„Hoppauf, Hakoah!“
Der jüdische Sportverein Hakoah Wien zählt seit mehr als 100 Jahren zu einem der erfolgreichsten Sportvereine Österreichs. Eine Fotoreportage von Margot Landl und Sarah Langoth.
Der jüdische Sportverein Hakoah Wien zählt seit mehr als 100 Jahren zu einem der erfolgreichsten Sportvereine Österreichs. Eine Fotoreportage.
Der SC Hakoah wurde im Jahr 1909 als Zeichen jüdischer und zionistischer Kultur und gleichzeitig als Reaktion auf die in immer mehr Sportvereinen gültigen rassischen Arierparagrafen gegründet. Diese schlossen Juden und Jüdinnen in Zeiten des wachsenden Antisemitismus immer stärker vom gesellschaftlichen und damit vereinssportlichen Leben aus. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg feierte die Hakoah viele Erfolge und war weltweit einer der erfolgreichsten Breitensportvereine. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde auch die Hakoah aufgelöst und enteignet.
Nach 1945 konnte die Vereinstätigkeit jedoch bald wieder aufgenommen werden. Heute steht ein modernes Sportzentrum auf dem etwa 2000 Quadratmeter großen Grundstück im zweiten Wiener Gemeindebezirk, welches dem Verein erst 70 Jahre nach seiner Enteignung zurückgegeben wurde.
„Hakoah“ ist hebräisch und bedeutet so viel wie „Kraft“. Der Verein war ein Teil jüdischer Kultur und ist es auch heute noch. „Heute besitzen wir etwa 500 Mitglieder und natürlich sind die meisten davon jüdischer Religion, doch wir sind offen für Menschen aus allen Kulturen und Religionen“, erklärt der Präsident des Vereins Paul Haber.
„Viele Menschen kommen auch einfach zu uns, weil sie unsere Angebote nutzen möchten. Markus Rogan ist auch erst zum Judentum übergetreten, als er schon lange nicht mehr bei uns trainiert hat. Nicht der Hakoah, sondern der Liebe wegen“, schmunzelt er.
Der Präsident Paul Haber ist der 69-jährige Sohn von Karl Haber, der die Hakoah nach dem Krieg neu gegründet hat. „Ich bin im Verein groß geworden. Meine Großeltern sind alle im Krieg umgekommen, viele Verwandte emigriert oder gestorben. Die Hakoah war, wenn man so will, ein Familienersatz.“
In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zählte die Hakoah etwa 8000 Mitglieder – „So viel, wie heute die ganze Kultusgemeinde“, überlegt Paul Haber. Der Verein war mehr als ein Sportklub, er hatte ein eigenes Orchester, veranstaltete Bälle und die Fußballmatches zogen auch Juden und Jüdinnen an, die sich sonst eher wenig für Sport begeisterten. 25.000 ZuschauerInnen bei einem Derby waren keine Seltenheit. Der Schlachtruf lautete: „Hoppauf, Hakoah!“.
Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball oder Wasserball waren beliebte Disziplinen beim SC Hakoah. Ein Wasserballer, der auf anderem Weg berühmt geworden ist, ist der Schriftsteller Friedrich Torberg. Heute besteht der Verein aus den Sektionen Basketball, Bowling, Judo, Karate, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Wandern und Skifahren.
Bela Guttmann war 1925 mit dem Fußballklub der Wiener Hakoah österreichischer Meister, danach führte er als Trainer beispielsweise Spanien zu einem Sieg im Europacup.
Der Fußballplatz war, damals wie heute, immer ein Ort der Emotionen. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten wurde auch das Fußballfeld immer mehr zum Platz der Diskriminierung und der Gewalt, bis schließlich ab 1933 die sportliche Tätigkeit der Hakoah in allen Bereichen immer stärker eingeschränkt und schließlich unterbunden wurde.
Eine der erfolgreichsten und berühmtesten Schwimmerinnen der Hakoah war Hedy Bienenfeld. Sie gewann nicht nur verschiedene österreichische, sondern auch zahlreiche internationale Meistertitel, beispielsweise bei den Maccabiaden, der größten jüdischen, internationalen Sportveranstaltung.
Bei vielen Wettbewerben waren die SportlerInnen offenen antisemitischen Angriffen ausgesetzt. „Bei manchen Bewerben musste die Hakoah-Ringerstaffel die Schwimmerinnen bis zum Start begleiten“, erzählt Paul Haber. Nicht alle von ihnen nahmen diesen Zustand wortlos hin: Im Jahr 1936 verweigerten die Schwimmerinnen Judith Deutsch, Lucie Goldner und Ruth Langer neben einigen Leichtathleten die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin aus Protest gegen die nationalsozialistische Rassenideologie – eine Entscheidung, die nach den Statuten des Internationalen Olympischen Komitees erlaubt war. Daraufhin wurden sie durch den österreichischen Schwimmverband lebenslänglich gesperrt und es wurden ihnen alle Titel aberkannt. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, bis die Sportlerinnen öffentlich rehabilitiert wurden.
Paul Haber zeigt auf die vielen Pokale, Plaketten und Medaillen, die in den Schaukästen im Eingangsbereich des Sportzentrums ausgestellt sind: „Die Hakoah konnte in allen betriebenen Sportarten mindestens einen Staatsmeistertitel vorweisen, in einigen Bereichen konnte man sogar Weltklassesportler hervorbringen, wie beispielsweise Ringen oder Schwimmen. In den 1930ern waren wir der größte Allroundsportklub der Welt.“
Der SC Hakoah war auf Breitensport hin ausgerichtet, das Angebot des Vereins vor dem Zweiten Weltkrieg umfasste dreizehn verschiedene Sportarten: Fußball, Schwimmen, Ringen, aber beispielsweise auch Fechten oder Schach. Trotzdem, oder genau deshalb, gelang es, in einigen Sportarten SportlerInnen bis an die Weltspitze zu bringen.
In dem Museum des SC Hakoah, welches eine Enklave des Jüdischen Museums Wiens ist, sind Fotos, Texte und Gegenstände ausgestellt, welche hauptsächlich die Zeit vor 1945 thematisieren. Der muskulöse Mann auf dem Schwarz-Weiß-Foto ist Paul Haber im Jahr 1964, als er österreichischer Meister im Schwimmen wurde.
Schwimmen war eine der wenigen Sportarten, welche im Verein kontinuierlich ausgeübt werden konnte, da man dafür nicht viele Ressourcen benötigte. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Verein die meisten seiner, vor allem jungen Mitglieder und sein gesamtes Eigentum verloren hatte, waren Schwimmen und Leichtathletik vorerst die einzigen Sportarten, die weiter praktiziert werden konnten.
Da das Sportzentrum erst 2008 nach der Rückerstattung des Hakoah-Grundstücks gebaut wurde, ist es äußerst modern ausgestattet. „Es ist mit Sicherheit eines der modernsten Fitnessstudios Österreichs“, beurteilt Paul Haber.
Durch die Zusammenarbeit mit der TU und Universität Wien soll auch alles getan werden, um immer auf dem neuesten Stand der Forschung zu bleiben. Ein Team aus PhysiotherapeutInnen, SportmedizinerInnen, TrainerInnen und LeistungssportlerInnen steht den Mitgliedern des Vereins zur Verfügung.
Das Sportzentrum besitzt eine sogenannte „Dreifach-Halle“, welche in drei einzelne Hallen unterteilt werden kann. Diese wird unter der Woche von der benachbarten jüdischen Zwi Perez Chajes-Schule genutzt, die dort ihren Turnunterricht abhält.
Auf der anderen Seite des Gebäudes grenzt das Maimonides-Zentrum an, eine Kombination aus betreutem Wohnen und Seniorenheim für vorwiegend jüdische Personen. Auch einige von diesen kommen regelmäßig in das Fitness- und Wellnesscenter.
Der Außenbereich der Sportanlage besteht aus drei Tennisplätzen, einem Hartplatz und einem Swimming Pool für den Sommer. Alle Sektionen haben hier ihren Standpunkt, außer die Bowling- und die Schwimmsektion, die in eigenen Hallen in anderen Bereichen Wiens trainieren.
Neben dem Fitnessbereich besitzt das Sportzentrum auch einen modernen Wellnessbereich mit Sauna, Solarium und Massagemöglichkeit. Ebenso gibt es einen Aufenthaltsbereich im Freien für den Sommer, einen Seminarraum oder eine Cafeteria, das Tagesgericht ist ein Falafelteller.
„Wir haben ein relativ hohes Durchschnittsalter im Verein, die ältesten Mitglieder sind über 80 Jahre alt. Ich selbst lege als Sportmediziner einen besonderen Schwerpunkt auf ältere Menschen“, erzählt Paul Haber. Andererseits ist der Verein auch eine Trainingsakademie für LeistungssportlerInnen und bringt immer wieder Medaillenhoffnungen wie den Judoka Stephan Hegyi hervor. Alle Generationen sollen eingeladen sein.
Sportclub Hakoah
Karl Haber Sport & Freizeitzentrum
Simon-Wiesenthal-Gasse 3 (Eingang: Wehlistr. 326)
1020 Wien
Telefon: +43/1/726 46 98 - 0
FAX: +43/1/726 46 98 - 999
e-Mail: office@hakoah.at
Öffnungszeiten:
Mo. - Fr. (werktags): 08:00 - 22:30
Sa., So., feiertags: 09:00 - 21:00