„Kleines“ Spiel groß im Geschäft
Erschreckend viele Menschen werfen ganze Monatsgehälter in Glücksspielautomaten. Das provoziert immer mehr soziale Probleme, doch die Politik kümmert sich nur halbherzig um Lösungen. Gesetzeslücken und Vollzugsstreitigkeiten stehen einem Verbot der Automaten im Weg.
Es ist ein Bombengeschäft. Der größte österreichische Glücksspielkonzern Novomatic versetzt mit seinen Jahresabschlüssen regelmäßig die AktionärInnen in Staunen. Ein Umsatzplus von 19 Prozent und 131 Millionen Euro Profit erwirtschaftete das Gumpoldskirchner Unternehmen im Jahr 2010. Verkauf und Vermietung von Glücksspielautomaten sowie der Betrieb von Glücksspielen machen den Löwenanteil davon aus. Laut eigenen Angaben betreibt Novomatic weltweit 165.000 Spielautomaten. Stimmen die Rahmenbedingungen, ist das Geschäft krisensicher. 2009 musste der Konzern zwar einen leichten Umsatzrückgang einstecken, da Russland das Glücksspiel verbot, doch wo die Spielautomaten erlaubt sind, liefern sie regelmäßig hohe Erträge. Das ist kein Wunder, denn 60 Prozent des Umsatzes liefern Spielsüchtige, die aufgrund ihrer Krankheit immer mehr Geld in die Automaten werfen. Und so kümmerte sich der Konzern gut um die Rahmenbedingungen in Österreich: Lobbyismus und großzügiges Sponsoring von Parteien ebneten den Weg zu einem Glücksspielgesetz, mit dem Novomatic „zufrieden“ sei.
Wiederbelebt. Als soziales Problem erlebt die Spielsucht eine Renaissance. Sie hängt mit der Liberalisierung des Glücksspielmarktes zusammen.
Seit den 1980ern wurde das vormals strikt monopolisierte Geschäft für MarktteilnehmerInnen geöffnet. In Folge dessen stieg das Angebot, die Spielsucht folgte am Fuß. Besonders das Automatenglücksspiel hat Anteil daran.
Ein Beispiel aus Kärnten verdeutlicht das: Während vor 1997 weniger als ein Prozent der PatientInnen der Suchtklinik De La Tour an pathologischem Spielverhalten litten, stieg diese Zahl nach der Legalisierung des so genannten kleinen Glücksspiels an. 2005 hielten sie bei 15 Prozent.
Die Automaten fördern das Suchtverhalten: Ein Spiel dauert ein oder zwei Sekunden, oft erscheinen Beinahe-Jackpots am Schirm, den SpielerInnen wird vorgegaukelt, sie könnten durch geschicktes Spielverhalten das Ergebnis beeinflussen. Doch am Ende gewinnen die BetreiberInnen, so schreibt es das Gesetz vor: Zwischen 85 und 95 Prozent der Einsätze müssen die Automaten wieder ausspucken. Da bleibt für alle restlichen Beteiligten genug übrig: AutomatenherstellerInnen, BetreiberInnen und die öffentliche Hand profitieren.
Letztere hat allerdings einigen Handlungsspielraum. Das Glücksspiel ist bundesgesetzlich geregelt. In der Frage der Automaten wurde mit dem neuen Glücksspielgesetz von 2010 Regelungskompetenz an die Länder abgegeben. Sie können selbst entscheiden, ob das kleine Glücksspiel im Bundesland legal sein soll oder nicht. Wenn ja, kann eine an der Bevölkerungszahl ermittelte Obergrenze von Automaten aufgestellt werden.
Das Land erhebt dafür Gebühren. In Wien werden beispielsweise 1400 Euro pro Automat und Monat kassiert. Diese können entweder als „Einzelaufstellungen“ (maximal drei Automaten pro Lokal, 1 Euro Maximaleinsatz) oder in Automatensalons (bis zu 50 Automaten, 10 Euro Maximaleinsatz) bewilligt werden.
Krankhaftes Automatenspiel kommt ziemlich teuer. Jene, die den Weg zur Spielsuchtberatung schaffen, sind durchschnittlich mit 40.000 Euro verschuldet. Beschaffungskriminalität, Therapie, Gerichtskosten, SchuldnerInnenberatung, zerrüttete Familien und Arbeitsplatzverlust sind typische „Nebeneffekte“ des Automatenspiels. Sie kosten Geld, und zwar mehr als der Staat damit einnimmt. Das ist das Ergebnis einer Studie von Joanneum Research, die 2009 publiziert wurde. Von der Legalisierung des kleinen Glücksspiels hält das aber kaum ein Bundesland ab. In Wien, der Steiermark, Niederösterreich und Kärnten sind die Automaten bereits erlaubt, der Oberösterreichische Landtag beschloss kürzlich die Legalisierung, auch das Burgenland steht schon in den Startlöchern.
Lücke im Gesetz.
Ein Verbot sei unmöglich durchzusetzen, argumentieren die PolitikerInnen häufig. Das würden die vielen illegalen Automaten zeigen, die etwa in Oberösterreich nicht kontrolliert werden konnten. Die Gründe dafür liegen sowohl im Gesetz, als auch im Vollzug desselben. Während 2010 die Glücksspiel-Soko des Finanzministeriums ausrückte, um illegale Automaten zu konfiszieren, wurde die Beschlagnahmung von der jeweils zuständigen Bundespolizeidirektion bereits zweimal aufgehoben. Polizei und Finanz sind sich nicht einig, wie der Vollzug der Gesetze vonstatten gehen soll.
Auch eine Lücke im Gesetz stellt die Politik vor Probleme. So können zwar die Länder entscheiden, ob sie das kleine Glücksspiel legalisieren wollen oder nicht, doch geringfügig andere Spielautomaten – Video Lotterie Terminals (VLT) – können überall in beliebiger Zahl aufgestellt werden. Landesgesetze hin oder her. Sie gelten als Lotteriespiele und sind im Glücksspielgesetz in einem anderen Paragraphen geregelt, haben aber mindestens so verheerende Auswirkungen wie die Landes-Automaten. Denn Höchsteinsatzgrenzen gibt es bei diesen Geräten nicht. Davon profitieren die Österreichischen Lotterien bzw. ihr Mehrheitseigentümer, die Casinos Austria, da sie die einzige Lizenz für Online- Lotterien besitzen.
Für Christoph Lagemann von der ARGE Suchtvorbeugung macht ein Verbot, das nicht durchgesetzt werden kann, wenig Sinn. Denn ein illegaler Markt schaffe noch mehr Probleme. Sein Interessensverband gab eine Studie zum Thema Spielsuchtvorbeugung in Auftrag, die Mitte Mai veröffentlicht wurde. Dort steht schwarz auf weiß: 64.000 ÖsterreicherInnen haben ein Spielsuchtproblem, 60 Prozent der Umsätze im Automatenglücksspiel kommen von ihnen. Kurzfristig müsse der SpielerInnenschutz ausgebaut und die Prävention verbessert werden. Allerdings sei das Automatenglücksspiel „eine derart gefährliche Sache, dass langfristig über den Umgang damit noch einmal nachgedacht werden muss“, gibt Lagemann zu bedenken. Ein staatliches Glücksspielmonopol, das die Gewinne der Allgemeinheit zuführt, wäre seiner Meinung nach die vernünftigste Lösung.
In Österreich haben sich besonders die Bundesländer mit ihrer impliziten Zustimmung zum Glücksspielgesetz selbst ein Ei gelegt: Scheinbar können sie das Angebot zwar regeln, aufgrund der VLTs und der Streitigkeiten im Vollzug sitzen sie jedoch am kürzeren Ast. „Durchgerutscht“ sei die VLT-Regelung im Gesetz, hört man aus dem Parlament. Während sich die Politik selbst um ihren Handlungsspielraum bringt, wirft die Bevölkerung Tag für Tag weiter Geld in die Automaten. Doch die Lücken im Gesetz könnte man schließen – es scheitert am mangelnden Willen.
Die Autorin studierte Sozioökonomie in Wien und ist Vize-Chefin der Sektion8.