erkannt hat, dass es keine Wahlerfolge bringt, Menschen in Not zu kriminalisieren. Es ird am 1. Jänner 2014 eine Liberalisierung des Fremdenrechts geben."
progress: Wann wären die Proteste in der Votivkirche aus Sicht der Caritas ein Erfolg?
Klaus Schwertner: Durch ihren Protest haben die Flüchtlinge schon sehr viel erreicht: Sie haben sichtbar gemacht, dass es grundsätzliche Probleme in den Unterkünften und im Verfahren gibt. Erstmals treten AsylwerberInnen in einer breiten Öffentlichkeit selber für ihre Anliegen ein. Menschenrechte gelten für alle, das vermitteln sie eindrucksvoll. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass wir in einem Rechtsstaat leben, das heißt nicht jedeR die oder der Asyl beantragt, wird auch Asyl erhalten. Die PolitikerInnen könnten zwei Dinge von den Flüchtlingen lernen: mehr Menschlichkeit und mehr Mut. Eine Lösung für die Flüchtlinge in der Votivkirche ist eine Frage des Wollens, nicht des Könnens.
Warum hat sich aus der Bundesregierung niemand in die Kirche begeben? Oder der Bundespräsident, der sich auch
für Arigona Zogaj stark gemacht hat?
Das müssen Sie die PolitikerInnen selbst fragen. Es gab in der Kirche Gespräche mit Kardinal Schönborn und mit Othmar Karas, dem Vize-Präsidenten des Europaparlaments. Aber es ist nicht so wichtig, wo ein Dialog stattfindet, sondern dass ein Dialog stattfindet. Die Innenministerin hat Anfang Jänner vier Flüchtlinge, die in der Votivkirche Schutz suchen, empfangen. Dabei hat sie zwei Stunden lang mit ihnen gesprochen und faire Verfahren versprochen – aber auch betont, dass es keine strukturellen Änderungen im Asylrecht geben werde.
Welche gesetzlichen Änderungen braucht es aus Ihrer Sicht?
Es ist nicht alles schlecht und nicht alles gut im österreichischen Asylwesen. Wenn man sich die Verhältnisse in Griechenland anschaut, stehen wir hier nicht so schlecht da. Trotzdem sollte Europa gemeinsam Brücken bauen, anstatt Stacheldrähte hochzuziehen. Österreich braucht rasche, qualitätsvolle Asylverfahren. In acht von neun Bundesländern gibt es baufällige, schimmlige Quartiere. Da brauchen wir Mindeststandards: Es geht nicht um Hotels mit drei Sternen, sondern um menschenwürdiges Wohnen. Wir brauchen eine einheitliche Beurteilung der Gefahren in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Es mutet eigenartig an, dass auf der Homepage des Außenministeriums Reisewarnungen der höchsten Sicherheitsstufe für Pakistan ausgesprochen werden, aber die Flüchtlinge aus diesen Regionen möglicherweise dorthin zurück müssen.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass im Asyl- und Fremdenrecht seit 20 Jahren eine Verschärfung die andere jagt.
Unzählige Novellen haben dazu geführt, dass die Qualität der Gesetze immer schlechter geworden ist. Durch die Schaffung des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration sollte es aber hier dringend notwendige Verbesserungen geben. In den letzten Jahren hat sich einiges zum Positiven verändert. Aber auf der einen Seite wirft man Flüchtlingen oft vor, dass sie viel Steuergeld kosten, und auf der anderen Seite lässt man sie nicht arbeiten – das ist zynisch. Die aktuelle Regelung erlaubt nur Saisonarbeit bei der Ernte. AsylwerberInnen dürften Gurkerl ernten, aber aufgrund der Einschränkung der Bewegungsfreiheit dürfen sie oft nicht dort hin, wo die Gurkerl sind.
Haben sich SPÖ und ÖVP in der Frage der Rechte von MigrantInnen zu lange von der FPÖ treiben lassen?
Ich glaube, dass die ÖVP nach dem Wahlkampf in Wien 2010 erkannt hat, dass es keine Wahlerfolge bringt, Menschen in Not zu kriminalisieren. Es wird am 1. Jänner 2014 eine Liberalisierung des Fremdenrechts geben. Menschen, die sich fünf Jahre in Österreich aufhalten, drei davon legal, bekommen einen Rechtsanspruch auf humanitäres Bleiberecht. Abschiebungen von Kindern mit Sturmgewehren, Familien, die auseinandergerissen werden: Diese Zustände müssen in Österreich ein Ende haben und ich bin guten Mutes, dass uns das gelingt. Es braucht klare Gesetze und Menschlichkeit.