„Einfach hinhauen kann ja jeder“
Kontrolle statt pure Brutalität: Mirneta und Mirnesa Becirovic trainieren Jiu Jitsu, den „sanften“ Kampfsport aus Japan.
Kontrolle statt pure Brutalität: Mirneta und Mirnesa Becirovic trainieren Jiu Jitsu, den „sanften“ Kampfsport aus Japan.
Lange blonde Haare, zu einem Pferdeschwanz gebunden, zierlich, etwa einen Meter fünfundsechzig groß, die Augen sorgfältig geschminkt, auf dem rechten Eckzahn ein silber funkelnder Schmuckstein – so sehen amtierende Vizeweltmeisterinnen in Jiu Jitsu aus. Seit ihrem siebten Lebensjahr praktizieren die eineiigen Zwillinge Mirneta und Mirnesa Becirovic Jiu Jitsu, die sanfte und nachgebende Kampfkunst aus Japan. „Wir sind mit dem Sport aufgewachsen, eigentlich können wir uns gar nicht an die Zeit vor Jiu Jitsu erinnern“, sagen die heute Zwanzigjährigen aus Pressbaum in Niederösterreich. Schon als kleine Kinder waren sie fasziniert vom Trainingsgewand der älteren Jiu Jitsuka, dem Gi. Mit dem sechsten Geburtstag war endlich die Altersgrenze für den Verein in Pressbaum erreicht, und seither trainieren die beiden fast täglich. „Der Sport ist ein Teil von uns geworden“, erzählen Mirneta und Mirnesa, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen.
Auch wegen ihrer Leidenschaft für den Kampfsport entschieden sich die beiden nach der HAK für eine Ausbildung in der Polizeischule. Dort haben sie die Möglichkeit, Jiu Jitsu in ihr tägliches Leben zu integrieren. Zwei Jahre länger dauert die Ausbildung, dafür ist ein tägliches Training von etwa drei Stunden möglich. „Natürlich müssen dazu die sportlichen und schulischen Leistungen passen“, nicken die Zwillinge. Und das tun sie in ihrem Fall: Den wichtigsten Wettkampf der Saison, das Paris Open, konnten die beiden für sich entscheiden. Jetzt trainieren sie für die WeltmeisterInnenschaft, die im November und Dezember in Wien stattfinden wird.
Beim Duo-Wettkampf treten die AthletInnen zu zweit an und liefern einen choreografierten Schaukampf – mit Tritten, Schlägen und Schreien. Bewertet werden Präzision, Technik, Timing und Auftreten. „Es sieht brutal aus und natürlich holt man sich den einen oder anderen blauen Fleck, aber wirklich verletzt haben wir uns glücklicherweise noch nie“, erklären die Niederösterreicherinnen. Einen
kleinen Vorteil haben sie als Zwillinge vielleicht schon, geben sie zu: „Wir kennen und vertrauen uns einfach und sind richtig eingespielt. Wir haben eben von Anfang an miteinander trainiert.“ Bei Jiu Jitsu komme es auf die Kunst an, kontrolliert zu schlagen, sagen Mirneta und Mirnesa. Kampfsport müsse nicht brutal sein, das sei gar nicht notwendig. Es sei viel wichtiger, sich verteidigen zu können und die Kraft des Gegners gegen ihn selbst zu verwenden. „Einfach nur hinhauen kann jeder.“ Den einen oder anderen schrägen Blick ernten die Zwillinge immer wieder, wenn sie von ihrem Sport erzählen. Blöde Kommentare wie „Uh, da muss ich ja gleich aufpassen“ inklusive.
Für die beiden sind Frauen im Kampfsport dagegen selbstverständlich. Mit den teils schockierten Reaktionen gehen sie locker um: „Man sieht es uns vielleicht nicht an, aber der Sport gehört zu uns dazu. Wir nehmen den Schock aber keinem übel, genauso wie wir uns daran gewöhnt haben, ständig verwechselt zu werden“, lachen die beiden.