„Gesund ist das nicht!“
Barbara Eders neuer Spielfilm „Thank you for bombing“ wirft einen Blick auf die Arbeit dreier Kriegsjournalist*innen, die in oder auf dem Weg nach Afghanistan sind: Während Cal auf der Suche nach einem richtigen Krieg ist, wird die Journalistin Lana von allen Seiten mit Sexismus konfrontiert. Den älteren Ewald holen bereits am Flughafen Wien-Schwechat Erfahrungen aus dem Jugoslawien-Krieg ein. Ursprünglich als Dokumentarfilm angelegt, erzählt der Film vom Alltag als Journalist*in in Krisengebieten – abseits mythischer Heldenerzählungen. progress sprach mit der Regisseurin über Sexismus in der Branche, psychische Folgen der Arbeit und über Alice im Wunderland.
progress: Beginnen wir mit einer sehr klassischen Frage: Wie bist du auf die Idee gekommen einen Film über Kriegsreporter*innen zu machen?
Barbara Eder: Was heißt es, Reporter in Zeiten des arabischen Frühlings zu sein? In Zeiten, in denen man von entführten oder geköpften Journalisten hört. Darüber wollte ich einen Film machen. Zu Beginn hatte ich ein oberflächliches Bild davon. Ich habe mir alles sehr heldenhaft vorgestellt und die Mythen drum herum geglaubt. Zu einem gewissen Teil ist es auch so.
Dann bin ich ein Jahr gereist, weil ich spüren und erfahren wollte, wie das abläuft: Nach Israel, nach Beirut an die libanesisch-syrische Grenze, nach Afghanistan. Dort habe ich mich vom Militär einbetten lassen. Da wirst du mit auf Touren genommen und bist in einem sehr geschützten Raum. Das wirkt eher so, als ob du zu einem Ausflug mitgenommen wirst. Ich war auch mit sehr großen Sendern unterwegs. Einer davon hat den Leuten vor Ort einen Text aus Atlanta geschickt, den sie in die Kamera sprechen mussten. Das sind Fakten. Ich war geplättet. Ich habe auch viele Freelancer kennengelernt, darunter sehr tolle Frauen, die meistens keine Vollverträge bekommen. Ich habe auf jeden Fall viel gesehen. Aber ich hatte ein heldenhafteres Bild im Kopf. Ich dachte auch, dass die Leute viel mehr über das Land wissen.
Wie kam es dazu, dass du dich doch für einen Spielfilm und nicht für einen Dokumentarfilm entschieden hast?
Ab einem gewissen Punkt bin ich mit sehr vielen Eindrücken nach Hause gekommen und stellte mir die Frage, ob ich das Thema in einem Dokumentarfilm behandeln kann: Würden die Journalisten das, was sie mir sagen, die Wahrheiten, die sie aussprechen, auch vor laufender Kamera sagen? Würden sie es bereuen, wenn sie es tun? Welche Folgen hat das für ihre weitere Karriere? Es gab Reporter, die ohne Valium nicht durch den Tag gekommen sind. Daher entschieden wir uns einen fiktionalen Film zu machen. So konnte ich auch Geschichten, die in der Vergangenheit liegen, einbauen. Und aus all diesen verschiedenen Menschen und Eindrücken drei Figuren formen und mich darauf konzentrieren, was ich zeigen will, ohne ständig damit kämpfen zu müssen, wie ich Reporter schützen kann.
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Der Film erzählt am Beispiel der jungen amerikanischen Journalistin Lana unter anderem von einen sexistischen System im Journalismus. Glaubst du, dass dieser Punkt bei Kriegsreporter*innen öfters vorkommt als in anderen journalistischen Bereichen?
Ja! Es klingt immer so schön, wenn man sagt, die Frauen erobern diese und jene Bereiche. Das ist ja schön, aber in den Köpfen ist es nicht so. Ich habe von vielen die Frage gehört, was eine Frau in diesem Land überhaupt zu suchen hat. Man kann aber genau so fragen, was ein Mann in diesem Land zu suchen hat, der auch auf eine Miene treten kann. Gefährlich ist es für alle. Natürlich musst du als Frau in Afghanistan ein Kopftuch tragen. Und ja, du wirst auch mal begrapscht. Sexuelle Belästigung habe ich aber mehr in den Reporter-Teams erlebt. Das war mir nicht klar, das habe ich unterschätzt.
Was glaubst du, woher dieser spezielle Sexismus kommt?
Oft ist es der Gedanke, die Frau schützen zu müssen. Das ist unterschwellig in den Köpfen vieler Männer verankert und daher schicken sie lieber einen Mann. Es ist ja gut gemeint, aber einfach nicht richtig. Niemand würde eine Frau vorschicken, weil es für den Mann zu gefährlich sei. Das ist absurd. Das Schlimme ist, dieses Verhalten hat einen Effekt auf Frauen: Sehr viele begeben sich eher in Gefahr, riskieren mehr, um zu beweisen, dass sie es können. Dann kommt es auch zu Übergriffen. Lana geht ja völlig alleine, ohne Schutz zu zwei Soldaten, von denen sie nichts weiß und die alles andere als freundlich sind. Da könnte man sagen, dass das dumm ist. Ich glaube aber, dass man im Film sehen kann, warum diese Person einen Schritt zu weit geht.
Gleichzeitig zeigst du doch auch Sexismus in Afghanistan. In Hinblick auf die seit Köln entstanden Geschichten und Bilder über einen frauenfeindlichen Islam, könnte dieser Punkt von sogenannten „besorgten Bürger*innen“ instrumentalisiert werden. Bereust du die Entscheidung Afghanistan so gezeichnet zu haben?
Natürlich gibt es Sachen, bei denen ich mir denke, das ist vielleicht die falsche Zeit. Ich hoffe aber, dass die Leute, die den Film sehen, den Kontext nicht vergessen. Klar kann man Querverbindungen ziehen, aber ich kann auch nicht verneinen, dass Übergriffe passieren. Ich kann nicht alles schön reden. Das heißt aber noch lange nicht, dass man nach Köln sagen darf, dass jeder Flüchtling oder alle, die aus einem muslimischen Staat kommen, potentielle Vergewaltiger sind. Das Gleiche gilt für den Titel: Nach den Anschlägen in Paris wollte ich mich mit dem Titel "Thank you for Bombing" vergraben. Ich habe überlegt ihn zu ändern, aber ich hatte doch das Gefühl, dass die Leute sich durchlesen, um was es in dem Film geht und diesen Kontext beherzigen.
Kommen wir zu einem weiteren Protagonisten, Cal: Für mich hat er am meisten dem Bild des westlichen Kriegsjournalisten entsprochen. Er ist jung, weiß, männlich, auf der Suche nach Action, um die Quoten nach oben zu treiben und bringt sich selbst dabei in Gefahr. War das während deiner Recherche der vorherrschende Typus? Oder ist das ein Klischee?
Vielleicht ist es irgendwo ein Klischee. Aber es ist auf jeden Fall so, dass die Leute so sehr mit sich hadern. Sie legen fast schon Selbstmord-Tendenzen an den Tag. Sie hören nicht auf. Stillstand ist die Hölle für sie. Ich kann mich an einen Korrespondenten erinnern, der Cal sehr ähnlich war: Immer wenn nichts los war, wenn die Stille eingebrochen ist, hat er angefangen zu saufen, Drogen zu nehmen, sich einfach nieder zu dröhnen oder irgendeinen viel zu riskanten Bullshit zu machen. Er konnte die Stille nicht aushalten, da er dann angefangen hat über Dinge nachzudenken, die er gesehen hat. Er war im Irak-Krieg. Da ist einiges bei ihm hängen geblieben. Der Irak-Krieg war für viele der Tiefpunkt, der viel verändert hat.
Auch beim älteren Protagonisten Ewald ist einiges aus dem Jugoslawien-Krieg, von dem er berichtet hat, hängen geblieben. Er hat Probleme zwischen Realität und Paranoia zu unterscheiden …
Ich wollte diese ältere Figur haben, die gebremst wird, die etwas hindert: Eine Vergangenheit, die nicht loslässt. Ganz viele dieser Leute haben post-traumatische Störungen, aber die wenigsten sagen es. Ich habe jemanden getroffen, der im Jugoslawien-Krieg war. Dort wurden sehr viele Massengräber ausgehoben. Bis heute riecht er hin und wieder diesen Leichengeruch an seiner Kleidung. Er bekommt den Geruch nicht weg und muss die Kleidung wegwerfen. Das fand ich heftig und traurig. Es gab so viele, die mir gesagt haben, dass sie mir jahrelang erzählen könnten, was sie alles erlebt haben und ich würde es dennoch nicht begreifen. Gesund ist das nicht!
Der Film beginnt mit dem Zitat "All this talk of blood and slaying has put me off my tea" aus Alice im Wunderland. Ist das eine Aussage, die du so ähnlich von Kriegsreporter*innen gehört hast?
Ich habe bei diesen Film das erste Mal mit Michael Glawogger zusammen gearbeitet, da ich seine Meinung haben wollte. Er hatte bei seinen Projekten viele Berichterstatter und Korrespondenten. Die Geschichten, die ich erzählt habe, erinnerten ihn sehr an diese Kontakte. Und da fand ich es lustig, dass sowohl er als auch viele Leute, die in diesem Feld arbeiten, den Jabberwocky aus „Alice hinter den Spiegeln“ zitieren konnten. Vielleicht war das nur ein Trend, aber das drückt so gut aus, zu welchem Punkt viele der Journalisten kommen: Es herrscht in diesem Bereich so ein Zynismus, so ein Sarkasmus. Jabberwocky ist ja ein komplett unsinniges Gedicht. Und im Abspann kommt das wieder, wo die Korrespondenten kompletten Unsinn in die Kamera sprechen.
Valentine Auer arbeitet als freie Journalistin in Wien.