„Rap ist größer denn je“
Mit Individualität und Authentizität mischen der Rapper Macklemore und sein Produzent Ryan Lewis das Rapgeschehen auf und geben ihm neue Perspektiven. Simone Grössing hat das Ausnahmetalent bei seinem Konzert in Kopenhagen getroffen.
Mit Individualität und Authentizität mischen der Rapper Macklemore und sein Produzent Ryan Lewis das Rapgeschehen auf und geben ihm neue Perspektiven. Simone Grössing hat das Ausnahmetalent bei seinem Konzert in Kopenhagen getroffen.
progress: Euer neues Album „The Heist“ ist gerade erschienen. Was können wir uns davon erwarten?
Macklemore: Dieses Album ist einfach zweieinhalb Jahre unseres Lebens. Als wir mit den Aufnahmen begonnen haben, haben wir noch bei unseren Eltern gewohnt und jetzt touren wir durch Europa. Es ist sehr divers und beinhaltet einfach, wo wir in der Vergangenheit waren und wo wir heute stehen. In ihm stecken viele verschiedene Texturen, Sounds und Produktionen. Jeder Song hat ein Konzept. Wenn ich so objektiv wie möglich darauf blicke, würde ich sagen, dass es ein sehr gutes Album ist. Ich bin stolz darauf.
progress: Wie unterscheidet es sich von euren letzten Alben?
Macklemore: Es ist im Grunde eine Fortsetzung unseres bisherigen Schaffens. Es ist sehr ehrlich und versucht, wie schon die Alben zuvor, verschiedene Genres miteinander zu verknüpfen. Im Großen und Ganzen ist es das, was ich wirklich bin und immer versucht habe zu sein – ein Künstler, der ehrlich und angreifbar ist und der Musik vom Herzen macht.
progress: Euer millionenfacher Erfolg auf Youtube ist für einen Independent Act unüblich. Wie macht ihr das?
Macklemore: Hinter uns steht ein tolles Team verschiedenster Menschen. Es ist zwar klein, aber wir investieren alle sehr viel Zeit und Energie in unser Schaffen. Wir setzen eine starke visuelle Komponente – unsere Musikvideos sind sehr einprägsam. In erster Linie ist es aber natürlich die Musik, die die Leute berührt. Damit man das erreicht, muss man mit sich selbst verbunden sein. Das sind so die wichtigsten Elemente.
progress: In dem Song „Make the money“ rappst du, dass dich das Game und Geld nicht verändern dürfen und du dir treu bleiben willst. Man sieht aber bei vielen MusikerInnen, dass sie sich verändern, sobald sie auf einem Major-Label sind. Wieso wird euch das nicht passieren?
Macklemore: Ich denke, es war ein langsamer Anstieg, bis wir dorthin gelangt sind, wo wir jetzt sind. Viele andere sind sehr schnell berühmt geworden, bei uns war das anders. Ich habe realisiert, dass bloß weil ich den Höhepunkt meiner Karriere erreicht habe, das nicht heißt, dass ich jetzt glücklicher bin als zuvor. Geld zu haben, ist keine Garantie für Glück, und Erfolg ist keine Garantie für Zufriedenheit. Es sind sehr fundamentale Dinge, die einen erfüllen. Geld ist ein tolles Zeugnis für harte Arbeit, das heißt aber nicht, dass es glücklich macht. Am Ende zählt das nicht.
progress: Du positionierst dich gegen Drogen und schreibst Pro-Homo-Songs (siehe „Same-Love“). Du machst oft das Gegenteil von dem, was die meisten Rapper machen.
Macklemore: Ich denke, im Jahr 2012 gibt es so viel Platz und Möglichkeiten, um du selbst zu sein, wer auch immer das ist. Solange du „real“ bist, kannst du so sein, wie du bist und du wirst akzeptiert. Ich denke, die Normen und Stereotype von Rap ändern sich. Ich versuche nicht, bestimmte Mauern einzureißen, weil ich denke, dass das gemacht werden muss. Ich bin einfach nur ehrlich und zeige meine Sicht auf die Welt. Hip Hop sollte etwas Größeres sein – eine größere Kunstform als, dass sie in Schubladen gesteckt werden könnte. Rap ist größer denn je, es gibt eine größere Anzahl von MusikerInnen als früher, mit sehr verschiedenen Ansätzen. Einerseits, weil das Internet das ermöglicht und andererseits, weil die Major Labels die Kontrolle in der Musikindustrie verlieren – es gibt heute eine Diversität, die wunderbar ist.
progress: Was hältst du von dem Begriff „Hipster Rap“? Stört es dich, wenn jemand deine Musik so bezeichnet?
Macklemore: Es ist lustig, ich höre das seit dem Song „Thrift Shop“ ständig. Aber was ist schon ein Hipster? Es ist eine nicht enden wollende Debatte. Es verletzt weder meine Gefühle, noch streite ich es ab, oder bestätige es, es ist mir eigentlich egal.
progress: In der letzten Zeit haben sich viele MusikerInnen geoutet, darunter etwa Azealia Banks, Syd the Kyd und Frank Ocean. Ändert sich Rap ernsthaft, oder ist das einfach nur ein Hype?
Macklemore: Ja, ich glaube Hip Hop und die Gesellschaft verändern sich. Hip Hop wurde immer schon direkt von der Gesellschaft beeinflusst und umgekehrt. Leute wie Frank Ocean, die sich nun outen, sind sehr mutig. Sie sind sehr verwundbar in einem Genre, das so homophob ist. Die Leute sind aber bereit, sie selbst zu sein, und fühlen sich damit wohler denn je zuvor. Es ist kein Hype. Alles kommt zu seiner Zeit. Ich hab den Song geschrieben, bevor Frank Oceans Outing kam und bevor Obama sich für die Homo-Ehe aussprach und Jay-Z ihm seine Unterstützung erklärte. Aber es geht nicht darum, auf den Zug aufzuspringen, oder darum, dass du der Erste bist. Je mehr Perspektiven desto besser. Es geht einfach darum, „real“ zu sein und das war der Song „Same-Love“ eben für mich.
progress: Welchen fehlenden Farbstrich verpasst ihr dem Rap?
Macklemore: Es sind unsere eigenen Farben. Es ist kein zwanghaftes Hineinpassen- Wollen. Es geht darum, individuell zu sein und Dinge auszusprechen, vor denen man Angst hat. „When I was in third grade, I thought that I was gay“ – das machte mir schon tierisch Angst, so etwas auf meiner Platte zuzugeben. Nicht zu wissen, wie man beurteilt wird und was die Rap-Welt über mich sagen wird. Wenn ich Angst habe, über etwas zu schreiben, dann ist das womöglich der richtige Platz, von dem aus ich schreiben sollte. Ich versuche das einzureißen, wovor ich Angst habe.
progress: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Macklemore: Ich möchte mir ein bisschen Zeit nehmen und mit meiner Freundin herumreisen, das nächste Album außerhalb von Seattle schreiben, eine andere Perspektive auf das Leben bekommen und Energie sammeln, weil wir in den letzten drei Jahren sehr hart gearbeitet haben. Wenn sich einmal die Türen der Musikindustrie öffnen und sich deren Räder zu drehen beginnen, feuert dich jeder an. Ich bin bereit, hart zu arbeiten, denn jetzt stehen uns ja die Türen offen. Aber es ist eben auch Teil dieser Arbeit, darüber zu reflektieren, was du machst. Du kannst keine neue Musik schreiben, wenn du jeden Tag dasselbe siehst. Wir wollen neue Musik machen, aber von anderen Orten aus.