Auf der Suche nach einer Definition

  • 13.07.2012, 18:18

Auf der Suche nach der einen Faschismus-Definition wird schnell klar: Eine allgemein anerkannte Definition gibt es nicht. Ursachen, Auswirkungen, Charakteristika – die Gewichtung ist unterschiedlich und so sind es auch die Definitionsansätze. Ein kurzer Überblick.

Auf der Suche nach der einen Faschismus-Definition wird schnell klar: Eine allgemein anerkannte Definition gibt es nicht. Ursachen, Auswirkungen, Charakteristika – die Gewichtung ist unterschiedlich und so sind es auch die Definitionsansätze. Ein kurzer Überblick.

Das Wort Faschismus leitet sich aus der italienischen Bewegung Benito Mussolinis her. Die fasces (Rutenbündel) waren ursprünglich ein Machtsymbol der BeamtInnen im antiken Rom. Mussolini verwendete es als Erkennungszeichen für seinen Fasci di Combattimento (Italienischer Kampfverband), dessen AnhängerInnen heute besser als Schwarzhemden bekannt sind. Nach der Machtübernahme Mussolinis 1922 und der Ausbreitung ähnlicher Regime wurde der Begriff des Faschismus auch für diese übernommen.
Was bei näherer Betrachtung der Machtergreifung des Faschismus in den verschiedenen Ländern auffällt ist, dass es sich stets um eine Gegenbewegung zu der erstarkenden ArbeiterInnenbewegung handelte. Der Marsch auf Rom folgte auf die Biennio rosso – die zwei roten Jahre.
Eine der Schwierigkeiten beim Finden einer Faschismus-Definition ist die Tatsache, dass trotz aller Übereinstimmungen alle faschistischen Regime zum Teil starke Unterschiede aufwiesen und auch untereinander konkurrierten. So wird heute gerne zwischen Voll- und Halbfaschismen unterschieden. Hier gelten beispielsweise der italienische und der deutsche als Vollfaschismen, während der Austrofaschismus als Halbfaschismus angesehen wird.

Wesentliche Merkmale. Dennoch lassen sich wesentliche Merkmale des faschistischen Herrschaftsprinzips festhalten. Ein wesentliches Element des Faschismus ist das stark ausgeprägte FührerInnenprinzip. Es dient als Identifikationsfigur für einen Großteil der Bevölkerung.
Der Aufbau einer faschistischen Partei ist oftmals stark militärisch geprägt. Ein weiteres wichtiges Element faschistischer Politik ist die Schaffung von Sündenböcken. Während die marxistischen Bewegungen das System an sich kritisieren, werden im Faschismus einzelne Bevölkerungsgruppen als Erklärung für Missstände gebracht. So wurde beispielsweise der stark verbreitete Antisemitismus genutzt, um der jüdischen Bevölkerung die Schuld an allem Schlechten zuzuschieben. Besonders in Deutschland wurde dies gleich mit dem Erzfeind, dem Bolschewismus verbunden. So wurde eine bolschewistisch-jüdische Weltverschwörung erfunden, um gezielt gegen AntifaschistInnen und Juden und Jüdinnen vorzugehen, auf die sich der Volkszorn richtete. Interessant hierbei ist, dass sich auch heute noch Parteien oder Organisationen dieses Prinzips bedienen. So sind das neue Feindbild der Rechten, nämlich „die Ausländer“, und vor allem die Islamfeindlichkeit stark ausgeprägt. Aber auch altgewohnte Feindbilder werden wieder bedient, wie zum Beispiel Ariel Muzicant, Präsident der israelitischen Kultusgemeinde Wien, den Martin Graf als „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus“ bezeichnete.

Kapital und Faschismus. Die erste Marxistin, die sich bezüglich einer Definition des Faschismus äußerte, war Clara Zetkin. Ihr zu Folge wäre der Faschismus eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals.
Stalins Sozialfaschismusthese ging soweit zu behaupten, dass auch die Sozialdemokratie an sich faschistisch sei. Begründet wurde dies unter anderem mit der Niederschlagung von kommunistischen Aufständen nach dem ersten Weltkrieg. Demnach hätte die Sozialdemokratie den Kapitalismus an der Macht gehalten. Die Absurdität dieser These gipfelte in der Weigerung der KPD, ein Bündnis mit anderen Organisationen einzugehen, was indirekt auch die Machtergreifung Hitlers begünstigte.
1935 wurde die Sozialfaschismustheorie als offizielle Position der Kommunistischen Internationale von der Dimitroff-These abgelöst. Diese bezeichnete den Faschismus als „die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Begründet wurde dies mit der gleichbleibenden ökonomischen Basis.
Trotzki setzte sich ab den 1930er Jahren intensiv mit dem Faschismus auseinander und hielt im Besonderen den kleinbürgerlichen Charakter der faschistischen Herrschaft, dessen Ziel die Zerschlagung der gesamten ArbeiterInnenbewegung sei, fest. Aus diesem Grund trat er auch für eine antifaschistische Einheitsfront des deutschen Proletariats, bestehend aus KPD, SPD und freien Gewerkschaften, ein.

Moderne Theorien. Weiters kamen im Laufe der Zeit neue Theorien hinzu, oder es wurden schon bestehende ausgebaut. So lieferte beispielsweise Wilhelm Reich mit seinem Werk Die Massenpsychologie des Faschismus Stoff für weitere Theorien, die sich stark an der sozialpsychologischen Komponente orientieren. VertreterInnen dieser Denkrichtung kommen vor allem aus der Frankfurter Schule rund um Adorno. Hier steht die Frage im Vordergrund, wie es möglich ist, dass große Teile der Bevölkerung so anfällig auf faschistisches Gedankengut sind.
Eine weitere, neuere Theorie bezeichnet den Faschismus als politische Religion. Ein bedeutender Vertreter dieser Theorie ist vor allem der italienische Faschismusforscher Emilio Gentile, welcher den zum Teil religiösen Charakter der faschistischen Herrschaft festhält.
Wie schon eingangs erwähnt variieren die Erklärungsversuche des Faschismus stark nach politischer Position, dementsprechend gibt es auch keine universell gültige Faschismus-Definition. 

AutorInnen: Laurin Rosenberg