2000 Feministinnen in Wien

  • 10.10.2012, 15:51

Das Frauenfußballteam ballerinas hat die erste internationale queer-feministische Fußballade für Frauen, Lesben, Inter und Trans in Wien organisiert. Vanessa Gaigg traf zwei ballerinas, Lisi und Cécile, zum Interview.

Das Frauenfußballteam ballerinas hat die erste internationale queer-feministische Fußballade für Frauen, Lesben, Inter und Trans in Wien organisiert. Vanessa Gaigg traf zwei ballerinas, Lisi und Cécile, zum Interview.

progress: Wie seid ihr zum Fußball gekommen?

Lisi: Ich bin vor ungefähr drei bis vier Jahren dazugekommen. Als Kind bin ich nie auf die Idee gekommen, Fußball zu spielen, weil ich nie eine Frau gesehen habe, die das macht – ich bin da ‚klassisch weiblich’ sozialisiert worden. Ich hab dann erst auf der USI (Universitätssportinstitut, Anm. d. Red.) einen Kurs gemacht und es hat mir so Spaß gemacht, dass ich weiter spielen wollte. Dann bin ich auf die ballerinas gestoßen, die sich da gerade neu formiert haben.

Cécile: Ich bin 2007 dazugestoßen. Fußball ist ein Bestandteil meines Lebens seit ich klein bin – immer, immer, immer. Ich hab semi-professionell gespielt, aber aufgehört, weil ich mit dem Kontext Fußball nix mehr anfangen konnte. Die Gewalt am Feld, die Gewalt in der Kantine, die Gewalt in der Vereinsstruktur. Da hatte ich Fußball für mich abgeschrieben. Dann hab ich die ballerinas getroffen und mir gedacht: na gut, ich probier's noch einmal. Fußball ist für mich das schönste und intelligenteste Spiel, das ich je gesehen und erlebt habe. Und hier funktioniert's: Es geht ums Spielen, dass ein Pass ankommt, dass man mitläuft, dass man überlegt und dass man als Team funktioniert.

progress: Euch ist vor allem wichtig, dass ihr schön zusammenspielt, es geht nicht nur ums Gewinnen. Ist das ein wesentlicher Abgrenzungspunkt zu anderen Teams?

Lisi: Es ist sehr wichtig für uns, dass es wirklich ums Fußballspiel geht. Wir sind ein Team und wir wollen gemeinsam spielen. Es gibt bei uns Leute wie Cécile, die seit ihrer Kindheit spielen und Leute wie mich, die erst später dazugestoßen sind. Uns ist total wichtig, dass alle mitspielen können und nicht einige wenige die Tore reinbrettern, weil das geht schnell einmal. Natürlich wollen wir  Bälle ins Tor bringen, aber es geht schon sehr stark drum dass wir gemeinsam spielen und schön spielen. Und wir sind schon oft auf Turnieren angesprochen worden, dass wir am schönsten gespielt haben, auch wenn wir letzte geworden sind. 

progress: Wie hat sich die Gewalt geäußert?

Cécile: Damit meine ich zum Beispiel eine Schlägerei am Feld, nicht nur ein Foul, sondern die Gegnerinnen treten und in der Kabine noch erklären, dass Fussball Krieg ist. Weil es geht ums Siegen, nur ums Siegen. Dann – klar – gibt es noch die strukturelle Gewalt zwischen Männern und Frauen. Die Frauen kriegen den Platz zum Trainieren, wo es kein Flutlicht gibt, das heißt du trainierst im Dunklen oder nur mit Straßenlaternenlicht. Der Verein hat im Winter keine Kohle, damit du in der Halle trainieren kannst, also heißt's auch im Jänner oder Februar draußen zu trainieren... das ist auch nicht so lustig. Und dann natürlich noch die Homophobie, alle Fußballerinnen sind lesbisch, und so weiter. Das ist eine Struktur, die sich durchzieht.

progress: In eurem Manifest steht, dass ihr bewusst außerhalb jeglicher Vereinsstrukturen spielt. Warum ist euch das wichtig?

Cécile: Ein Verein hat eine Struktur, eine Hierarchie, eine Hackordnung... und das wollen wir nicht. Wir haben keine TrainerIn, keine Kapitänin, keine Sprecherin, wir sind ein Kollektiv.

Lisi: Wir gehören schon dem schwul-lesbischen Sportverein Aufschlag an, aber das eher aus praktischen Gründen. Das ist kein Fussballverein, das heißt wir sind relativ autonom.

progress: Gibt es Vereine, mit denen ihr befreundet seid?

Cécile: Ja, mit den Gaynialen schaffen wir es, ein bis zwei Mal im Winter zu trainieren. Seit kurzem haben wir auch Kontakt zu acht weiteren Teams, wir versuchen das auf jeden Fall zu intensivieren.

progress: Wie schätzt ihr die Situation von Frauenfußball in Wien ein?

Lisi: Es wird besser, aber es wird noch lange nicht ernst genommen. Ich weiß nicht, wie das ist mit professionellen Vereinen, aber ich merke in meinem privaten Umfeld, dass es immer noch schwierig ist. Es gibt extrem viel Sportförderung für alles, was mit Männerfußball zu tun hat, aber wenn Frauenfußballinitiativen mal um Förderungen ansuchen, dann ist plötzlich kein Geld da.

Cécile: Ich habe mein Leben lang beim Vater/Sohn Turnier zusehen müssen, weil ich eben nicht der Sohn meines Vaters bin. Ich will endlich mal ein Mutter/Tochter Turnier sehen, ich hätte gerne, das andere das erleben dürfen.Wir wollen im Schweizergarten (in Wien, Anm. d. Red.) einen gesperrten Platz haben für Mädchen zum Fußball spielen beziehungsweise Sport treiben. Wir versuchen seit zwei Jahren, das durchzukämpfen. Nach dem Turnier wollen wir das wieder in Angriff nehmen. Wir wollen einen Platz mit Kabine und Platzwart, wir würden sogar zwei Arbeitsplätze in Wien schaffen. (lacht)

Lisi: Die Mädchen werden immer von Burschen vertrieben und können nicht spielen. Deswegen ist auch die Notwendigkeit da, einen eigenen Bereich zu schaffen, wo sie spielen können. Das sichtbar zu machen ist ganz wichtig - deswegen war es uns auch ganz wichtig, das Turnier draußen zu veranstalten, dass man uns sieht und wenn man vorbeikommt sieht: Die haben Spaß!

Cécile: Und es sind viele!

Lisi: Ja, es sind sehr viele! Es spielen 16 Teams und 145 Spielerinnen.

progress: Wie habt ihr das Turnier organisiert? Von den 145 Spielerinnen sind ja viele auch extra angereist.

Cécile: Ja, es sind auch Teams aus Polen, Deutschland und England angereist. Wir haben uns anfangs jedes Monat, später jede Woche getroffen. Jede von uns hat sich verpflichtet, ein Jahr dabei zu sein und nicht abzuspringen.

Lisi: Wir wollten eben nicht nur das Turnier organisieren, sondern haben auch eine Ausstellung zu Lesben und Schwulen im Sport aufgestellt und wir haben einen Infotisch mit Infomaterial. Wir wollen nicht nur spielen, sondern auch einen politischen Anspruch haben.

Cécile: Wir haben Glück gehabt, dass gleichzeitig die FrauenSommerUni (FSU) und rampenfiber stattgefunden hat. Es sind an die 2000 Feministinnen in Wien! Nicht nur Frauen, sondern: Feministinnen! Es gibt Sport, Kultur und Bildung: Feminismus lebt und wird gelebt.

progress: Besitzt Fußball mehr emanzipatorisches Potential als andere Sportarten? Gerade was feministische Belange angeht?

Lisi: Theoretisch nein, praktisch ja. Es ist so, dass Fußball nach wie vor in der Welt, in der wir leben sehr stark mit diesen seltsamen Männlichkeitsbildern aufgeladen ist und ich deswegen schon glaub', dass es einfach eine gewisse emanzipatorische Wirkung haben kann, wenn man als Frau Fußball spielt.
Wenn wir im Prater oder auf der Donauninsel trainieren passiert es uns oft, dass Männer stehen bleiben und wenn wir den Ball grad rausschießen, müssen sie vorher unbedingt noch Tricks machen, bevor sie ihn zurückschießen. Bei einem Männerteam macht das niemand. Je mehr Frauen in der Öffentlichkeit Fußball spielen, umso mehr kann es auch verändern. Auch das Selbstbild von Frauen ändert sich dadurch. Zumindest meines hat sich dadurch verändert.

Cécile: Klar, weil du exponiert bist. Du bietest eine Angriffsfläche.

Lisi: Und Fußball ist auch ein Kontaktsport.

Cécile: Ja, du bist verschwitzt, rutscht am Boden, bist dreckig, fällst und stehst wieder auf.

 

AutorInnen: Vanessa Gaigg