„Dem Töchterle ist das scheißegal“

  • 13.07.2012, 18:18

Alexandra Eisenmenger (33) ist alleinerziehende Mutter und wollte Biologie an der Uni Wien studieren:

„Ich bin eine Nachzüglerin. Ich habe vor sechs Jahren die Matura an der Abendschule nachgeholt, und letztes Wintersemester Biologie inskribiert.
Ich bin draufgekommen, dass mich Biologie extrem interessiert, dass ich gerne ins Labor gehen würde. Ich komme aus der kaufmännischen Richtung und wollte weg von dort. Da ich alleinerziehende Mutter bin, habe ich mich um ein Stipendium gekümmert, und das auch bekommen.
Ich habe mich sehr darauf gefreut und war irrsinnig motiviert. Ich war bestimmt 80 Prozent der Vorlesungen anwesend, hab das immer irgendwie gedeichselt, außer wenn ich krank war oder es nicht gegangen ist wegen meiner Tochter. Ich habe auch parallel schon andere Vorlesungen besucht.


Bei der ersten von zwei Prüfungen habe ich mich gefragt, ob ich da wirklich auf der Uni bin. Die Prüfung hat 15 Minuten später gestartet, weil sie zu wenig Prüfungsbögen hatten, die Fragen hatten überhaupt nichts mit Wissen zu tun. Wir waren so eine Vierer-Mädls-Lernpartie, die haben alle zu mir gesagt, ich könne das in- und auswendig. Es hat dann geheißen, das Ergebnis komme vor Weihnachten, erfahren hab ich es dann nach Jahreswechsel: Nicht geschafft. Das war wirklich das totale Aussiebverfahren, 56 Prozent sind durchgefallen. Ich hab mich aber wieder hingesetzt, alles gelernt, ich hab mir gedacht: ‚Bitte fragt’s mich das alles, ich kann’s ja!’ Bei der zweiten Prüfung war’s aber dasselbe in grün. Ich find’s irrsinnig traurig, wie man Leuten wie mir, die halt erst später draufkommen, was sie machen wollen, noch mehr Steine in den Weg legen kann. Die Fragen waren viel zu detailliert und teilweise auch nicht mal aus dem Stoffgebiet. Die Stimmung unter den Studierenden war absoluter Wahnsinn, wir haben uns alle angeschaut und gefragt, was das für ein Theaterstadl ist! Warum kann man denn da keine normalen Fragen stellen? Ich bin wiedermal in ein großes Loch gefallen. Von der Stipendienstelle hab ich bestimmte Auflagen bekommen, und man kann ja keine anderen Prüfungen machen, solange man die STEOP nicht abgeschlossen hat. Ich muss jetzt knapp 5.000 Euro zurückzahlen, außer ich finde eine andere Lösung. Ein mündlicher Antritt – ich würd’ alles dafür geben.


Ich bin 33, ich bin nicht alt, das weiß ich schon – aber für gewisse Sachen bleibt die Zeit nicht stehen, die rennt. Irgendwann geht’s einfach nicht mehr mit Ausbildung und Hin und Her. Ich hab nicht wirklich ein anderes Fach, das ich studieren will. Viele haben auch gesagt; ‚Na dann geh doch nach Graz studieren!’, aber die stellen sich das auch ziemlich einfach vor: Ich bin alleinerziehend mit einem siebenjährigen, schulpflichtigen Kind. Ich kann nicht einfach alle Sachen packen und gehen!
Mein Lernaufwand war sehr hoch. Neben 20 Stunden die Woche Arbeiten und meinem Kind habe ich zwei Monate intensiv gelernt. Es gibt natürlich immer welche, die’s heraußen haben. Ich hab seit sechs Jahren nichts mehr gelernt, trotzdem war ich supergut vorbereitet. Jetzt bin ich lebenslang für Biologie gesperrt.
Überall liest man: Bildung! Bildung! Bildung! Wir wollen alle bilden und stellen alles zur Verfügung! Da kannst du dir doch nur an den Kopf greifen, wenn dann sowas rauskommt. Aber so Leuten wie dem Töchterle, denen is das im Prinzip alles scheißegal.“