„Die Direktwahl ist unser größter Erfolg“
Im Mai 2015 sollen die nächsten ÖH-Wahlen anhand des neuen HochschülerInnengesetzes (HSG 2014) stattfinden. Margot Landl hat für progress online mit der ÖH-Generalsekretärin, Viktoria Spielmann, über das Gesetz und die damit einhergehenden Veränderungen gesprochen.
Im Mai 2015 sollen die nächsten ÖH-Wahlen anhand des neuen HochschülerInnengesetzes (HSG 2014) stattfinden. Margot Landl hat für progress online mit der ÖH-Generalsekretärin, Viktoria Spielmann, über das Gesetz und die damit einhergehenden Veränderungen gesprochen.
progress online: Was sind für dich als Generalsekretärin die wichtigsten Punkte des neuen HochschülerInnengesetzes?
Viktoria Spielmann: Besonders wichtig ist, dass die direkte Mitbestimmung von Studierenden wieder gestärkt worden ist. Das geschieht vor allem durch die Direktwahl, die unter Schwarz-Blau 2004 abgeschafft wurde. Seit zehn Jahren hat die ÖH-Exekutive versucht, diese wieder einzuführen, und das war somit der größte Erfolg. Außerdem bestehen wir jetzt nur noch aus 55 MandaratInnen, was das Arbeiten viel leichter macht. Auch das passive Wahlrecht für Drittstaatsangehörige wurde endlich eingeführt. Davor durften sie nur wählen, aber sich selbst nicht als StudienvertreterIn aufstellen lassen. Dies hat den rassistischen Normalzustand in der Gesellschaft reproduziert. Wichtig ist auch, ist, dass die Privatuniversitäten, die mit der Gesetzesnovelle 2005 aus dem HSG hinausgeflogen sind, wieder das Recht bekommen, mitzubestimmen und sich selbst zu vertreten. Somit sind auch die Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben eine große Autonomie erhalten.
Wieso gibt es in dem Gesetz so viele Ausnahmeregelungen bezüglich der Fachhochschulen?
Bisher war es so, dass die Hochschulvertretungen der Fachhochschulen nicht durch ein Listenwahlrecht gewählt wurden. Das ist jetzt anders. Diese Regelung wurde vereinheitlicht und ab jetzt gilt überall das Listenwahlrecht. Die Fachhochschulvertretung wurde davor auch nicht direkt gewählt, auch das hat sich geändert. Die Fachhochschulen haben andere gesetzliche Grundstrukturen als die Universitäten. Sie sind privatrechtlich organisiert, genauso wie Privatuniversitäten. Es gibt daher auf Fachhochschulen keine RektorInnen, sondern einen Erhalter oder eine Erhalterin. Dabei handelt es sich um eine juristische und keine reale Person. Wir wollten, dass Studierende, wenn sie sich zum Beispiel einen Raum für Veranstaltungen mieten wollen, eben nicht zu einem Erhalter oder einer Erhalterin gehen müssen. Es wird daher künftig eine reale Person als Kontaktperson für die Studierenden geben. Ab jetzt gibt es daher eine Person, die von dem Erhalter oder der Erhalterin dafür bestimmt wird.
Die Bundesvertretung der ÖH hat nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs Mitte April eine ausführliche Stellungnahme an das Bundesministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung geschickt. Hat sich nach dieser Stellungnahme noch etwas verändert?
Es wurden noch einige Dinge aufgenommen, die wir vorgeschlagen haben. Ein Beispiel dafür ist eben das Festsetzen einer Person von dem Erhalter oder der Erhalterin einer Fachhochschule, die sich um die Vergabe von Veranstaltungsräumen kümmert. Meistens waren es aber kleine Dinge, wie beispielsweise Begrifflichkeiten die formal falsch waren und verbessert wurden, damit man sie nicht falsch versteht. Prinzipiell muss man sagen, dass wir von Anfang an ein Konsenspapier als Exekutive formuliert und dann zusammen mit der Aktionsgemeinschaft als größter Oppositionsfraktion intern verhandelt haben. Anschließend sind wir gemeinsam mit dem Entwurf aller fünf Fraktionen ins Ministerium gegangen. Insofern waren wir von Anfang an stark bei den Reformen des HochschülerInnengesetzes miteingebunden. Und es sind sehr viele Vorschläge von uns von vorne herein mitaufgenommen worden. Wie beispielsweise die 55 ÖH-MandatarInnen.
Waren auch VertreterInnen der Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in die Erstellung des Konsenspapiers eingebunden?
In den einzelnen Fraktionen gibt es natürlich auch Studierende von Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Wir haben auch versucht, intensiv die Studierenden der Privatunis miteinzubeziehen. Ich bin selbst auf sie zugegangen und habe sie gefragt, was für sie wichtig wäre. Und wir haben uns bemüht bemüht, diese Punkte in das neue HochschülerInnengesetz einfließen zu lassen. Denn es ist schon wichtig, die Leute, die es dann betrifft, auch mithineinzunehmen.
Waren die Privatuniversitäten von Anfang an dem Beitritt zur ÖH positiv eingestellt?
Natürlich gab es am Beginn gewisse Differenzen, aber im Großen und Ganzen ist die ÖH die beste Anlaufstelle, um Studierenden Mitsprache zu gewähren. Wir haben die größten Ressourcen und die meiste Kompetenz. Insofern ist es eine einmalige Gelegenheit gewesen, die Privatuniversitäten wieder vertreten zu können.
Es gibt einen Paragrafen im Gesetz, der besagt, dass es eine Art „Konkurrenzvertretung“ geben könnte. Dieser wird von der Bundesvertretung der ÖH in ihrer Stellungnahme stark kritisiert wird.
Es steht im Gesetz, dass Hochschulvertretungen, die unter 1000 Studierende vertreten und damit keine Körperschaften öffentlichen Rechts sind, mit einer anderen, größeren Hochschulvertretung, die eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, zusammenschließen können. Wir haben gefordert, dass Hochschulvertretungen, die keine Körperschaften öffentlichen Rechts sind, bei der ÖH-Bundesvertretung bleiben und von dieser wirtschaftlich verwaltet werden. Körperschaften öffentlichen Rechts sind ohnehin von der Bundesvertretung autonom. Uns war aber wichtig, dass die Kompetenz für Hochschulen mit unter 1000 Studierenden bei uns bleibt und dass diese von uns mitbetreut werden. Wir haben jetzt aber immerhin eine notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit solche Zusammenschlüsse in das Gesetz hineinverhandelt.
Die ÖH-Bundesvertretung zeigt sich besonders irritiert über die neuen Kontrollrechte des Bundesministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung. Was hat sich in diesem Punkt im Vergleich zum vorigen Gesetz verändert?
Das Kontrollrecht des Bundesministers wurde verschärft. Diesen Schritt betrachten wir als ziemlichen Eingriff in die Autonomie der gesetzlich verankerten und demokratisch legitimierten ÖH. Der Minister könnte theoretisch Beschlüsse aufheben, wenn aufsichtsbehördliche Verfahren laufen. Das wäre beispielsweise 2012 problematisch gewesen, wo wir die Rücklagen zu den autonomen Studiengebühren in Höhe von einer Million Euro aufgelöst hatten. Er hätte dies damals beeinflussen können und wir wollten gleichzeitig gegen die geplanten beziehungsweise dann auch eingeführten autonomen Studiengebühren des Ministers klagen. Hier sehen wir einen Faktor für Machtmissbrauch der politischen Einflussnahme und das tut sicher dem Verhältnis zwischen dem Bundesministerium für Wissenschaft, Wirtschafts und Fordschung und der ÖH nicht gut. Dieser Punkt wurde auch nicht mehr geändert. Ich kann nicht genau sagen, warum die Kontrollrechte verschärft wurden. Denn bislang wurde noch nicht viel Gebrauch davon gemacht.
Wie beurteilt die Bundesvertretung der ÖH die nun mögliche Briefwahl bei ÖH-Wahlen?
Die derzeitigen Koalitionsfraktionen FEST, FLÖ, GRAS und VSSTÖ wollten keine Briefwahl. Allerdings sollte die Möglichkeit einer Distanzwahl geschaffen werden, jedoch nicht als Briefwahl. Denn diese verstößt gegen drei der sechs Wahlgrundsätze, da keine geheime, freie und persönliche Wahl garantiert werden kann. Wenn ich ein Briefkuvert habe, kann mir eine Person sagen: „Naja wie wär’s denn mit dieser Fraktion? Die tut das und das für dich.“ Aber wenn du in einer Wahlkabine stehst, musst du vor Ort selbst entscheiden, wen du jetzt wählst. Außerdem wäre eine Briefwahl seitens der Administration schwierig für uns. Die Bundesvertretung wäre noch relativ einfach zu bewältigen, aber auf Hochschulvertretungsebene wäre das ein ziemlicher Wahnsinn. Wir hätten uns statt der Briefwahl ein Wahlkartensystem gewünscht, das man aber nicht abschicken muss. Man kann also die Stimme am Wahltag auch auf einer anderen ÖH als der eigenen abgeben. Das Ministerium wollte aber ganz klar die Briefwahl.
Die ÖHs fast aller Universitäten - inklusive der Bundesvertretung - haben eine Stellungnahme an das Ministerium geschickt, die im Internet veröffentlicht wurde. Spricht diese Stellungnahme der Bundesvertretung nicht für alle Hochschulen?
Es sind auch Stellungnahmen von Fachhochschulen und der Österreichischen Privatuniversitätenkonferenz und von sämtlichen Universitäten enthalten. Das hat damit zu tun, dass sich für manche ganz neue Strukturen auftun und die Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wollen diese natürlich selbst kommentieren und präsentieren. Vor allem aber haben wir alle jetzt zehn Jahre auf die Wiedereinführung der Direktwahl gewartet. Aufgrund dieses Erfolgs wollten sich wahrscheinlich alle noch einmal zu dem ganzen HochschülerInnen-Gesetzesentwurf äußern.
Ein Punkt, den ihr sehr begrüßt, ist die Zentralisierung der Justiz. Wieso ist das so wichtig?
Es erleichtert die Arbeit enorm. Es ist am Besten, wenn gleich alle Fälle beim Bundesverwaltungsgericht zusammenlaufen. Denn es ist sehr mühsam, wenn wir in den einzelnen Bundesländern zu den Verwaltungsgerichten gehen müssen.
Ist die ÖH-Bundesvertretung also insgesamt mit dem Gesetz zufrieden?
Wir als Bundesvertretung sind insgesamt sehr zufrieden damit, denn wir haben es ja auch mitverhandelt. Natürlich sind ein bis zwei Punkte drinnen, die nicht so toll sind. Aber andererseits haben wir die Direktwahl wieder erkämpft, die quasi fünf Generationen vor uns wiedereinführen wollten.
Das Interview führte Margot Landl. Sie studiert Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaft an der Universität Wien.